Es war eine der größten Demonstrationen seit Jahrzehnten, als am Sonntag zwischen Odeonsplatz und Münchner Freiheit viele zehntausend Menschen in der Kälte standen, Plakate schwenkten und ihrem Unmut über die Politik der AfD Luft machten. Mobilisiert wurden sie von einem breiten Bündnis aus rund 230 Organisationen. Hauptinitiator war die Klimabewegung Fridays for Future, zusammen mit dem Verein "München ist bunt". "Es stand für uns schnell fest, dass wir was tun müssen", sagt Jana Häfner von Fridays for Future München. Die Klimaschützer hätten den Stein ins Rollen gebracht und ein erstes Treffen initiiert.
Genau das passt nicht allen. Etwa dem bayerischen Justizminister Georg Eisenreich (CSU), der im Vorfeld vor einer Instrumentalisierung der Proteste gegen jede Art konservativer Politik warnte und infrage stellte, ob Fridays for Future ein "legitimer Organisator einer solchen Demonstration gegen Extremismus" sein könne. Er begründete das damit, dass sich der deutsche Ableger der Klimabewegung nur "halbherzig" von Greta Thunbergs "unsäglichen" Äußerungen zu Israel distanziert hätte.
Aiwanger über Demos gegen rechts: "Vielfach von Linksextremisten unterwandert"
Dass sich die Demos nicht nur gegen Rechtsextreme, sondern gegen jede Art von konservativer Politik wenden würden, weist Micky Wenngatz, die Vorsitzende von "München ist bunt", vehement zurück. Es seien sicher vereinzelt Menschen dabei gewesen, die Rechte und Konservative in einen Topf werfen würden. "Aber das ist nicht die breite Mehrheit derer, die auf die Straße gehen. Und es trifft auch nicht auf das Organisationsteam zu. Die Demos wenden sich gegen Rassismus und die Demokratiefeindlichkeit der AfD."
Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW) hatte sich im Vorfeld ebenfalls kritisch geäußert, sprach auf der Plattform X davon, dass die Veranstaltungen "vielfach von Linksextremisten unterwandert" seien. In den sozialen Medien gab es ähnliche Kritik – vor allem, weil in München die Antifa beteiligt war. Von Störungen durch linksextreme Organisationen ist aber nichts bekannt, die Demo verlief laut Polizei "weitestgehend ohne Störungen". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bilanzierte im ZDF-"Morgenmagazin": "Die große Mehrheit, die jetzt dabei war, die ganz große Mehrheit, waren Bürgerliche, waren Vertreter der normalen Mitte der Gesellschaft."
Die Vielfalt der Engagierten zeigt sich auch an den Münchner Demo-Bündnispartnern. Der Bund Naturschutz und das Umweltinstitut München gehören ebenso dazu wie etwa Verdi, Kirchen, Kultureinrichtungen, Grüne Jugend, Jusos, der Bayerische Flüchtlingsrat und das jüdische Museum.
Demo gegen Demokratiefeinde am 3. Februar in Augsburg
Augsburg geht am 3. Februar erneut auf die Straße gegen Demokratiefeinde. Hinter der Kundgebung "für Vielfalt und Demokratie" steht das Bündnis für Menschenwürde. Seit mehr als 20 Jahren ist es aktiv, veranstaltete zuletzt etwa Kundgebungen gegen Antisemitismus oder für Frieden in der Ukraine. Das Bündnis ist parteiübergreifend, qua Amt ist etwa die Augsburger Oberbürgermeisterin Mitglied, dazu Stadtrats-, Landtags- und Bundestagsabgeordnete, Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgesellschaft. "Unser Bündnis war von Anfang an überparteilich aufgestellt", sagt Vorstandsmitglied Matthias Lorentzen (Grüne). Er erinnert sich an frühere Demos, bei denen Familien genauso teilnahmen wie die Nonnen eines katholischen Klosters.
Auch in Ulm hatte sich am Samstag ein spektakuläres Bild geboten: Beim Blick vom Ulmer Münster, dem höchsten Kirchturm der Welt, sah man auf dem Münsterplatz und in den Seitengassen kaum mehr Pflaster. Rund 10.000 Menschen waren gegen rechts zusammengekommen – aufgerufen vom Ring politischer Jugend, bei dem in Ulm die Junge Union, Jusos, Junge Liberale und Grüne Jugend parteiübergreifend kooperieren.
Mehr als eine Million Menschen bei den Demos am Wochenende
Insgesamt gingen in Deutschland am Wochenende nach Veranstalterangaben weit mehr als eine Million Menschen auf die Straße. Dass die konkrete Zahl nicht ganz einfach zu berechnen ist, zeigt das Beispiel München. Dort spricht die Polizei von 100.000 Protestierenden, die Organisatoren gehen von 250.000 aus. Wie kommt es zu diesen Schwankungen? Bei großen Veranstaltungen greife die Polizei auf die sogenannte "Cluster-Methode" zurück, erklärt ein Sprecher des Präsidiums Schwaben Nord in Augsburg. Man zähle die Teilnehmenden auf einer bestimmten Fläche – beispielsweise einem Quadratmeter. Diese Zahl werde dann mit der Gesamtfläche der Demonstration multipliziert. Weil die Schätzungen der Veranstalter in der Regel darüberliegen, bedient sich übrigens die Wissenschaft einer eigenen Methode. Protestforschende etwa arbeiten dann mit dem Mittelwert beider Schätzungen.