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CSU: Manfred Weber: Ein Mann sucht seine Zukunft

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Manfred Weber: Ein Mann sucht seine Zukunft

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    Brüssel, Berlin oder München? Manfred Weber wird sich entscheiden müssen.
    Brüssel, Berlin oder München? Manfred Weber wird sich entscheiden müssen. Foto: Martin Bertrand, Image Images

    Manchmal reichen in der CSU ein paar Sätze, um in null Komma nichts nervöse Spekulationen auszulösen. Zwar hatte Manfred Weber, 48, in dieser denkwürdigen Vorstandssitzung im Juni nur ausgesprochen, was nicht wenige in der Partei denken: dass die

    Prompt geht es dann nicht mehr nur darum, was er gesagt hat, sondern darum, dass er etwas gesagt hat, das als Gegenentwurf zur Position des Parteivorsitzenden verstanden werden kann. Und schon geht’s los: Bringt sich da einer schon mal vorsorglich gegen Markus Söder in Stellung? Versucht da einer, ein „konkurrierendes Machtzentrum“ zu etablieren, um im zweiten Anlauf doch irgendwann noch Parteivorsitzender zu werden? Schließlich habe er, als es 2017 um die Nachfolge von Horst Seehofer als CSU-Chef ging, den Finger schon mal gehoben.

    Diejenigen, die solche Fragen stellen, meinen es nicht gut mit dem weltgewandten Niederbayern. Sie kennen die Mechanismen in der Partei. Sie wissen, dass noch jeder CSU-Vorsitzende versucht hat, „konkurrierende Machtzentren“ in der Partei schon im Keim zu ersticken. Söder ist im Moment so mächtig, dass jeder, der auch nur den Anschein erweckt, seine Autorität infrage zu stellen, mit dem Bannstrahl des Vorsitzenden rechnen muss.

    Die Wahlergebnisse der CSU waren zuletzt nicht berauschend

    Aber es gibt eben auch andere. Sie sagen, dass in der Politik nichts von Dauer ist. Sie weisen darauf hin, dass die Wahlergebnisse der CSU zuletzt nicht gerade berauschend waren. Und sie stellen die Frage: Wen haben wir eigentlich noch, wenn mit der Bundestagswahl im Herbst oder der Landtagswahl zwei Jahre später der Abwärtstrend nicht gestoppt werden kann?

    Weber sagt, dass er derlei spekulative Debatten nicht mag. Er kontert sie im Gespräch mit unserer Redaktion mit einem klaren Bekenntnis zum Parteivorsitzenden. „Markus Söder ist ganz klar der Chef“, sagt Weber, „er vertritt heute die CSU, die ich mir schon vor Jahren gewünscht habe – mit einem wieder eindeutig pro-europäischen Kurs und einer scharfen Abgrenzung zur rechtspopulistischen AfD.“

    Markus Söder ist der starke Mann in der CSU. Das weiß auch Manfred Weber. Doch was passiert, wenn der Ministerpräsident bei den Wahlen schwache Ergebnisse einfahren sollte?
    Markus Söder ist der starke Mann in der CSU. Das weiß auch Manfred Weber. Doch was passiert, wenn der Ministerpräsident bei den Wahlen schwache Ergebnisse einfahren sollte? Foto: Sven Hoppe, dpa

    Dass dennoch über ihn und seine möglichen Absichten spekuliert wird, hängt allerdings auch mit Webers ungeklärter Zukunft in Brüssel zusammen. Er hat sich noch nicht festgelegt. Es ist zu früh, als dass der Chef der mächtigen christdemokratischen Fraktion offen seinen Anspruch auf ein anderes mächtiges Amt erheben könnte. Der CSU-Politiker steht auf dem Sprung, Anfang 2022 der nächste Präsident des EU-Abgeordnetenhauses zu werden. „Nicht vor September“ werde er sich entscheiden, sagt er. Und er setzt zwei Sätze hinzu, bei denen man nicht zwischen den Zeilen lesen muss: „Es gibt in der Fraktion eine hohe Erwartungshaltung.“ Und: „Wenn ich mich zur Wahl stelle, dann möchte ich natürlich auch gewählt werden. Ob ich kandidiere, ist aber völlig offen."

    Man darf das als zurückhaltende Kampfansage verstehen, die vor allem deshalb so bedeutsam ist, weil es um mehr als nur eine Brüsseler Personalie geht. Niemand will ausschließen, dass Webers Ambitionen auch in die bayerische und deutsche Politik reichen. Vor zwei Jahren war der Deutsche in der EU in aller Munde. Als Spitzenkandidat hatte er die Christdemokraten bei den Europawahlen zur stärksten Kraft gemacht. Sein Anspruch auf das Amt des Kommissionspräsidenten stand im Raum. Doch er scheiterte – vor allem am französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem ungarischen Premier Viktor Orbán. Weber, dem Bundeskanzlerin Angela Merkel in Vorahnung des Widerstandes das Amt eines deutschen Kommissars angeboten hatte, verlor. Es hat ihn getroffen, aus seiner Enttäuschung hat er nie einen Hehl gemacht: „Die Chance auf ein solches Amt bekommt man nur einmal im Leben“, sagt er jetzt.

