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CSU-Landesgruppenchef Dobrindt im Interview: „Diese Koalition hat schlichtweg fertig“

Interview

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt: "Diese Koalition hat schlichtweg fertig"

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    Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef.
    Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Herr Dobrindt, der Kanzler hat Friedrich Merz in der Generaldebatte im Bundestag Hasenfüßigkeit vorgeworfen, weil er aus Sicht von Olaf Scholz nicht auf den Deutschlandpakt eingeht. Der Vorwurf könnte auch Sie treffen, schließlich waren Sie bei mindestens einem Vorbereitungstreffen im Kanzleramt dabei. Sind Friedrich Merz und Sie Hasenfüße?
    ALEXANDER DOBRINDT: Das war eine muntere Debatte. Und man muss ja froh sein, wenn Olaf Scholz mal etwas aus sich herausgeht. Trotzdem ist der eine oder andere Zuschauer vielleicht etwas verwundert, wenn Olaf Scholz die Generaldebatte mit dem Appell beginnt, dass die Demokraten zusammenhalten müssen, um dann wütende Oppositionsbeschimpfung zu betreiben. Er versucht wohl, einen vorgezogenen Wahlkampf zu starten. Ganz offensichtlich will er die schwachen Umfragewerte der SPD durch eine persönliche Auseinandersetzung mit Friedrich Merz kompensieren.

    Man könnte den Eindruck haben, dass der Deutschlandpakt zur Lösung der großen Probleme, wie Migration und Über-Bürokratie, von beiden Seiten lediglich taktisch begriffen wurde und es kein ernsthaftes Interesse an der Zusammenarbeit über die politischen Lager hinweg gab …
    DOBRINDT: Wir haben dem Kanzler zum Stopp der illegalen Migration 21 Handlungspunkte übermittelt. Bis heute ist die Ampel nicht bereit, wesentliche Punkte mit uns gemeinsam umzusetzen. Olaf Scholz hat nicht mehr die Kraft, die Ampel auf eine gemeinsame Linie mit der Union zum Stopp der illegalen Migration zu bringen. Er hat bei diesem Thema schlichtweg die Führung verloren.

    Weil Habeck und Lindner da nicht mitmachen würden?
    DOBRINDT: In der Koalition regiert das gegenseitige Misstrauen. Jede der drei Parteien versucht, sich zulasten der beiden anderen einen Vorteil zu verschaffen. So hat erst diese Woche der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich im Bundestag auf offener Bühne die Erhöhung des Kinderfreibetrages infrage gestellt, obwohl sie zwischen den Ampelparteien vereinbart ist. Das ist eine reine Provokation gegenüber der FDP. Diese Koalition hat schlichtweg fertig. 

    Die Ampelkoalition hat sich im November zusammen mit den Ministerpräsidenten auf die Verschärfung der Asylpolitik geeinigt. Es soll unter anderem mehr Abschiebungen geben, ab dem Sommer sollen Asylverfahren an den EU-Außengrenzen erfolgen. Erwarten Sie, dass die Beschlüsse Wirkung entfalten und die Zahl der Migranten sinkt?
    DOBRINDT: Alle Fachleute prognostizieren, dass im Laufe des Frühjahrs wieder deutlich mehr Flüchtlinge nach Europa und Deutschland kommen werden – auch, weil die Ampel neue Pull-Effekte schafft. Die neue Express-Einbürgerung der Ampel, die einen deutschen Pass bereits nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht, wird eine erhebliche zusätzliche Auswirkung auf die Migrationsbewegung haben. Denn das bedeutet: Wer einmal in Deutschland ist, kann nicht nur hierbleiben, sondern auch sehr schnell Deutscher werden und dabei seine alte Staatsbürgerschaft behalten. Das ist ein dramatischer Fehler der Ampel, dessen Wirkung übrigens weit über die Schaffung eines neuen Pull-Faktors hinausgeht. Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt eine neue Partei in Gründung ist, die sich an muslimische Migranten richtet und ausschließlich dazu dienen soll, als Erdogans politischer Arm in Deutschland zu wirken.

    Sie meinen die Vereinigung Dava. Wie sollte man ihr begegnen?
    DOBRINDT: Es wäre die Aufgabe von Bundesinnenministerin Faeser, dafür zu sorgen, dass bei Parteien, die eindeutig der Einflussnahme ausländischer Interessen in Deutschland dienen, die Gründung unterbunden oder die Teilnahme an Wahlen untersagt wird.

    Was könnte Deutschland mehr tun, wäre das Kanzleramt in den Händen von CDU oder CSU?
    DOBRINDT: Notwendig wäre die klare Entscheidung: Schutz durch Europa bedeutet nicht automatisch Schutz innerhalb der Grenzen der EU. Wir brauchen Schutzzonen außerhalb der EU, in denen wir eine Versorgung und Unterbringung der Menschen in Sicherheit garantieren. Andere europäische Länder bereiten das vor, Dänemark, Italien und England zum Beispiel. Es geht darum, ein sogenanntes Drittstaatenmodell, zum Beispiel mit Ruanda, auch für Deutschland zu finden. Nur so kann die Logik und damit das Geschäftsmodell der Schleuser zerstört werden, das eine Einreise in die deutschen Sozialsysteme verspricht.

