Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Debatte: Darum ist die Münchner Sicherheitskonferenz wichtig wie nie

Debatte

Darum ist die Münchner Sicherheitskonferenz wichtig wie nie

    • |
    Ein Konvoi gepanzerter russischer Fahrzeuge Mitte Januar auf einer Autobahn auf der Krim.
    Ein Konvoi gepanzerter russischer Fahrzeuge Mitte Januar auf einer Autobahn auf der Krim. Foto: AP/dpa

    Das weltweit bedeutendste Treffen von Sicherheitsexperten ist in diesem Jahr so wichtig wie nie zuvor. Im Angesicht eines drohenden russischen Einmarschs in der Ukraine treffen sich in München mehr als 30 Staats- und Regierungschefs, zahlreiche Minister und hunderte weitere hochrangige Gäste. Natürlich wird das Drama im Osten Europas ihre Gespräche dominieren. Umso bedauerlicher ist, dass Russland zum ersten Mal seit Jahrzehnten keine eigene Delegation in die bayerische Landeshauptstadt schickt.

    Hauptfrage der Münchner Sicherheitskonferenz laut Wolfgang Ischinger: "Was ist eigentlich notwendig, damit die russische Seite dieses Bedrohungsszenario entlang der ukrainischen Grenze endgültig aufgibt (...)?"
    Hauptfrage der Münchner Sicherheitskonferenz laut Wolfgang Ischinger: "Was ist eigentlich notwendig, damit die russische Seite dieses Bedrohungsszenario entlang der ukrainischen Grenze endgültig aufgibt (...)?" Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Den Gästen, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und UN-Generalsekretär António Guterres, steht eine Gratwanderung bevor: Sie müssen einerseits Signale der Offenheit an Moskau senden, andererseits aber auch Ent- und Geschlossenheit demonstrieren für den Fall, dass es doch zur Invasion der Ukraine kommt. Dialogbereitschaft auf der einen, Verteidigungsfähigkeit auf der anderen Seite - darum geht es bei der Konferenz im Luxushotel Bayerischer Hof schon von Anfang an. Als sie 1963 erstmals veranstaltet wurde, befand sich die Welt im Kalten Krieg, von dem die Menschen jederzeit befürchten mussten, dass er zu einem "heißen", mit verheerenden Kernwaffen ausgetragenen Dritten Weltkrieg wird. "Wehrkundetagung" - der damalige Name macht klar, worum es geht, in den Geschichtsbüchern und auch heute noch: Um Krieg und Frieden, um Bündnisse und Verträge, um Einflusszonen und Pufferstaaten, die Schlagkraft von Armeen und die Leistungsfähigkeit von Waffen. Aber auch um die andere Seite der harten Machtpolitik, um Abrüstung und Rüstungskontrolle.

    Die Sicherheitskonferenz ist ein Kind des Kalten Krieges

    Nach dem Ende des Kalten Krieges galt die Münchner Sicherheitskonferenz manchen Beobachtern zunehmend als Relikt einer überwunden geglaubten Vergangenheit. Viele Politiker und Experten waren sich sicher, dass die Welt nun automatisch eine friedlichere werden würde, Illusionen, die gerade in Deutschland bis heute nachwirken. Das "Ende der Geschichte" prophezeite der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in einem einflussreichen Buch. Demokratie und Freie Marktwirtschaft, so der Tenor, würden sich weltweit durchsetzen.

    Fast auf dem gesamten Globus durchgesetzt hat sich indes nur der Kapitalismus. Doch anders als Fukuyama annahm, kommt er nicht notwendigerweise in Begleitung der Demokratie. Autokratische Regime, die die Gier einer Elite mit der Unterdrückung der Bevölkerung verbinden, werden immer mächtiger. Und die vermeintlich einzige verbliebene Supermacht USA wird zunehmend herausgefordert. Nicht nur vom militärisch wieder erstarkten Russland. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 rückte plötzlich die islamistische Bedrohung in großen Teilen des asiatisch-afrikanischen Raums in den Blickpunkt. Und dann ist da China, das seine Weltmachtansprüche zunehmend ruppig vorträgt.

    Die USA haben, auch in München, immer wieder klargemacht, dass sie die größten Herausforderungen künftig im pazifischen Raum sehen. Dass dies für Europa bedeutet, dass es sich künftig stärker um seine Sicherheit kümmern muss und Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht des Kontinents dabei nicht länger der militärische Zwerg von heute bleiben darf, auch das ist bei den Sicherheitskonferenzen seit vielen Jahren zu hören. Allein, umgesetzt hat die Bundesregierung die Ratschläge bislang nicht. Die neue Ampel-Koalition sollte spätestens jetzt, im Angesicht der Ukraine-Krise, umsteuern.

    Große Herausforderung für den neuen Macher

    Dass sich der scheidende Konferenz-Macher, Top-Diplomat Wolfgang Ischinger, ausgerechnet jetzt mit Medienberichten konfrontiert sieht, er habe bei den Treffen durch die Anbahnung von Rüstungsgeschäften selbst mitverdient, ist misslich. Ischinger bestreitet die Vorwürfe, beharrt auf einem reinen Gewissen.

    Christoph Heusgen im UN-Hauptquartier in New York.
    Christoph Heusgen im UN-Hauptquartier in New York. Foto: Luiz Rampelotto, dpa (Archivbild)

    Sein Nachfolger Christoph Heusgen, der einstige Sicherheitsberater von Angela Merkel, übernimmt nun in einer Zeit, in der die Krise eingetreten ist, vor der auf vielen Konferenzen vergeblich gewarnt wurde. Russland in den Kreis der Teilnehmer zurückzuholen, wird seine erste große Herausforderung. Denn über Sicherheit reden, notfalls auch mit Akteuren, die die eigenen Grundwerte nicht teilen - das ist immer wichtig gewesen. Dass es manche zuletzt nicht ernsthaft genug getan haben, rächt sich jetzt. Die Geschichte ist nicht zu Ende. Vielmehr droht sie sich zu wiederholen - das zeigt sich gerade auf dramatische Weise an der ukrainisch-russischen Grenze.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden