Rund 15 Milliarden Euro, Jahr für Jahr – so viel würde es nach Berechnungen der FDP im Bundestag kosten, den Vorschlag des Bundespräsidenten einer sozialen Pflichtzeit in die Tat umzusetzen. Mit dieser Summe wären nur die Löhne bezahlt – tatsächlich komme ein solches Projekt das Gemeinwesen noch teurer zu stehen, warnen die Liberalen. Und lehnen den Vorschlag von Frank-Walter Steinmeier auch deshalb entschieden ab.
Es wäre gut für Deutschland, sagte das Staatsoberhaupt der Bild am Sonntag, wenn sich die jungen Leute eine Zeit lang in den Dienst der Allgemeinheit stellen würden.
Steinmeier wärmt die Debatte um den Pflichtdienst wieder auf
Steinmeier hat damit eine Diskussion über eine soziale oder militärische Pflichtzeit für alle jungen Frauen und Männer angestoßen, wie lange diese dauern solle, ließ er offen. Debattiert wird der Vorschlag nun mit Leidenschaft, doch dem langjährigen SPD-Politiker – seine Parteimitgliedschaft lässt er als Präsident der Tradition gemäß ruhen – schlägt vor allem Kritik entgegen.
Im Lager der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP fallen die Reaktionen wenig begeistert aus, Zustimmung kommt hauptsächlich aus der oppositionellen CDU. Stritten Befürworter und Gegner eines Pflichtjahrs zunächst überwiegend über Fragen der Umsetzbarkeit, der Generationengerechtigkeit und des Sinns, der ja keineswegs neuen Idee, verweist die FDP nun auf die erheblichen Belastungen für die Staatskasse.
Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, sagte unserer Redaktion: "Ein verpflichtendes Dienstjahr ist in erster Linie ein enorm teures Unterfangen und löst in Wirklichkeit keine Probleme." Jurist Thomae ist überzeugt, dass aus rechtlicher Sicht bei einer Dienstpflicht der gesetzliche Mindestlohn bezahlt werden müsste, der ab Herbst zwölf Euro pro Stunde beträgt. Bei jährlich rund 700.000 Jugendlichen, die die Schwelle zur Volljährigkeit überschreiten, ergebe sich eine gewaltige Ausgabenlast.
"Legt man den Mindestlohn zugrunde, müsste der Staat mit ungefähr 15 Milliarden Euro pro Jahr rechnen", sagte Thomae. Diesen Kosten, die Thomae für eine angenommene Dauer des Dienstes von einem Jahr berechnet hat, stehe kein echter Nutzen entgegen. "Einer Professionalisierung und einer Lösung der Strukturprobleme in den Pflegeberufen kämen wir keinen Schritt näher", sagt er. Junge Menschen kämen zudem erst ein Jahr später in Ausbildung, Studium und Beruf und würden auch erst ein Jahr später in die Altersvorsorge einzahlen. Damit nicht genug: "Der jetzt schon unter Fachkräftemangel leidenden deutschen Wirtschaft würde dauerhaft jeweils ein kompletter Jahrgang entzogen", so Thomae.
Freiwilligendienste sind beliebt
Die Argumente des FDP-Politikers erinnern an die Diskussion um die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011. Damals war nicht nur der Dienst an der Waffe, sondern auch der Ersatzdienst in Krankenhäusern, Altenheimen oder im Naturschutz faktisch beendet worden.
Heute ist die Bundeswehr weitgehend eine Berufsarmee und verfügt über 183.427 Soldatinnen und Soldaten. Geblieben sind freiwillige Dienste. Zwischen sieben und 23 Monate können junge Menschen freiwillig in der Bundeswehr oder im Heimatschutz dienen, knapp 10.000 tun dies im Moment. Im zivilen Bereich gibt es rund zehnmal so viele Freiwillige, die etwa ein Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Ökologisches Jahr oder den Internationalen Jugendfreiwilligendienst absolvieren. Frauen und Männern stehen diese Programme unabhängig von Schulabschluss, Herkunft oder Finanzlage bis zum Alter von 27 Jahren offen. Menschen jeden Alters können im Rahmen des Bundesfreiwilligendiensts aktiv werden, jährlich engagieren sich rund 37.000 Personen, darunter viele Rentner.
Für FDP-Mann Thomae sind diese Zahlen Ausdruck eines großen Verantwortungsgefühls der Menschen in Deutschland. "Es wäre daher viel sinnvoller, bei den Freiwilligendiensten zu investieren und diese Programme noch attraktiver zu machen." Dies müsse nicht nur für jüngere Menschen gelten, sondern für Bürger jeden Alters. Der Kemptener ist überzeugt: "Auch der Seniorenfreiwilligendienst sollte bekannter und attraktiver gemacht und aufgewertet werden."