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Nius, Baerbock und Föderl-Schmid: Stefan Weber und seine Plagiats-Jagd

Doktortitel

Von Rechten geliebt und ständig im Streit: Plagiatsjäger Stefan Weber

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    Stefan Weber ist als "Plagiatsjäger" bekannt geworden.
    Stefan Weber ist als "Plagiatsjäger" bekannt geworden. Foto: Joachim Bergauer

    Annalena Baerbocks Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" wurde zwar zum Spiegel-Bestseller, doch zu welchem Preis: Als der Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber ihr mehrere Plagiate vorwarf, brachen die Umfragewerte der grünen Kanzlerkandidatin ein. Webers Recherche hatte Gewicht, nicht zum ersten Mal brachte der Plagiatsjäger einen großen Namen in Misskredit. Jetzt hat er es vielleicht zu weit getrieben. Oder lernt er noch schnell genug dazu?

    Rund um den Jahreswechsel ist er wieder in die Schlagzeilen geraten. Sein aktueller Fall ist Alexandra Föderl-Schmid, stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung und einst Kommilitonin von Weber an der Uni Salzburg. Im Dezember veröffentlicht das Onlineportal Medieninsider eine Recherche, wonach sie in mehreren journalistischen Texten abgeschrieben haben soll. Der Vorwurf sei "zutreffend", urteilt Weber. Und legt nach, wirft ihr auch Plagiate in ihrer Doktorarbeit vor. Weitere Veröffentlichungen sollen folgen. Doch dazu kam es lange nicht. Stattdessen ist Weber in der Defensive.

    Plagiatsvorwürfe gegen Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung

    Ihm geraten zwei Umstände in die Quere, und zumindest für einen davon trägt er selbst die Verantwortung. Denn seine Plagiatsvorwürfe gegen die Journalistin lässt Weber nicht irgendwo veröffentlichen, er verkauft sie an Nius, die Redaktion um Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, die am rechten Rand des Medienspektrums steht. Zudem nimmt der Fall eine dramatische Wendung: Föderl-Schmid wird kurzzeitig vermisst, ein Suizid steht im Raum. Weber gibt sich geknickt von der Nachricht; er habe eine Freudenträne vergossen, als tags darauf vermeldet wird, dass die Journalistin lebend gefunden wurde, erzählt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch manche geben ihm eine Mitschuld an der Entwicklung.

    Mit seinem Vorgehen, Erkenntnisse häppchenweise zu veröffentlichen, ohne die Beschuldigten zu kontaktieren, erhöhe er den Leidensdruck, heißt es. In einem Interview mit der Nachrichtenseite Watson zeigt Weber sich einsichtig, will Plagiatsvorwürfe künftig erst nach abgeschlossener Prüfung und Konfrontation der Betroffenen publizieren – auch wenn das seine Ungeduld auf die Probe stelle und sich das Gegenüber eh fast nie melden würde. Doch bei Webers Ankündigung hat sich der Wind bereits gedreht. Noch nie habe er so viele Hassnachrichten erhalten, erzählt er. Medien hätten sein Vorgehen als Hetze gedeutet.

    Wer sich Weber nähert, trifft auf Leute, die viel zu erzählen haben, aber meist lieber anonym bleiben wollen. Manche fürchten sich vor Weber, der nicht zögert, Arbeiten auf Plagiate zu prüfen. Ihm eilt ein Ruf voraus, viele Gerüchte sind im Umlauf. Weber wundert das nicht: "Wer jahrelang Plagiate untersucht, macht sich viele Feinde", sagt er. Auch eine aktuelle Regierungsvorlage in Österreich, wonach Plagiatsvorwürfe verjähren sollen, betrachtet er als Affront gegen sich – genährt durch eine Aussage der Grünen-Politikerin Eva Bimlinger, man wolle "selbst ernannte 'Plagiatsjäger' arbeitslos machen". Angelegt hat Weber sich schon mit vielen, auch Mächtigen, vor allem daheim in Österreich: den Bundesministern Johannes Hahn, Christine Aschbacher, Susanne Raab (alle ÖVP) und Alma Zadic (Grüne), aber auch Bahnvorstand Andreas Matthä oder mehreren Wissenschaftlerinnen auch in Deutschland.

