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Demos gegen Rechtsextremismus: Was bleibt von der Protestwelle?

Protestwelle

Demos gegen Rechtsextremismus: Was bleibt und wie geht es weiter?

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    Hunderte Demonstrationen gegen Rechtsextremismus fanden deutschlandweit im Frühjahr statt.
    Hunderte Demonstrationen gegen Rechtsextremismus fanden deutschlandweit im Frühjahr statt. Foto: Christoph Reichwein, dpa (Symbolbild)

    Hand in Hand umschließt eine Menschenkette das Augsburger Rathaus. Etwa 400 Menschen wollen so ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie setzen. Es ist ein Sonntagabend im April. Keine zwei Monate ist es her, da kamen am gleichen Ort 25.000 Demonstrantinnen und Demonstranten zusammen. Damals war der Aufmarsch in Augsburg eine von vielen Demos. Hunderttausende zog es in Hamburg und München auf die Straße, Tausende trugen den Protest in die Fläche, selbst in kleinere Kommunen in Ostdeutschland. Eine der größten Protestbewegungen in Deutschland seit Jahren entstand. Inzwischen nimmt der große Zustrom ab. Was also bleibt von den Demos – und wie kann es weitergehen? 

    "Es liegt in der Gesetzmäßigkeit solcher Proteste, dass die hohe Mobilisierung nach einer Weile wieder abflaut", sagt Rüdiger Schmitt-Beck, Professor für politische Soziologie an der Universität Mannheim. Mobilisierungen in dieser Größe seien immer an ein Ereignis gebunden. Auslöser für die Protestwelle waren die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen rechter Radikaler in Potsdam und deren Remigrationsfantasien. Unter den Teilnehmenden waren Mitglieder der AfD und der Werteunion sowie Identitäre. Die Recherche habe, so Schmitt-Beck, einen völkischen Nationalismus offenbart, der die deutsche Staatsbürgerschaft nicht akzeptiert, sondern eine ethnische Zugehörigkeit verfolgt. 

    Neues Bündnis im Südwesten: 113 Organisationen dabei

    Das Entsetzen war groß. In Baden-Württemberg nahm der Landesvorsitzende der SPD, Andreas Stoch, bereits Mitte Januar den Hörer in die Hand und rief Verantwortliche von Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und hin bis zu Sportverbänden und Chorverbänden im ganzen Südwesten an. "Wir müssen alle Demokratinnen und Demokraten zusammenholen", sagt er. Über die Demos hinaus will der SPD-Politiker aus dem Kreis Heidenheim ein Organisationsfundament schaffen. Das Ergebnis ist ein neues Bündnis für Demokratie und Menschenrechte. Mittlerweile haben sich 113 Organisationen angeschlossen. So ist neben dem Landesbauernverband auch Fridays for Future mit dabei.

    "Uns war es wichtig, dass die Verbände landesweit aktiv sind", erklärt Stoch. Lokal könne das Bündnis dann auch heruntergebrochen werden. Bisher sei es fast dem Zufall überlassen, wer in Gemeinden und Städten Demos organisiert. Durch das neue Bündnis seien zahlreiche Akteure vereint, die auf die Strukturen des Bündnisses zurückgreifen können. In einem neu entstandenen Steuerungskreis seien bewusst keine Parteien vertreten, die Zivilgesellschaft habe die Leitung in der Hand. Den Unterbau für die Organisation stelle der Deutsche Gewerkschaftsbund. "Das gemeinsame Ziel ist die Unterstützung und Sicherung der Demokratie", erklärt Stoch. Momentan sind ein Fest der Demokratie und eine Sozial-Media-Kampagne mit Prominenten in Planung.

    Proteste: Links und grün oder die gesellschaftliche Mitte?

    Die gesellschaftliche Breite des Bündnisses ist für den Mannheimer Soziologen ein wichtiges Signal, da es aussagt: "Wir sind die gesamte Gesellschaft." Dieses Narrativ versuche die AfD als populistische Partei seit Jahren für sich zu reservieren. Die Partei vermittle ihren Anhängern, die einzige Partei zu sein, die das Volk verstehe. Die Demonstrationen hätten gezeigt, dass es nicht so ist. Auch deshalb hält es der Soziologe für "absolut fatal", wenn auf den Demos Rufe laut werden, dass die CDU und CSU nicht willkommen seien. Tatsächlich war in Äußerungen immer wieder die Grenze zwischen rechts und rechtsextrem verschwommen.

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    Auf dem Rathausplatz bot sich ein eindrucksvolles Bild. Beim Lichtermeer zückten 7500 Augsburgerinnen und Augsburger Lichter gegen Rechtsextremismus. Die Fotos der Kundgebung.

