Alexander Dobrindt tut wirklich eine Menge, um auf sich aufmerksam zu machen. Schon Tage vor der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Kloster Seeon wirft er häppchenweise immer neue Forderungen auf den Markt. Doch die einzigen bundesweiten Schlagzeilen macht – wie so oft – sein Chef Markus Söder mit dem Ruf nach Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ein Sinnbild für Dobrindts Dilemma und die Rolle der Landesgruppe, die im CSU-Orchester nur noch die dritte Geige spielt. Und dann ist da ja auch noch die Angst vor dem Super-GAU: Sollte das neue Wahlrecht nicht noch vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden, könnte die CSU nach der nächsten Bundestagswahl sogar ganz aus dem Bundestag fliegen.
Markus Söder ist Platzhirsch in München, Friedrich Merz in Berlin
Dobrindt steckt in einer undankbaren Lage. In München gibt der Parteivorsitzende und Ministerpräsident den Ton an. Söder ist der Platzhirsch in Bayern, und wenn es wirklich drauf ankommt, fliegt er eben mal nach Berlin. Dort wiederum dominiert Friedrich Merz die Bühne. Als CDU-Chef und Vorsitzender der gemeinsamen Unions-Fraktion im Bundestag ist er omnipräsent. Für Dobrindt bleibt wenig Raum. Die einst so selbstbewusste Landesgruppe verliert damit nicht nur im Parlament, sondern auch innerhalb der CSU an Renommee.
Auf dem Parteitag im September waren es auffallend viele "Berliner", also CSU-Leute aus dem Bundestag, die bei den Vorstandswahlen durchfielen. Nicht gerade ein Vertrauensbeweis von der Basis. "Wir müssen weiter daran arbeiten, dass die Landesgruppe als entscheidende und eigenständige politische Kraft wahrgenommen wird", fordert der Augsburger Abgeordnete Volker Ullrich. Aber wäre nicht genau das die Aufgabe des Vorsitzenden?
Alexander Dobrindt ist ein kluger Stratege, nur zahlt sich das nicht aus
Dass Dobrindt ein gewiefter Strippenzieher ist, bestreitet niemand in der CSU. Kaum einer in der Partei ist so gut vernetzt, gerade im Hauptstadt-Kosmos. Kaum einer ist wie er in der Lage, auch schon den übernächsten Schritt gedanklich durchzuspielen. Nur: All das zahlt sich momentan nicht aus.
Entsprechend groß ist die Verunsicherung unter den CSU-Bundestagsabgeordneten vor dem Treffen hinter oberbayerischen Klostermauern an diesem Wochenende. Sie wissen: Im Herbst 2025 geht es für sie um alles oder nichts. Nach derzeitigem Stand muss die CSU mindestens fünf Prozent der bundesweit abgegebenen Stimmen holen, um wieder ins Parlament einzuziehen. Gelingt das nicht, wären auch alle Direktmandate verloren. Kann man bei dieser Ausgangslage mit einem Spitzenkandidaten ins Rennen gehen, von dem selbst die eigenen Leute sagen, er werde "eben nicht unbedingt als Sympathieträger" wahrgenommen?
"Dobrindt ist immer noch zu sehr Generalsekretär, vielleicht schlägt er zu oft auf die Pauke", sagt einer, der ihn gut kennt. Das ist gar nicht nur despektierlich gemeint. Der wortgewaltige "Wadlbeißer" war Dobrindts Paraderolle. Und zu seiner Ehrenrettung muss man sagen, dass er manche Lücke füllt, die sein an Konturen armer Nachfolger auf dem Posten des Generalsekretärs eröffnet. Aber wenn jemand dauernd im Angriffsmodus ist, für alles und jeden eine passende polemische Parole parat hat (Dobrindt liebt Alliterationen), dann kann das auch Wählerinnen und Wähler abschrecken.
Außerdem kämpft der 53-Jährige mit Altlasten. Die einen tragen ihm noch immer nach, dass er die CSU nach rechts führen wollte, als er eine "Konservative Revolution" ausrief. Andere verbinden bis heute das Milliardengrab Pkw-Maut mit Dobrindt, der das CSU-Prestigeprojekt als Verkehrsminister aufgegleist hatte und die Prophezeiung seines damaligen Chefs Horst Seehofer ("Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht") nicht erfüllen konnte. Eine solche Hypothek stärkt nicht die eigene argumentative Schlagkraft, wenn man der Regierung vorhält, sie könne nicht mit Steuergeldern umgehen.
Wird Söder selbst Spitzenkandidat für die Bundestagswahl?
In der CSU-Führung spielt man aus all diesen Gründen längst einen anderen Plan durch. "Es kann auch gut sein, dass jemand aus München Spitzenkandidat wird, vielleicht sogar Markus Söder selber", sagt ein mächtiger CSU-Mann. Sollte der Ministerpräsident doch noch als Kanzlerkandidat der Union antreten, würde sich die Frage von allein beantworten. Falls nicht, kann es in der Landesgruppe durchaus als Misstrauensvotum aufgefasst werden, wenn ein Münchner (oder eine Münchnerin) in die erste Reihe für die Bundestagswahl gestellt wird. Auch Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber oder dem neuen Fraktionschef Klaus Holetschek würde mancher diese Rolle zutrauen.
In Berlin hingegen drängt sich kaum jemand auf. Parteivize Dorothee Bär, die immerhin schon mal Staatsministerin war und noch dazu eine der wenigen prominenten CSU-Frauen ist, hat intern kein gutes Standing. Bei der Wahl der fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden kassierte sie im September mit Abstand das schlechteste Ergebnis. Ex-Minister Andreas Scheuer wird intern als "lose Kanone" beschrieben, von der man nie so genau weiß, wen sie als Nächsten trifft. "Nicht alles, was der Andi macht, ist hilfreich", sagte kürzlich ein CSUler mit sarkastischem Lächeln. Und der gut vernetzte, bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Stephan Müller wechselt im Sommer lieber an die Spitze der bayerischen Genossenschaftsbanken.
Ähnlich wie der Parteichef in München hat es auch der Landesgruppenvorsitzende in Berlin nicht zugelassen, dass sich neben ihm andere starke Charaktere profilieren. So hielt er zwar potenzielle Rivalen auf Distanz, hat aber eben auch keine schlagkräftige Personalreserve aufgebaut. "Der Wahlerfolg hängt immer davon ab, ob das Team funktioniert. An der Seite von Alexander Dobrindt müssen noch weitere Köpfe sichtbar werden, die glaubhaft mit bestimmten Themen und Kompetenzen verbunden werden", fordert CSU-Präsidiumsmitglied Ullrich. Viel Zeit bleibt der Landesgruppe dafür nicht mehr.