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Deutsche Rüstungsexporte: Das Geschäft mit dem Tod brummt

Deutsche Rüstungsexporte

Das Geschäft mit dem Tod brummt

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    Umstrittener Exportartikel: ein Kampfpanzer Leopard 2 A7+ der Firma Krauss-Maffei Wegmann bei einer Militärübung der fiktiven Einheit „WFOR“.
    Umstrittener Exportartikel: ein Kampfpanzer Leopard 2 A7+ der Firma Krauss-Maffei Wegmann bei einer Militärübung der fiktiven Einheit „WFOR“. Foto: Clemens Niesner, dpa

    Sigmar Gabriel war erst ein paar Wochen im Amt, als er sich die Latte selbst etwas höher legte. „Ich stimme Helmut Schmidt zu“, betonte der neue Wirtschaftsminister. „Es ist eine Schande, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren gehört.“ Mit der SPD als neuer Regierungspartei werde sich das aber ändern, versprach er. „Ich bin für eine restriktive Haltung.“

    Tatsächlich haben sich die deutschen Rüstungsexporte unter dem Wirtschaftsminister Gabriel im vergangenen Jahr praktisch verdoppelt auf 7,86 Milliarden Euro. Er selbst erklärt das mit einer Reihe von Sonderfaktoren wie der Lieferung von vier Tankflugzeugen im Wert von 1,1 Milliarden Euro an das Nato-Land Großbritannien sowie mit Geschäften, die noch die alte, schwarz-gelbe Bundesregierung genehmigt hat – darunter unter anderem, Kampfpanzer und Haubitzen für 1,6 Milliarden Euro für das Emirat Katar, das zu den Unterstützern des Islamischen Staates gezählt wird.

    Agnieszka Brugger, die Verteidigungsexpertin der Grünen, hält die Argumente des Ministers allerdings für eine „billige Ausrede“. Die neuen Zahlen seien beschämend, kritisiert sie. „Gabriel wollte die Waffenexporte reduzieren und ist nun für das Gegenteil verantwortlich.“ Unter seiner Verantwortung seien die Waffenexporte „ins Gigantische gestiegen“, sekundiert Jan van Aken von der Linkspartei.

    Die knapp acht Milliarden Euro liegen noch um 300 Millionen Euro über einer ersten, bereits im Februar durchgesickerten Summe. Signifikant zurückgegangen ist danach lediglich die Ausfuhr von sogenannten Kleinwaffen, also Panzerfäusten oder Maschinengewehren, die mit 32 Millionen Euro den niedrigsten Stand seit 15 Jahren erreicht hat. „Diese Waffen sind besonders gefährlich“, betont Gabriel in der Süddeutschen Zeitung. „Denn sie sind die Waffen der Bürgerkriege.“ Im umkämpften Norden von Mali zum Beispiel standen den französischen Soldaten in den vergangenen Jahren häufiger islamistische Rebellen mit Waffen aus Deutschland gegenüber.

    Rüstungsexporte auf dem höchsten Wert seit Beginn des Jahrhunderts

    Nach den USA, Russland und China ist die Bundesrepublik der viertgrößte Waffenexporteur der Welt. Neben politisch unproblematischen Lieferungen wie den Tankflugzeugen für die Briten, dem Verkauf von Lenkflugkörpern an Südkorea oder der Ausrüstung für die Uno-Missionen im Nahen Osten segnet der Bundessicherheitsrat Jahr für Jahr auch hunderte von Verträgen mit weniger gut beleumundeten Ländern wie Algerien, Katar oder Saudi-Arabien ab. Insgesamt sind die Rüstungsexporte so auf den höchsten Wert seit Beginn des Jahrhunderts gestiegen. Etwa 60 Prozent der Ausfuhren gehen dabei an sogenannte Drittstaaten, also nicht an Partnerländer aus der Nato und der EU. Da diese ihre Militärausgaben zuletzt immer weiter zurückgeschraubt haben, sucht die Rüstungsindustrie fast zwangsläufig in anderen Ecken der Erde nach neuen Abnehmern – und findet sie vor allem in der Golfregion.

    Dem Vernehmen nach hat Gabriel im Sicherheitsrat noch versucht, den Panzerdeal mit Katar rückgängig zu machen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. In dem geheim tagenden Gremium sitzen neben der Kanzlerin als ständige Mitglieder auch die Minister für Verteidigung, Äußeres, Inneres, Justiz, Finanzen, Wirtschaft und wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie der Chef des Kanzleramtes. Die Protokolle ihrer Sitzungen lagern als geheime Verschlusssachen in der Registratur des Kanzleramts, informiert wird einmal im Jahr lediglich über Art und Umfang des genehmigten Exportguts, über die beteiligten deutschen Unternehmen, das Volumen des Geschäfts sowie das jeweilige Empfängerland. Welche Anträge oder Voranfragen abgelehnt werden, bekommt die Republik nicht mit: Konkurrierende Konzerne sollen nicht erfahren, wer gerade mit wem über welches Rüstungsgeschäft verhandelt.

    Im Exportbericht, den das Kabinett am Mittwoch beraten will, ist lediglich ganz allgemein von 100 abgelehnten Gesuchen die Rede – bei weit über 12000 Exportanfragen hatte der Sicherheitsrat dagegen keine Bedenken. Dabei handelt es sich allerdings keineswegs nur um Panzer, Gewehre oder Flugzeuge, auch der Verkauf von Fahrgestellen für Militärtransporter oder die Ausfuhr von Minensuchgeräten müssen vom Sicherheitsrat genehmigt werden. „Die Summe der Exporte“, hat Gabriel sich deshalb schon im Februar getröstet, „sagt nichts über deren Qualität aus.“

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