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Deutschland steht auf: Was bringen die Demos gegen rechts?

Kommentar

Wer sich in der Mitte treffen will, muss aufeinander zugehen

Michael Stifter
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    In München, Hamburg, Köln und zahllosen anderen Städten demonstrierten Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus.
    In München, Hamburg, Köln und zahllosen anderen Städten demonstrierten Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Was für ein starkes Signal! Mehrere Hunderttausend Menschen gehen quer durch die Republik auf die Straßen, um gegen Hass, rechtsradikale Umsturz- und Vertreibungsfantasien zu demonstrieren. Unter ihnen Alte und Junge, Linke und Bürgerliche, Konservative und Liberale. Ein Riesenspektrum – nur eben keine Rechtsextremisten. Deutschland rückt in der Mitte zusammen. Doch damit daraus ein echter Aufbruch wird, werden in den kommenden Wochen noch viele über ihren Schatten springen müssen.

    Auch Markus Söder und Friedrich Merz solidarisieren sich

    Auf den Massendemos in zahllosen Städten kamen Menschen zusammen, die politisch oft wenig gemeinsam haben. Was sie eint, ist der Glaube an unsere Demokratie. Und gerade das ist die Stärke dieser neuen Bewegung. Wenn sich die Chefs von CDU und CSU genauso solidarisieren wie linke oder grüne Aktivisten. Wenn Politikerinnen und Politiker aller demokratischen Parteien mitmachen, dann ist das Konsens im besten Sinne. Der gemeinsame Nenner, das Bekenntnis zu Einigkeit und Recht und Freiheit. 

    Dass AfD-Leute und andere Stimmungsmacher nun versuchen, die Demonstrationen gezielt zu diskreditieren oder kleinzureden, spricht für sich. Umso wichtiger ist es, dass sich andere davon nicht anstecken lassen. Denn eines ist auch klar: Wer sich in der Mitte treffen will, muss anderen entgegenkommen.

    Wenn linke Veranstalter Union, FDP oder Freie Wähler in einen Topf mit der AfD werfen, ist das nicht nur blanker Unsinn, es schadet auch dem Ziel, die Demokratie in ihrer ganzen Vielfalt zu stärken. Rechts ist eben nicht rechtsextremistisch. Wer das leichtfertig vermischt, verspielt eine große Chance, die in diesem Aufstand der Anständigen liegt. Die Wucht und Glaubwürdigkeit von „Deutschland steht auf“ kommt ja gerade davon, dass auch Menschen, die sich rechts der Mitte verorten, klare Kante gegen rechtsradikales Gedankengut zeigen. Insofern sollten die Initiatoren der Demos schon den Slogan „Gemeinsam gegen rechts“ überdenken, um noch mehr Demokraten ins Boot zu holen. 

    Gemeinsam gegen rechts? Nicht mit Hubert Aiwanger

    Damit würde man auch Leuten wie Hubert Aiwanger die letzten dünnen Argumente aus der Hand nehmen. Ganz im Gegensatz zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder bringt es sein Vize nicht fertig, auch nur ein einziges positives Wort über das Bekenntnis Hunderttausender Bürger zur Demokratie loszuwerden. Aiwanger spricht lieber von „vielfacher linksextremistischer Unterwanderung“ und irritiert inzwischen sogar seine eigene Partei. Er stellt sich damit ohne Not in ein seltsames Licht. 

    Denn eines ist ja sehr klar geworden in Hamburg, in Berlin, in München: Es gibt eine überwältigende gesellschaftliche Mehrheit, die bereit ist, um gemeinsame Werte zu kämpfen. Das macht Hoffnung. Und doch wird ein gutes Gefühl allein das Blatt kaum wenden. Nicht nur Linke und Rechte, Konservative und Liberale sollten über ihren Schatten springen, sondern auch Bundesregierung und Opposition. 

    Nun müssen die Demonstranten spüren, dass sich etwas ändert

    Die Menschen müssen nun spüren, dass ihre Signale ankommen, dass ihr Protest etwas verändert. Dass die drei Regierungsparteien sich genauso zusammenraufen, wie es die Bevölkerung gerade tut – mit all ihren Unterschieden, mit all ihren Differenzen. Dass die Opposition das Land nicht aus Kalkül schlechter redet, als es ist. 

    Deutschland steht auf und sendet damit vor allem zwei Botschaften: Die große Mehrheit will nichts mit Rechtsextremisten zu tun haben. Aber sie will eben auch, dass dieses Land anders regiert wird als in den vergangenen Monaten.

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