    Von Schutzzonen außerhalb Europas hat bereits der damalige CSU-Innenminister Horst Seehofer gesprochen, verwirklicht wurden sie aber nie. Und in Großbritannien hat das oberste Gericht gegen den Ruanda-Plan geurteilt. Die Diskussion darüber bleibt doch theoretisch …
    DOBRINDT: Natürlich müssen Hürden überwunden werden, auch in England hat das oberste Gericht Hinweise dazu gegeben. Jetzt ist das Momentum für eine solche Regelung innerhalb der EU gekommen, es muss genutzt werden. Über lange Zeit hat sich die EU gegen schärfere Asylmaßnahmen gewehrt. Heute gibt es eine Bereitschaft in allen größeren europäischen Ländern, die notwendigen Strukturen dafür anzulegen. Es wäre jetzt die Aufgabe Europas, aber auch der Bundesregierung, in Verhandlungen mit möglichen Drittstaaten zu treten.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck hat Sie aufgefordert, mit ihm über ein weiteres Sondervermögen zu sprechen. Aus dem Geldtopf will er Steuernachlässe für Unternehmen finanzieren, die in die grüne Zukunft investieren, ähnlich wie es die USA in großem Stil tun. Wären Sie dazu bereit?
    DOBRINDT: Dieses Verhalten zeigt einmal mehr: Die Schuldenbremse des Grundgesetzes ist der notwendige Rettungsanker gegen links-grüne Haushaltsplünderungen. Robert Habeck hat monatelang versucht, eine Mehrheit zur Abschaffung der Schuldenbremse zu mobilisieren. Weil das nicht gelungen ist, versucht er jetzt, seine gescheiterte Wirtschaftspolitik mit neuen Schulden zu kitten. Dafür gibt es von uns keine ausgestreckte Hand. Deutschland braucht keine neuen Sonderschulden zur Verlängerung des Ampel-Elends.

    Deutschland ist unter den Industrienationen Schlusslicht beim Wachstum. Was wäre das richtige Programm, um die Wirtschaft zu ertüchtigen und dafür nicht in die Subventionskasse zu greifen?
    DOBRINDT: Erstens: faire Energiepreise herstellen. Zweitens: Priorisierungen im Haushalt vornehmen, und zwar mit der Abschaffung des Heizungsverbotsgesetzes und einer Rückabwicklung des Bürgergeldes. Das würde Milliarden sparen. Und drittens: Entlastungen für den Mittelstand umsetzen, um Investitionen zu ermöglichen. Alles drei wird von Robert Habeck sträflich vernachlässigt.

    Für die Erhöhung des Bürgergeldes haben CDU und CSU gestimmt. Und gegen deren Rücknahme spricht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum. Wie wollen Sie das rechtssicher umsetzen?
    DOBRINDT: Die Erhöhung in diesem Jahr um zwölf Prozent ist deutlich überzogen. Das Bürgergeld verhindert inzwischen die Arbeitsaufnahme und zementiert den Sozialhilfebezug. Nach einer neuen Studie des Ifo-Instituts werden die Anreize völlig falsch gesetzt. Sich eine Arbeit zu suchen, rentiert sich für Bürgergeldempfänger nicht. Dauerhafte Arbeitslosigkeit ist nicht nur persönlich das falsche Schicksal, sondern auch volkswirtschaftlich verheerend. Eine Million Bürgergeldempfänger weniger würde dem Staatshaushalt 30 Milliarden Euro mehr bringen. Das sind die Hebel, an denen man ansetzen muss.

    Apropos Sondervermögen. Jenes für die Bundeswehr wird 2027 aufgebraucht sein, und dann ergibt sich im Jahr 2028 ein Fehlbetrag von 56 Milliarden Euro, der aus dem regulären Haushalt gedeckt werden muss. Wenn Sie dann an der Regierung wären, wofür die gegenwärtige Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition spricht, wie würde die Union die enorme Lücke füllen?
    DOBRINDT: Es ist fatal, dass Deutschland seinen Bündnisverpflichtungen nicht gerecht wird und weiterhin nicht einmal zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgibt. Die Ampel spricht zwar von Zeitenwende, betreibt aber bei der Beschaffung von Waffen Zeitverschwendung. Wir fordern seit Jahren eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben und die Einhaltung der Zwei-Prozent-Regel. Verteidigung braucht schlicht mehr Priorität im Haushalt. Daneben wird es Zeit, dass wir einen Teil der westlichen Verteidigung stärker gemeinschaftlich entwickeln. Da könnte die EU eine neue Rolle haben: Beschaffungsprogramme stärker vernetzen und am Aufbau von Produktionskapazitäten mitwirken.

