Nach Thüringen jetzt auch in Brandenburg: Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen Teil einer zweiten Landesregierung. Und das ein gutes Jahr nach Gründung der Partei. Einen schnelleren Zug zur Macht hat es mit Ausnahme der Schill-Partei in Hamburg noch nicht gegeben. Parteichefin Sahra Wagenknecht zeigte sich am Mittwoch zufrieden. „Wir konnten in Potsdam erfolgreich verhandeln, weil die SPD bereit war, die Ergebnisse der Landtagswahl ernst zu nehmen und sich auf einen gemeinsamen Neubeginn einzulassen“, erklärte die 55-Jährige.
Knackpunkt der Gespräche war wie zuvor in Thüringen die Außenpolitik, über die auf Ebene der Bundesländer eigentlich nicht entschieden wird. Wagenknecht beharrte dennoch auf ihrer Forderung, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen und die geplante Stationierung von US-Raketen in Deutschland abzusagen.
Weniger Waffen, mehr Diplomatie im Ukraine-Krieg
In der Präambel des Koalitionsvertrages zwischen ihrer Partei und der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke steht nun der Arbeitsauftrag, sich für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Kriegs einzusetzen und die Wirtschaftssanktionen gegen Russland kritisch in den Blick nehmen zu wollen. Gleiches gilt für die Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden. Das BSW habe an dieser Stelle Wichtiges erreicht, meinte Wagenknecht.
Die anderen landespolitischen Ziele der neuen Partei sind wenig kontrovers und konnten mit den Sozialdemokraten geeint werden. Mehr Polizisten sollen für Sicherheit sorgen, in den Grundschulen soll ein Schwerpunkt auf die Kernkompetenzen Lesen-Schreiben und Rechnen gelegt werden, die der Verabredung zufolge künftig wieder klassisch und ohne Zuhilfenahme von Tablets gelehrt werden.
Das BSW setzte durch, dass alle Kliniken trotz Personalmangels und rapide steigender Ausgaben erhalten werden sollen. Um die Einigung mit dem BSW nicht zu gefährden, hatte Woidke sogar seine noch amtierende Gesundheitsministerin während einer Bundesratssitzung gefeuert, weil sie der Krankenhausreform zustimmen wollte. Das Gesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll die Zahl der Kliniken senken.
Co-Landeschef Schütz: „Das Ergebnis kann sich sehen lassen
In Thüringen liefen die Gespräche zur Bildung eines Regierungsbündnisses aus BSW, CDU und SPD ruckeliger als in Brandenburg. Wagenknecht war der gefundene Passus zur Ukraine-Politik zu weich, sie intervenierte von außen in die Gespräche hinein. Für einen Moment stand im Raum, dass sich der Thüringer Landesverband des BSW abspaltet. Die Koalitionspartner eine „das Ziel, eine diplomatische Lösung des Krieges“ voranzutreiben, lautet die Kompromissformel. Die Parteichefin stellte sich schließlich hinter den in Erfurt gefunden Kompromiss. Die landespolitischen Themen waren die gleichen wie in Brandenburg und keine unüberwindbaren Hürden für eine Zusammenarbeit. „Das, was wir für Thüringen erreicht haben, kann sich sehen lassen“, sagte Co-Landeschef Steffen Schütz unserer Redaktion. Er hob die Verbesserungen für Grundschüler und den Erhalt aller Kliniken hervor, die das BSW in den Verhandlungen mit CDU und SPD erreicht habe. „Wir werden außerdem einen Zukunftsfonds auflegen, der die Modernisierung Thüringens unterstützt“, ergänzte Schütz.
Anders als in Thüringen und Brandenburg hatte sich das BSW in Sachsen von den Koalitionsverhandlungen zurückgezogen, weil unter anderem keine Verständigung über eine „Friedensformel“ erreicht werden konnte.
Die Regierungsbeteiligungen in den beiden ostdeutschen Bundesländern sind eine Zwischenstation in Wagenknechts Plan. Sie will mit ihrem Bündnis in den Bundestag einziehen. Die vorgezogene Neuwahl setzt die Neulinge unter Zeitdruck, sich in allen Bundesländern aufzustellen. Der reguläre Wahltermin im September hätte ihnen mehr Zeit dafür gelassen. Die Ukraine-Politik bleibt für Wagenknecht ein zentrales Wahlkampfthema. Zuletzt war das BSW in einer Umfrage unter die kritische Marke von fünf Prozent gerutscht, andere Befragungen sehen sie knapp darüber. Die Vorsitzende macht den Streit um die Regierungsbeteiligung in Thüringen für die Delle verantwortlich. Wenn diese Lesart stimmt, dann müsste der Koalitionsvertrag in Brandenburg dem BSW nützen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden