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Foto: Peter Kneffel, dpa
Foto: Peter Kneffel, dpa

"Wären wir im Fußball, wäre jetzt die richtige Zeit für den Trainerwechsel", sagt CSU-Chef Markus Söder (rechts), der mit Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Klausur in Seeon eröffnete.

CSU-Klausur in Seeon
07.01.2024

Ein Programm, aber keine Macht: Der CSU bleibt nur die Hoffnung

Von Michael Stifter

In Kloster Seeon schmieden die CSU-Bundestagsabgeordneten Pläne für die nächste Regierung, die nach guter alter Zeit klingen. Doch all die Forderungen landen erst mal in der Schublade.

Wer will ihm da schon widersprechen? "Wir brauchen ein Jahr der Hoffnung statt ein Jahr der Angst und der Sorge", sagt Markus Söder – und erklärt natürlich auch gleich, wer diese Hoffnung verkörpert: er selbst und seine Partei. Die CSU-Bundestagsabgeordneten ziehen sich für drei Tage nach Kloster Seeon zurück, um aus dem verschneiten Idyll eine einzige Botschaft zu senden: Wir sind die Anti-Ampel.

Für Söder und den Gastgeber der Klausur, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, gibt es nur einen Ausweg aus der aktuellen Misere des Landes, und das sind vorgezogene Neuwahlen. Und auch wenn die beiden selbst nicht so recht daran glauben, dass es dazu kommt, wollen sie für den Fall der Fälle bereit sein. So bastelt die CSU also hinter den Klostermauern eine Art Regierungsprogramm. Man kann ja nie wissen, wann man eines braucht. 

Söder fordert Trainerwechsel, Dobrindt will "Chancen statt Scholz"

"Wären wir im Fußball, wäre jetzt die richtige Zeit für den Trainerwechsel", sagt Söder, der Fußball-Metaphern mindestens so sehr liebt wie Star-Wars-Analogien. Und Dobrindt? Sagt Dobrindt-Sachen wie "Chancen statt Scholz". 

Aber tatsächlich ist die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung ja nahe dem Nullpunkt. Und so liest sich die Gästeliste von Seeon wie eine Art Fahrtenbuch durch die Themen, die den Deutschen gerade auf die Nerven gehen, die sie frustrieren oder ihnen Angst machen. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – die übrigens einen Tag vor dem Brüsseler CSU-Platzhirsch Manfred Weber eine große Bühne bekommt, was hinter den Kulissen durchaus als Affront gegen den Niederbayern gewertet wird – verkündet, nicht irgendwelche Schlepperbanden, sondern allein die Europäer seien es, die bestimmen dürften, wer in die EU rein darf. Außerdem wirbt sie dafür, dass Europa seine Verteidigung und Sicherheit viel stärker in die eigenen Hände nehmen müsse als bisher.

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Der dänische Einwanderungsminister Kaare Dybvad Bek – ein Sozialdemokrat wohlgemerkt, der nach eigener Aussage von der SPD noch nie um Rat gefragt wurde – erklärt, wie es seinem Land gelungen ist, die illegale Migration in den Griff zu bekommen. 

Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, gibt Antworten auf die Wirtschaftskrise. Mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der in seinem Bundesland gerade rechts überholt wird, spricht man über den unheimlichen Aufstieg der AfD und mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, über härtere Strafen gegen Antisemiten. 

Bauernpräsident Joachim Rukwied holt sich in Seeon den Segen

Und am Montag, während durch München schon die Traktoren rollen, kommt zum Abschluss auch noch Bauernpräsident Joachim Rukwied ins Kloster, um sich von der CSU den Segen für seinen Bauernaufstand abzuholen. 

"Wir sind bereit zu regieren, jederzeit", sagt Söder, der die CSU zur "Schutzmacht der sogenannten kleinen Leute und der normalen und rechtschaffenen Bürger" erklärt. Er sagt nicht, dass alles werden soll, wie es früher einmal war. Doch die Konzepte, die da in Seeon auf dem Tisch liegen, klingen schon ziemlich retro. Mehr Mittel für die Bundeswehr und Wiedereinführung der Wehrpflicht, dauerhafte Grenzkontrollen, Sozialhilfe statt Bürgergeld, Rückkehr zur Atomkraft, Laufzeitverlängerung für den Verbrennungsmotor, Aus für das Heizungsgesetz. 

Abgesehen davon, dass die Union an vielen Entscheidungen selbst beteiligt war, die sie nun gerne rückabwickeln würde, dürfte es ihr im Fall eines Regierungswechsels nicht ganz so leicht fallen, das Rad zurückzudrehen, wie Söder und Dobrindt das nahelegen. Das viel größere Problem aber ist: In Seeon wissen sie alle, dass all die plakativen Forderungen mangels Macht erst einmal in der Schublade verschwinden. Was die Parlamentarier der CSU hingegen nicht wissen: ob es ihre Partei nach der Wahl 2025 überhaupt noch im Bundestag geben wird. 

Die Angst vor der Fünf-Prozent-Hürde und neuen Konkurrenten

Sollte das neue Wahlrecht nicht doch noch gekippt werden, muss die CSU allein in Bayern mindestens fünf Prozent der bundesweit abgegebenen Stimmen holen, um den Wiedereinzug zu schaffen. Andernfalls würden auch sämtliche gewonnenen Direktmandate verfallen. Zur Einordnung: Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die CSU ein Ergebnis von 5,2 Prozent erzielt. Viel Luft war da also nicht mehr. Und mit einer AfD im Höhenflug, Sahra Wagenknecht, den Freien Wählern, die bundesweit angreifen wollen, und womöglich auch noch einer weiteren rechten Kraft unter Führung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen wird der Wettbewerb deutlich härter. 

Das treibt die CSU-Bundestagsabgeordneten im Schnee von Seeon um, vielleicht mehr als je zuvor. Es schweißt aber auch zusammen. Am Ende bleibt nur die Hoffnung.

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