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CSU-Landesgruppe: Alexander Dobrindt - das Comeback des konservativen Strategen

CSU-Landesgruppe

Alexander Dobrindt - das Comeback des konservativen Strategen

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    Alexander Dobrindt (links), Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, und Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und CSU-Parteivorsitzender, stehen im Innenhof von Kloster Banz.
    Alexander Dobrindt (links), Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, und Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und CSU-Parteivorsitzender, stehen im Innenhof von Kloster Banz. Foto: Nicolas Armer, dpa

    Weil die CSU nach dem alten Leitspruch von Franz Josef Strauß immer alles ist und notfalls auch das Gegenteil, kann es schon mal passieren, dass ein Spitzenpolitiker in der Partei eine Zeit lang out ist und dann plötzlich wieder in. Erst recht, wenn man bedenkt, dass mit Horst Seehofer und Markus Söder seit vielen Jahren Männer am Ruder stehen, die immer für einen spontanen Richtungswechsel gut sind. Alexander Dobrindt gehört zu den Leuten, für die zuletzt nur noch Nebenrollen übrig geblieben waren. Zu dominant war der Hauptdarsteller in München, zu grün der CSU-Kurs für den Oberbayern, der doch viel lieber eine „konservative Revolution“ hatte anzetteln wollen.

    Als Chef der CSU-Landesgruppe hat Dobrindt zwar einen einflussreichen Posten, wirkte aber trotzdem phasenweise ziemlich out. Doch ein neuer Ton von Kapitän Söder – und womöglich auch die mauen Umfragewerte seiner Partei – wollen es, dass der 52-Jährige plötzlich wieder mit auf der Brücke steht. Dobrindt scheint wieder in zu sein. Nicht nur während der Sommerklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberfränkischen Kloster Banz, deren Steuermann er ist.

    Söder lobt Dobrindt: „Die Landesgruppe macht das ganz hervorragend“

    Der Steuermann und der Kapitän stehen am Mittwoch erst mal auf dem Trockenen. In den Innenhof des Klosters brennt erbarmungslos die Sonne. 37 Grad im Schatten. Noch viel mehr in der Mittagssonne. Dort stehen Dobrindt und Söder. Die äußeren Umstände sind ein bisschen kurios, wenn man bedenkt, dass das wichtigste Thema der CSU-Klausur Energie ist und die Landesgruppe viel über die Versorgungssicherheit im Winter sprechen will.

    CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (links) und CSU-Chef bei der Klausur in Kloster Banz.falseNicolas Armer, dpafalse

    Söder wird auch bald ein wenig unruhig, schnauft ein paar Mal hörbar durch und murmelt: „Jetzt, so langsam wird’s warm.“ Doch Gastgeber Dobrindt ist gekommen, um zu bleiben, er will seine Bühne nutzen. Ganz bayerischer Oppositionsführer, betont er erst einmal, Deutschland stehe vor den größten Herausforderungen seit der Wiedervereinigung, um dann gleich der Bundesregierung eine mitzugeben: „Und in Berlin regiert Verzagtheit.“ Auch Söder sagt, wie ernst die Lage sei. Die Union sei bereit, konstruktiv mitzuarbeiten. Aber wenn die Ampel allein entscheiden wolle, trage sie auch die alleinige Verantwortung, wenn es schief gehe. CSU und CDU wollen den Druck hochhalten, so viel wird klar in der Gluthitze des Klosterhofes. „Die Landesgruppe macht das ganz hervorragend“, lobt der CSU-Chef Dobrindt und dessen Truppe im Bundestag.

