Dem Mann am Mikrofon fällt das Sprechen erkennbar schwer, seine Frau kämpft mit den Tränen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas einmal sagen würde“, sagt Nathan Clark: „Ich wünschte, unser Sohn Aiden wäre von einem 60 Jahre alten weißen Mann getötet worden“ Doch der Elfjährige starb bei einem Verkehrsunfall in Springfield im Bundesstaat Ohio, den ein Haitianer verursacht hatte. Nun missbrauche Donald Trump den Schicksalsschlag zu seinem Vorteil. „Das muss sofort aufhören!“, fordert Clark.
Die beklemmende Szene aus der öffentlichen Sitzung des Stadtrats von Springfield, die per Video festgehalten wurde, enthüllt den Hintergrund von Trumps Äußerung über angeblich von Migranten geschlachtete Haustiere während der TV-Debatte Anfang der Woche. „Wir sind eine gefallene Nation“, hatte der Republikaner da geklagt und dafür angeblich kriminelle Migranten verantwortlich gemacht: „In Springfield essen sie die Hunde. Eine Schande ist das!“ Die Geschichte stimme nicht, widersprach der Moderator sofort. „Nun, ich habe es im Fernsehen gesehen“, insistierte der republikanische Präsidentschaftskandidat.
Trump und Vance befeuern eine rassistische Verschwörungskampagne
Was für unbedarfte Zuschauer wie eine besondere Absurdität in Trumps üblichem Schwall von Ausfällen und Lügen klingen mag, ist in Wirklichkeit Teil einer von Rechtsextremen beförderten rassistischen Verschwörungskampagne. Treibende Kraft ist Trumps Stellvertreter-Kandidat J.D. Vance. Der postete am Montag bei „X“: „Berichte belegen, dass Leute, die nicht in diesem Land sein sollten, Einwohnern ihre Haustiere weggenommen und sie gegessen haben.“ Als die Stadtverwaltung von Springfield dieser Behauptung energisch widersprach, schickte Vance einen zweiten Tweet hinterher: „Es mag sein, dass diese Gerüchte falsch sind. Was stimmt ist, dass ein Kind von einem haitianischen Migranten umgebracht wurde.“
Als Nathan Clark das sah, war er geschockt. „Sie können ihren Hass auskotzen“, empört sich der Vater: „Aber sie dürfen niemals den Namen Aiden Clark dafür verwenden.“
Bürgermeister von Springfield über Trump-Lüge
Die zunächst von Rechtsradikalen um die Bloggerin Laura Loomer befeuerte und dann von Vance, Trump und auch „X“-Eigner Musk verbreitete Verschwörungserzählung über Migranten-Gewalt in Springfield speist sich, wie bei solchen Kampagnen üblich, aus Viertelwahrheiten, Geunke, verdrehten Fakten und rassistischen Vorurteilen. Was stimmt: Wegen des Chaos in ihrer Heimat sind in den vergangenen Jahren viele Haitianer in die USA übergesiedelt. Etwa 12.000 bis 15.000 von ihnen landeten in Springfield, einer zuletzt auf 58.000 Einwohner geschrumpften Stadt im Rostgürtel der USA. Die meisten leben und arbeiten dort mit einer temporären humanitären Aufenthaltserlaubnis.
Der Zuzug stellt den Ort vor Probleme, wie Bürgermeister Rob Rue seit längerem in Interviews erklärt. Es mangelt an Wohnraum, Schulen und Krankenhausbetten. Von diesen „echten Problemen“ aber lenke die derzeitige Kampagne komplett ab, beklagte sich das Stadtoberhaupt beim Sender PBS. In der Sitzung des Stadtrats betonte er: „Es gibt keine belegbaren Berichte darüber, dass die Migranten in illegale Aktivitäten verwickelt sind.“
US-Amerikanerin soll Katze gegessen haben
Tatsächlich wurde, wie amerikanische Medien herausgefunden haben, am 26. August in Canton eine Frau festgenommen, die vor Zeugen eine Katze getötet und verspeist hatte. Der Ort ist 280 Kilometer von Springfield entfernt. Die 27-jährige Allexis F. stammt auch nicht aus Haiti, sondern wurde in Ohio geboren und soll laut Polizei US-Amerikanerin sein. Seit vielen Jahren ist sie den Behörden wegen diverser Gesetzesverstöße bekannt. Sie soll psychische Probleme haben und plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit.
Mit illegaler Migration hat das nichts zu tun. Offenbar liefert diese nach Springfield verschobene und rassistisch aufgeladene Geschichte aber die „Basis“ für die im Netz rasant kursierende und von Trump quasi offiziell bestätigte Haitianer-essen-Hunde-Story. Und auf ähnlich zynische Weise wird nun der Tod von Aiden Clark verdreht und instrumentalisiert.
Der Elfjährige starb im August 2023, nachdem er bei einem Verkehrsunfall in Springfield aus dem Schulbus geschleudert worden war. Ein von einem Haitianer gefahrener Minivan war bei einem missglückten Wendemanöver in den Bus gekracht. Der 36-jährige Fahrer wurde wegen Totschlags verurteilt. Ihm drohen bis zu neun Jahre Gefängnishaft. Auch das hat, wie Nathans Vater betont, mit migrantischer Kriminalität nichts zu tun.
Derweil wird der Ort Springfield von Horden von YouTubern und Rechtsradikalen heimgesucht, die nach Belegen für die vermeintlichen Verbrechen der Haitianer suchen. Zweimal wurde Trump in der Debatte von Moderator David Muir korrigiert, dass seine Geschichte von der Stadtverwaltung des Ortes dementiert werde. „Wir werden es herausfinden“, sagte der Republikaner schließlich. Es klang wie eine Drohung.
Beängstigend, dass ein Lügner wie Trump von den Bürger*innen der USA erneut zum Präsidenten gewählt werden könnte. Das lässt ein fast an der Demokratie verzweifeln. Schon vor Jahrzehnten schrieb der weitblickende US-amerikanische Kulturwissenschaftler Neil Postman: Wir amüsieren uns zu Tode. Ein anderer orakelte angesichts des Verdrängens politischer Sachdiskussionen durch Entertainment: Der nächste Hitler wird euch gefallen. Möge der Trumpkelch an uns vorbeigehen.
Ich kann mich erinnern als in den70igern die Türken zu uns kamen.. oder als Chinesen kamen.. auch solche Aussagen im Umlauf waren.. Dass es so etwas gibt glaube ich, aber ich denke nicht dass bei uns oder in Amerika jemand Hunde, Katzen isst. Dass das jetzt ein Erwachsener von sich gibt... ist natürlich Dummheit pur.... !
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