Die drohende Eskalation der Bauernproteste setzt die CSU unter Zugzwang. Zum Auftakt der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon kritisierten Parteichef Markus Söder und der Landesgruppen-Vorsitzende Alexander Dobrindt die Aktion wütender Bauern gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstagabend, vermieden aber jegliche direkte Kritik an Landwirten oder Bauernverband und übernahmen deren Forderungen an die Bundesregierung, sämtliche Sparmaßnahmen rückgängig zu machen.
Dobrindt bezeichnete das Verhalten aggressiver Bauern, die den Grünen-Politiker an der Nordseeküste abgepasst und versucht hatten, eine Fähre zu stürmen, die den Wirtschaftsminister und dessen Frau an Land bringen sollte, als "Entgleisung, die unmöglich ist und so nicht stattfinden darf". Söder fügte hinzu: "Friedliche Proteste müssen möglich sein. Dass sie bei der Landwirtschaft etwas rustikaler sind, das haben wir in Bayern auch erlebt, da sollte man nicht zu ängstlich sein." Alles müsse aber auf dem Boden des Rechtsstaates stattfinden. "Wenn Robustheit zu Radikalität wird, dann geht das nicht", betonte der CSU-Chef.
Radikale Gruppen versuchen, die Bauernproteste zu kapern
Er verwies darauf, dass "radikale Gruppen wie die AfD" derzeit aktiv versuchen, die Situation auszunutzen und die Bauernproteste zu unterwandern, um Stimmung und Hass zu schüren. Tatsächlich deutet die Kommunikation in Chat-Gruppen darauf hin, dass Extremisten, Rechtsradikale und Verschwörungsideologen längst daran arbeiten, die Großdemonstrationen der Landwirte in der kommenden Woche in München, Augsburg und Nürnberg sowie am 15. Januar in Berlin zu kapern. In einer Nachricht, die unserer Redaktion vorliegt, rufen beispielsweise die sogenannten "Querdenker" im Allgäu dazu auf, sich den Protesten in Kempten an diesem Montag anzuschließen. Das Bundesinnenministerium warnt inzwischen explizit vor einer solchen Unterwanderung. Auch in der CSU gibt es durchaus die Befürchtung, dass die Bauern die Kontrolle über ihre eigenen Veranstaltungen verlieren könnten, offen sagen will das aber niemand.
Die CSU-Spitze bewegt sich bei diesem Thema auf einem schmalen Grat, schließlich hat sich der bayerische Koalitionspartner Hubert Aiwanger recht rustikal an die Spitze der Bauernbewegung gesetzt und gewinnt damit womöglich weiter Land beim einstigen Stammpublikum der CSU. Andererseits hatte Markus Söder stets versprochen, man wolle sich in Inhalt und Ton vom bayerischen Koalitionspartner unterscheiden, der immer weniger Hemmungen hat, mit populistischen Sprüchen die Stimmung anzustacheln.
Dobrindt und Söder spotten über Aiwanger
Wie genervt man davon inzwischen ist, wurde zu Beginn der Klausur in Seeon deutlich. Als Söder darauf angesprochen wurde, dass der Freie-Wähler-Chef es in einem Interview nicht geschafft hatte, sich von der Attacke auf Habeck zu distanzieren, konterte er: "Ich frage mich, warum Sie dazu ein Interview mit dem Wirtschaftsminister führen. Fragen Sie die Landwirtschaftsministerin, die ist kompetent bei dem Thema." Und Dobrindt legte trocken nach: "Nicht jeder, der zu allem etwas sagt, sagt alles richtig."