    Der französische Präsident Emmanuel Macron gilt als der Mann, der entscheidend dazu beigetragen hat, dass Weber nicht Kommissionspräsident geworden ist.
    Der französische Präsident Emmanuel Macron gilt als der Mann, der entscheidend dazu beigetragen hat, dass Weber nicht Kommissionspräsident geworden ist. Foto: Francois Mori, AP, dpa

    An einen zweiten Anlauf für den Präsidentenstuhl der wichtigsten EU-Behörde glaubte er selbst nicht. Also stand er wieder auf, bewarb sich erneut um den Vorsitz der EVP-Fraktion. Als der italienische Sozialist David Sassoli zum Chef des Europäischen Parlamentes gewählt wurde, war klar, dass zur Hälfte der Amtszeit der Job an die Christdemokraten gehen würde. Weber galt seither als erste Wahl. Das ist immer noch so, obwohl Amtsinhaber Sassoli seit Monaten hinter den Kulissen für eine zweite Amtszeit wirbt, weil – so seine Argumentation – er aufgrund der Pandemie kaum etwas habe gestalten können. Doch er stößt auf Kopfschütteln, vor allem nachdem er zu Anfang der Coronavirus-Beschränkungen zwar das EU-Parlament nach Brüssel einlud, sich dann aber selbst aufgrund der italienischen Auflagen für zwei Wochen in Quarantäne verabschiedete. Sassoli hat wenig Unterstützung, er sei „ein schwacher Präsident“, heißt es. Also doch Weber?

    Es gibt Gründe, die gegen einen Deutschen als Parlamentspräsidenten sprechen

    Der CSU-Politiker weiß, dass es ein Argument gibt, das seine Fraktion und er ausräumen müssen. Von insgesamt drei Präsidenten der EU-Institutionen (Rat, Kommission, Parlament) kämen nach einer erfolgreichen Wahl zwei aus Deutschland. Die Sozialdemokraten stünden nach einem Amtswechsel ohne Spitzenposition da. Es gibt Spekulationen zuungunsten Webers, in denen ein Liberaler für das Amt als besser passend beschrieben wird – vor allem weil Frankreichs Staatspräsident Macron mit seiner Regierungspartei La Republique en Marche (LREM) Mitglied der liberalen Europafraktion ist. Verhindert der Franzose Weber ein zweites Mal?

    Der Job als Parlamentspräsident gilt nicht nur wegen seiner herausgehobenen Stellung als Funktion mit Gewicht. Bei EU-Gipfeln tritt er vor den Staats- und Regierungschefs auf und setzt mit seiner Rede Akzente aus Sicht des Abgeordnetenhauses. Internationale Top-Politiker gehören zum Tagesprogramm. Längst ist das Amt über das rein Repräsentative herausgewachsen und gibt Macht und Einfluss, vor allem, wenn man seine Stimme erhebt.

    Manfred Weber will seine Position als Parlamentspräsident nicht abwerten

    Weber weiß das, wehrt sich aber dagegen, seine jetzige Position als Fraktionschef abzuwerten. „Die Fraktionen geben wesentlich den Kurs des Parlaments vor.“ Der CSU-Mann strahlt viel Engagement aus, wenn es um Europa geht. Er sagt von sich, er sei „ein europäischer Politiker mit starker Verwurzelung in Bayern und Deutschland, seitdem ich in die Politik gegangen bin und mich gegen eine Karriere in der Landespolitik entschieden habe“. Aber Brüssel und Straßburg sind eben nicht alles. Was also ist mit München oder Berlin?

    Nach Webers Darstellung ist das für ihn keine Option. „Völlig ausgeschlossen“, heißt es dazu auch aus dem CSU-Vorstand. Seine Gegner erinnern daran, dass Weber das Amt eines EU-Kommissars ausgeschlagen hat: „Da geht danach nix mehr, nicht in der CSU. Da hält sich quer durch die Partei das Mitleid in Grenzen.“

    Weber hat in der Partei noch viele Freunde

    Doch Weber hat auch noch viele Freunde, wie ein Weggefährte aus seiner Heimat sagt: „Der Manfred hat ein Riesen-Standing – hier in Niederbayern sowieso, aber auch im übrigen Bayern und ganz besonders an der Parteibasis.“

    So gegensätzlich wie zur Person sind die Aussagen auch, wenn es um Webers Stammwähler-These geht. Einige sagen, er habe mit seinem Vorstoß eine schädliche „Entweder-oder-Debatte“ vom Zaun gebrochen. Dabei sei doch klar, dass sich die CSU sowohl um die Stammwähler kümmern müsse als auch um jene, die ihr Kreuz möglicherweise auch bei der FDP, den Grünen oder den Freien Wählern machen könnten. Andere betonen, dass seine Wortmeldung im Vorstand „zu einseitig“ dargestellt worden sei. Weber selbst legt Wert auf seine Unabhängigkeit: „Ich kann meine eigene Meinung äußern.“

    Und je höher in der Parteihierarchie die Gesprächspartner stehen, desto mehr ist der Wunsch erkennbar, Weber und Söder nicht als Gegenpole erscheinen zu lassen. Aus seiner Wortmeldung sei jedenfalls, wie es heißt, „keine Bewerbung für ein Amt in München oder Berlin herauszulesen.“ Zumindest nicht im Moment. Und mittelfristig? „Na ja“, sagt einer, „vielleicht tief in seinem Hinterkopf.“

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