Es ist eine Wahl, wie sie die Menschen in der USA noch nie erlebt haben. Ein potentiell lebensbedrohliches Virus verbreitet sich über das Land und infizierte sogar den Präsidenten, die Wirtschaft kämpft mit einer weltweiten Rezession und noch vor ein paar Monaten demonstrierten viele Menschen im Land gegen Rassismus und Polizeigewalt. Auf dem Wahlzettel stehen dabei zwei Kandidaten, die - abgesehen von Alter, Hautfarbe und Geschlecht - unterschiedlicher kaum sein könnten.
Es sind Umstände, die die Bürger an die Urnen treiben. Mit etwa 67 Prozent ist die Wahlbeteiligung deutlich höher als 2016 (59 Prozent) und 2012 (55 Prozent). Entschieden ist die Wahl noch nicht. Doch lässt sich schon sagen, welche Themen die Wählerinnen und Wähler umtreiben, welche Charakterzüge sie an ihren Kandidaten schätzen, welche Rolle der Wohnort und Alter spielen.
Die Daten stammen aus sogenannten "Exit Polls". Umfragen also, bei denen Menschen angesprochen wurden, die aus den Wahllokalen gekommen waren. Um auch die Briefwahl abzubilden, haben die Forscher zusätzlich Telefoninterviews geführt.
Joe Biden und Kamala Harris gewinnen bei den Jungen, Trump und Pence punkten bei der älteren Wählerschaft
Eines verbindet beide Kandidaten: Sie sind alt. Historisch alt sogar. Joe Biden feiert in zwei Wochen seinen 78. Geburtstag und wäre damit bei einer Vereidigung im Januar der älteste Präsident in der Geschichte des Landes. Trotzdem ist er beliebt bei den jungen Wählern. Zumindest relativ. Bei den 18- bis 29-Jährigen liegen die Demokraten klar vorn. Je älter die Wählerschaft, desto eher tendierten die Menschen dazu, dem Amtsinhaber Donald Trump ihre Stimme zu geben.
Diese Verteilung schlägt sich auch bei den Präferenzen der Erstwähler nieder. Die sind in der Regel jung. Dementsprechend haben sie mit deutlicher Mehrheit für die Demokraten gestimmt.
Auch beim Geschlecht der Kandidaten hatten die Wählerinnen und Wähler in diesem Jahr nur eine Wahl: männlich. Überhaupt geschah es erst ein einziges Mal, dass eine der beiden großen Parteien eine Frau zur Spitzenkandidatin krönte. Das war vor vier Jahren. Die Kandidatin war Hillary Clinton, der Wahlausgang ist bekannt. Damals stimmte das weibliche Geschlecht überwiegend für die Demokraten. Ein Trend, der sich 2020 wiederholt. Auch wenn dieses Mal zwei Männer auf den Wahlzetteln standen.
Städte wählten demokratisch, ländliche Gebiete republikanisch, die Vorstädte waren umkämpft
Bekannt ist auch: Donald Trump wurde vor allem in ländlichen Regionen gewählt. Das ist ein Trend, der sich nicht nur in den USA beobachten lässt. Die SPD - obwohl im Bund bei 15 Prozent - stellt mehr Oberbürgermeister in deutschen Großstädten als jede andere Partei. Konservative haben es in urbanen Gebieten traditionell schwer. Entsprechend verwundert es nicht, dass das auch bei der US-Wahl 2020 der Fall war. Die Land-Bevölkerung stimmte für Trump, die Städter für Biden. Umkämpft waren die Vororte. Die machen insgesamt etwa die Hälfte der Bevölkerung aus. In den Städten wohnen etwa 30 Prozent, die restlichen 20 Prozent leben auf dem Land.
Die Unterschiede zwischen Stadt und Land, Mann und Frau, Jung und Alt: Das waren Kategorien, die die Meinungsforschungsinstitute bei ihrer Vorhersage der Wahl 2016 miteinbezogen. Eine Variable, der sie vor vier Jahren wohl zu wenig Aufmerksamkeit schenkten, war die Bildung. Das trug entscheidend dazu bei, dass sie den Wahlsieg Trumps nicht kommen sahen. "Es scheint, als sei das Bildungsniveau der entscheidende Faktor beim Wähler-Wechsel von 2012 zu 2016 gewesen", schreibt der amerikanische Journalist und Statistiker Nate Silver. Menschen mit Hochschulabschluss wählten die Demokraten. Trump erhielt seine Stimmen überwiegend von Menschen ohne College Degree. Diese Aufteilung wiederholte sich 2020.
Joe Biden betonte im Wahlkampf häufig, für ihn gebe es keine republikanischen oder demokratischen Staaten, sondern nur die Vereinigten Staaten. Er positionierte sich als Kandidat, der die Spaltung der Gesellschaft überwinden wolle.
Trump dagegen gab vor allem den starken Anführer. Womit der Präsident durchaus ein Gespür für die amerikanischen Wähler bewiesen hat. Denn das ist eine Eigenschaft, die sich amerikanische Wähler am häufigsten von ihrem Präsidenten erwarten. Die Fähigkeit, das Land zu vereinen, steht nur an vierter Stelle.
Die Menschen, die sich einen starken Anführer wünschen, haben wohl auch überwiegend für Trump gestimmt. Joe Biden hat dafür in den drei anderen Kategorien die Nase vorn.
Vor allem am Anfang des Wahlkampfs war das Bild von Joe Biden vor allem das eines Kompromiss-Kandidaten. Das sprichwörtliche "kleinere Übel". Jemand, den man in erster Linie deshalb wählt, um Trump zu verhindern. Doch die "Exit Polls" zeigen: Menschen, die wählen gingen, um ihren Wunschkandidaten ins Amt zu hieven, wählten immerhin zu 47 Prozent demokratisch.
Klimawandel, Rassismus, Wirtschaft: Diese Themen waren den Wählern wichtig
Es ist ein Satz, der seit den Neunzigerjahren in jedem Wahljahr gefühlt hundertfach zitiert wird: "It's the economy, stupid". Geprägt hat ihn ein Wahlkampfstratege Bill Clintons. Der Grund, warum diese viereinhalb Worte so häufig in den Kommentarspalten auftauchen, ist simpel: Sie stimmen. Auch in diesem Jahr ist die Wirtschaft für Wähler laut der "Exit Polls" das wichtigste Thema. Trotz Pandemie.
Aber: Was den Umgang mit dem Coronavirus angeht, sagen 51 Prozent der Wähler, es sei in erster Linie wichtig, das Virus einzudämmen. Nur 42 Prozent gaben bei den Exit Polls an, Top-Priorität sollte es sein, die Wirtschaft wieder aufzubauen. Hier scheint Joe Biden sich besser positioniert zu haben, wie die folgende Grafik zeigt.
Gleiches gilt für das Tragen von Masken. Hier sagen 67 Prozent der Amerikaner, es sei eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Nur 30 Prozent halten es für eine persönliche Entscheidung. Dieser kleinere Teil der Gesellschaft stimmte mehrheitlich für Trump.
Das Jahr 2020 war in den USA auch ein Jahr sozialer Unruhen und Demonstrationen. Die "Black Lives Matter"-Bewegung erhielt viel Zulauf, nachdem der Afroamerikaner Georg Floyd gewaltsam durch einen Polizisten zu Tode kam. Die Menschen, die Rassismus für ein drängendes Problem in der amerikanischen Gesellschaft halten, wählten mehrheitlich Biden.
Ein ganz ähnliches Bild zeigt sich beim Klimawandel. Wer sich darum sorgt, wählte laut Nachwahlbefragungen die Demokraten.
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