    Kommen wir zu einem Thema, das kaum jemand versteht, das aber in vieler Munde ist: die Änderung des Wahlrechts und die Neuzuschnitte der Wahlkreise. Fraktionschef Merz hat von Wahlrechtsmanipulation gesprochen und konkret das Beispiel Augsburg genannt, wo Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Änderungen besonders profitiere. Nun ändert sich die Anzahl und Verteilung der Menschen in unserem Land fortlaufend, entsprechend auch der Zuschnitt der Wahlkreise. Hat die CSU womöglich einfach gerade nur Pech?
    DOBRINDT: Nein, das ist der nächste Fall einer Wahlrechtsmanipulation durch die Ampel: Das von ihr neu geschaffene Wahlrecht benachteiligt die Oppositionsparteien, soll dem Machterhalt der Ampel dienen und missachtet den Föderalismus, deshalb wird es von uns beim Verfassungsgericht beklagt. Beim Neuzuschnitt der Wahlkreise geht die Ampel jetzt erneut den Weg der Manipulation: Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung bekommt Bayern einen weiteren Wahlkreis. Doch anstatt die fachlich angezeigte Lösung zu wählen und diesen in München zu schaffen, stückelt die Ampel in Schwaben einen Wahlkreis zusammen. Dieses Vorgehen ist weder fachlich begründbar noch perspektivisch tragfähig. Und dann schafft die Ampel bei der Gelegenheit noch eine „Lex Claudia Roth“, indem man den Wahlkreis Augsburg Stadt durch das Herauslösen von Königsbrunn für die Grünen vorteilhafter gestaltet. Das ist der Gipfel der Unverfrorenheit.

    Am Wochenende sind bundesweit große Demonstrationen gegen die AfD und Rechtsextremismus geplant, nachdem bereits in den letzten Wochen Hunderttausende auf die Straßen gingen. Verfestigt sich da ein Protest gegen rechts, geht ein Ruck durch Deutschland?
    DOBRINDT: Der Protest gegen den Rechtsradikalismus ist notwendig und berechtigt. Es gibt eine weiter steigende Selbstradikalisierung der AfD in Kombination mit anderen radikalen Gruppen. Demonstrationen setzen da ein wichtiges Zeichen für eine lebendige Demokratie. Aber die AfD kann man nicht wegdemonstrieren, man muss sie wegregieren. Die Ampel allerdings trägt durch schlechtes Regieren zu einer maximalen Polarisierung der Gesellschaft bei und hat so erheblichen Anteil am Erstarken der AfD. Wer derart gegen den Willen der Bevölkerung regiert, der muss sich nicht wundern, wenn die Polarisierung in der Gesellschaft zu radikalen Wahlentscheidungen führt. Gleichzeitig fehlt es der Regierung an der Einsicht, die Verantwortung dafür zu übernehmen und die eigene Politik zu verändern.

    Es sind zahlreiche Vorschläge auf dem Markt, wie man auf die AfD reagieren könnte. Den Geldhahn zuzudrehen ist einer davon, die Partei zu verbieten ein anderer. Wie gehen Sie mit einer Partei um, deren Vorsitzende Weidel im Bundestag Sätze sagt wie: „Diese Regierung hasst Deutschland“?
    DOBRINDT: Ich glaube nicht, dass man die Polarisierung in der Gesellschaft durch ein AfD-Verbot mitverbieten kann. Das ist der falsche Weg. Die Auseinandersetzung mit der AfD muss politisch stattfinden, sie muss mit ihren Inhalten gestellt werden. Wer wie Björn Höcke davon spricht, dass diese EU sterben muss, wer wie Alice Weidel davon spricht, dass der Brexit ein Modell für Deutschland wäre – also Deutschlands Austritt aus der Europäischen Union –, wer den Nato-Austritt, die Abschaffung des Euro und die Hinwendung zu Putins eurasischer Union propagiert, wie die AfD es tut, der will das freie Europa zerstören und sich Putins Diktatur unterwerfen. Die Alternative, die die AfD anbietet, ist nichts anderes als eine Alternative der Unfreiheit und der Unterwerfung. Das hat mit Patriotismus nichts zu tun. Ich nenne das Vaterlandsverrat.

    Zur Person

    Alexander Dobrindt ist seit September 2017 Vorsitzender der CSU im Bundestag. Als Landesgruppenchef obliegt ihm unter anderem die manchmal nicht leichte Aufgabe, die Interessen der CSU in Land und Bund auf einen Nenner zu bringen. Vorher war Dobrindt Bundesverkehrsminister und CSU-Generalsekretär. Dobrindt ist Jahrgang 1970, verheiratet und hat ein Kind. 

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