    Früher war die Beziehung zwischen Söder und Dobrindt kompliziert

    Die Dobrindt-Renaissance hat auch mit dem Machtverlust der Union in Berlin zu tun. Die CSU stellt dort keine Minister mehr, der alte Platzhirsch Horst Seehofer hat das Hauptstadt-Revier verlassen, das dem Landesgruppenchef auch sonst niemand streitig macht. Da der neue CSU-Generalsekretär Martin Huber auffallend wenig auffällt und vor allem nach innen wirken soll, wie es in hohen Parteikreisen heißt, stößt Dobrindt auch in diese Lücke und übernimmt seine einstige Paraderolle: die des konservativen Wadlbeißers gegen alles, was links ist. Oder grün. Oder beides. Da kommt es ihm entgegen, dass er heute gegen die Ampel schießen kann – und nicht mehr Rücksicht auf die „eigene“ Kanzlerin nehmen muss, deren Mitte-Kurs ihm stets suspekt war.

    Söder lässt Dobrindt machen. Überhaupt scheint er die interne Kritik an seiner zeitweiligen One-Man-Show ernst zu nehmen und – im Rahmen seiner Möglichkeiten – anderen aus der Partei mehr Raum zu geben, um sich zu profilieren. Neben Gesundheitsminister Klaus Holetschek ist es vor allem Dobrindt, der diese Freiheiten nutzt. Dabei war der Beziehungsstatus zwischen ihm und Söder mit „kompliziert“ lange Zeit ziemlich vorsichtig umschrieben. Vor allem, als es um das Erbe der Ära Seehofer ging, hatten sich die beiden argwöhnisch belauert. Der Franke erbte am Ende bekanntlich alles, dem Oberbayern blieb nur eine Art Pflichtteil. Doch heute spricht Söder in den höchsten Tönen über seinen Mann in Berlin. Der Parteivorsitzende weiß: Niemand in der CSU kennt die Laufwege, die Netzwerke und Hebel im Hauptstadtbetrieb so gut wie sein einstiger Rivale. Und nun, da Söders gedankliche Liebelei mit den Grünen erkaltet ist, scheint Dobrindt auch inhaltlich wieder in zu sein.

    Dobrindt nutzt die Provokation als politische Stilform wie kaum ein anderer

    In einer Zeit, in der auch eine konservative Partei anerkennen muss, dass Frauen in höchsten Ämtern gute Arbeit leisten und der Klimawandel keine grüne Spinnerei ist, braucht es neue Themen. Auch Stimmungsmache gegen Ausländer ist angesichts verzweifelter Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und massivem Fachkräftemangel nicht mehr en vogue. Also versucht sich die einstige Partei der strengen schwarzen Sheriffs mit einer höchst liberalen Haltung in der Gesellschaftspolitik, gar mit einem gesellschaftlichen Gegenentwurf: Die Grünen, so geht die CSU-Erzählung, stünden für Umerziehung, Gender-Irrsinn und Zwang zum Brokkoli-Essen. Die CSU hingegen für Freiheit – die Freiheit, keine Gendersternchen zu verwenden, dafür laut „Layla“ zu singen und Brokkoli nicht essen zu müssen. Dobrindt passt gut in diese Erzählung.

    Und noch etwas spricht für ihn: Er weiß, wie man Wählerinnen und Wähler mobilisiert. Den letzten wirklich erfolgreichen Wahlkampf der CSU hat er 2013 als Generalsekretär organisiert. Andererseits zeigt die Erfahrung: Wer Dobrindt bestellt, wandelt oft haarscharf an der Populismus-Grenze. Stichwort: Ausländer-Maut. Und: Ob eine Lagerbildung in diesen unsicheren Zeiten, in denen ohnehin von allen Seiten an den Menschen gezerrt wird, die Wähler noch massenhaft begeistert, ist zumindest fraglich.

    Dobrindt nutzt die Provokation als politische Stilform wie kaum ein anderer. Das hat aber nichts damit zu tun, dass er sich nicht im Griff hätte. Ganz im Gegenteil: In jeder Attacke stecken Kalkül und eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Die wird auch Markus Söder in den kommenden Monaten aufstellen. Und weil in der CSU immer alles möglich ist, könnte er zu dem Ergebnis kommen, dass Dobrindt ihm mehr nutzt, als er kostet. Falls die Sache schiefgeht, könnten am Ende aber beide out sein.

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