    Gleichwohl gibt es Hinweise, dass bei den Demos selbst Anhänger linker Parteien stärker vertreten waren. Forscher der Universität Konstanz haben 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an drei Demos befragt. Zumindest dort galt: 61 Prozent der Befragten hatten bei der vorigen Bundestagswahl Bündnis 90/Die Grünen gewählt, 18 Prozent die SPD und acht Prozent die CDU. Eine Mehrheit (53 Prozent) ordnete sich selbst der mittleren Mittelschicht und ein Drittel der oberen Mittelschicht zu. Sechs von zehn Befragten besaßen einen Hochschulabschluss, 20 Prozent zumindest Abitur. Somit ergebe sich "eine demografische Schräglage zugunsten eines höher gebildeten Bevölkerungsabschnitts am oberen Ende der Mittelschicht", schließen die Autoren Marco Bitschnau und Sebastian Koos. Auffällig war auch: Zwei Drittel der Befragten hatten vorher noch nie an einer Kundgebung mit ähnlicher inhaltlicher Ausrichtung teilgenommen. Viele seien zwar schon länger besorgt gewesen über die Stärke der AfD – die Correctiv-Recherche über das Potsdamer Treffen habe dann das "Fass zum Überlaufen" gebracht, heißt es in der Studie.

    Zwei Motive mobilisierten laut Schmitt-Beck viele Menschen: Zum einen sei es um eine politische Haltung zur Zuwanderungspolitik gegangen – das Thema habe vor allem migrationsfreundliche Menschen aus dem linken Spektrum auf die Demos gezogen. Zum anderen sei es um die Frage gegangen, wie gefährlich die AfD für die Demokratie sei. Der Schutz der Demokratie sei deshalb auch der kleinste gemeinsame Nenner, der manche Bündnispartner zusammenhält.

    Lichterkette in München ist seit mehr als 30 Jahren aktiv

    Wie es nach einer Protestbewegung langfristig weitergehen kann, zeigt die Lichterkette in München. Vor fast 32 Jahren wurde sie gegründet, organisiert von einem Freundeskreis gegen die damals stärker werdende Ausländerfeindlichkeit. Die Gruppe besteht bis heute. "Wir haben uns damals ganz bewusst dafür entschieden, nur die Zivilgesellschaft und keine Kirchen, keine Gewerkschaft und keine Parteien zum Mitmachen einzuladen", berichtet Gründungsmitglied Peter Probst. Jeder sei willkommen gewesen, aber als Bürger. Den Schwung (und die Spenden) nutzten die Freunde, um einen Verein zu gründen. Der Gedanke war: "Wir müssen vom Zeichen zu den Taten kommen." 

    Seither entwickelte der Verein zahlreiche Projekte, die der Integration dienen. Wichtig ist es den Mitgliedern, die Initiative in die einzelnen Stadtteile, also zu den Menschen zu bringen. So sucht die Lichterkette etwa Mentorinnen und Mentoren für junge Geflüchtete oder geht an Mittelschulen und unterstützt Schülerinnen und Schüler, die Nachteilen ausgesetzt sind. "Wir wollen Menschen ermutigen, damit auch sie in ihrem privaten Umfeld Stellung beziehen können", erklärt Probst. 

    Weitere Demos vor Landtagswahlen in Ostdeutschland erwartet

    Selbst wenn sich Demonstrationen mit der Zeit erschöpfen, seien sie dennoch ein bedeutsamer Teil "eines Aktes der Selbstvergewisserung", so Probst. Menschen mit einem gefestigtem rechtsextremen Weltbild erreiche man damit zwar wahrscheinlich nicht. Aus den Protestbewegungen könnten jedoch Initiativen entstehen, die die Themen weitertragen, auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit wieder abnehme. 

    "Das Potenzial hat sich gezeigt, aber dadurch, dass es nicht auf die Straße geht, ist es nicht verschwunden", sagt auch Rüdiger Schmitt-Beck. Und: Das Ende der Demos gegen Rechtsextremismus müsse noch längst nicht gekommen sein. Mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg rechnet er damit, dass in diesem Jahr weiter protestiert wird. Die neuen Bündnisse und Initiativen hätten für dieses Thema eine erhöhte Sensibilität. Die Wachsamkeit sei durch die Protestwelle der vergangenen drei Monate gestiegen. 

    Und welche Folgen hatten die Proteste für die AfD? Seit Beginn der Demos gegen Rechtsextremismus sind die Zustimmungswerte für die AfD zumindest nicht mehr gestiegen. Nach bundesweiten Höchstwerten bis zu 23 Prozent sackte die Partei zwischenzeitlich bis auf 16 Prozent ab. Derzeit liegt sie bei 18 bis 20 Prozent. "Die Unterstützung der AfD ist mit geringem politischem Interesse verknüpft", sagt Rüdiger Schmitt-Beck mit Blick auf die Wahlforschung. Neue Aspekte könnten die Menschen zum Nachdenken bringen. Schwer sei es nur, die Menschen auch wirklich zu erreichen. (mit dpa)

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