    Plagiatsjäger Stefan Weber und sein Einsatz an und gegen Universitäten

    Weber macht keinen Hehl daraus: Er wollte Professor werden, wurde aber nie berufen. Stattdessen entdeckte er, dass seine eigene Doktorarbeit plagiiert wurde und startete eine neue Laufbahn. Unzählige Plagiatoren haben es in Führungspositionen geschafft, ist er überzeugt. Seine Arbeit mache ihm Spaß, sagt er, "insofern bin ich schon erfolgreich". Von seinem Ziel, die angebliche Abschreibewut an Universitäten zu bekämpfen, ist er indes so weit entfernt wie eh und je. Fälle, in denen von Weber Angeklagte ihre Titel verlieren, werden seltener. Weil die Universitäten gar kein Interesse daran hätten, begründet Weber das. Aber wenn man sich seine Arbeit so anschaut, wird man den Verdacht nicht los: Wenn er wirklich Strukturen ändern will, geht er ungelenk vor.

    Ständig macht Weber sich angreifbar, nennt sich selbst "cholerisch". In privaten Nachrichten bezeichnete er eine Journalistin, die ihn öffentlich "gruseliger Typ" genannt hatte, als "dumme Gans", und einen Reporter als "schmierigen Schmutzfink". Und immer wieder werfen ihm Kritiker vor, politisch voreingenommen konservativ zu sein. Dass er in Deutschland vor allem mit Vorwürfen gegen Grünen-Politikerin Baerbock und SZ-Journalistin Föderl-Schmid auffiel, passt ins Narrativ. Weber widerspricht vehement. Doch mit dem Rechtsaußen-Medium Nius zu kooperieren, entkräftete das eher nicht. Zugleich aber unterstützt er aktuell bei der Kommunalwahl in Salzburg die Kommunisten.

    Die Grünen-Politikerin und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wurde beschuldigt, plagiiert zu haben.
    Die Grünen-Politikerin und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wurde beschuldigt, plagiiert zu haben. Foto: Hannes P. Albert, dpa

    In Österreich nehme ihn inzwischen kaum noch jemand so richtig ernst, sagt Falter-Journalistin Barbara Tóth, die ebenfalls die Arbeit von Föderl-Schmid überprüft hat und sie von Plagiatsvorwürfen weitgehend freispricht. Aschbacher, Zadic, Hahn und Raab durften ihre akademischen Titel behalten – was Weber unter anderem mit "Hochschulkorruption" kommentierte. Am Donnerstag gab die Universität Salzburg bekannt, dass auch Föderl-Schmid nach Prüfung ihrer Doktorarbeit entlastet sei. Weber veröffentlichte kurz danach sein Gutachten: "Selbstverständlich wollte ich dieses Gutachten erst veröffentlichen, nachdem Frau Föderl-Schmid wieder gesund ist", schreibt er auf seinem Blog. "Der nunmehr zu erwartende Shitstorm zwingt mich heute zur Publikation." Sein Ergebnis übrigens: 157 Plagiatsstellen habe er gefunden.

    Plagiate aufzuspüren ist für Weber Leidenschaft und Beruf – so sehr, dass er eben auch in Sachbüchern und Artikeln nach Plagiaten sucht, obwohl dort andere Zitierregeln gelten als an der Uni. Einigen gilt Weber als "Kopfgeldjäger". Wenn er seine Ergebnisse veröffentlicht, setzt er auf den Knalleffekt, spricht von "Sch..ß-Arbeiten" und fordert Rücktritte. Das bringt viel Aufmerksamkeit, seinem Ansehen bringt es nichts.

    Der Plagiatsjäger Stefan Weber kämpft um seine Glaubwürdigkeit

    Genauso wie die Fehden, die Weber wiederholt austrägt. Hans Heinz Fabris, emeritierter Professor in Salzburg, nennt er seinen "Verhinderer". Fabris war zugleich Doktorvater von Föderl-Schmid, er ist nicht der einzige dieser "Verhinderer", denen Weber gar ein Buch widmete. Es scheint, als würde er ignorieren, dass er für seine Reformideen an den Unis Unterstützung braucht. Und das Geschmäckle, er sei mit seiner Plagiatsjagd auf Rache aus, wird er so nicht los. Weber entgegnet: "Rache ist mir fremd, das ist mir zu plump."

    Falter-Journalistin Tóth hat immerhin den Eindruck: "Ich glaube, er hat ein bisschen gelernt." Das ist ihre Schlussfolgerung aus Webers Plan, Vorwürfe bedächtiger zu veröffentlichen. Die Medienanwältin Maria Windhager und die stellvertretende Standard-Chefredakteurin Petra Stuiber kündigt er als nächste Fälle an. Er habe beide vor Veröffentlichung kontaktiert, reagiert hätten sie nicht, so wie er es eh erwartet habe. Nicht nur in Österreich wird man mit Spannung verfolgen, welche Sprengkraft Weber noch hat.

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