Kurz vor dem Weihnachtsfest droht die neue Omikron-Variante, das Corona-Pandemiegeschehen in Deutschland zu verschärfen. Am Dienstag fassten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Bundesländer Beschlüsse dazu, wie das verhindert werden soll. Aber wie geht es jetzt konkret weiter? Darüber informierten am Mittwoch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), bei einer Pressekonferenz.
KBV-Vorsitzender Gassen spricht bei Pressekonferenz mit Lauterbach und Wieler
Bund und Länder hatten am Dienstag unter anderem allgemeine Kontaktbeschränkungen und eine Silvesterruhe beschlossen. Spätestens ab dem 28. Dezember gelten Beschränkungen bei privaten Zusammenkünften, überregionale Großveranstaltungen wie Bundesligaspiele müssen ohne Publikum stattfinden.
Lauterbach sagte, diese Maßnahmen würden zur Bekämpfung der bevorstehenden Omikron-Welle beitragen. Die Neuinfektionen mit der Delta-Variante sänken, aber "eine Omikron-Welle lässt sich nicht mehr verhindern", betonte der Minister. Zentrales Mittel der Bundesregierung sei die Booster-Kampagne. Bei der Auffrischungsimpfung rechne man schon nach einer Woche mit einer deutlichen Schutzwirkung zwischen 70 und 80 Prozent gegen eine symptomatische Infektion. Gegen schwere Verläufe sei der Schutz wohl deutlich höher.
Er empfehle insbesondere den Moderna-Impfstoff, der mindestens so gut schütze wie das Vakzin von Biontech. Lauterbach sagte, er habe die Stiko um eine Neubewertung ihrer Empfehlung gebeten, die die Moderna-Impfung nur für über 30-Jährige vorsieht. Das Ergebnis kenne er nicht, weil es sich bei der Stiko um ein unabhängiges Gremium handle. Bald werde der Bund vier Millionen Dosen des Totimpfstoffs Novavax bereitstellen, auf den viele Ungeimpfte warteten. Er rechne mit Lieferungen im Januar. Auch von dem Totimpfstoff von Valneva seien elf Millionen Dosen bestellt worden.
Im Vorfeld war es zu Irritationen zwischen der Bundesregierung und der Seuchenschutzbehörde RKI gekommen: Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich mit der Ministerpräsidentenkonferenz auf einen "Lockdown light" kurz vor Silvester einigte, sprach sich das RKI für sofortige "maximale Kontaktbeschränkungen“ aus – dabei ist das RKI als nachgeordnete Behörde des Bundesgesundheitsministeriums eigentlich der Bundesregierung unterstellt.
Lauterbach bezeichnete den Vorgang auf Nachfrage als "Interna". Es gebe in seinem Haus keine Zensur wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesem Fall sei er leider nicht vor der Ministerpräsidentenkonferenz informiert worden. Wieler betonte, das RKI gebe kontinuierlich Einschätzungen zum Pandemiegeschehen ab. Das habe sich nicht geändert. Die Stellungnahme sei vor der Ministerpräsidentenkonferenz veröffentlicht worden. Die Umsetzung der Empfehlungen des RKI obliege der Politik. Ob er zufrieden oder nicht zufrieden sei mit den Ergebnissen, sei "irrelevant", sagte Wieler auf eine entsprechende Frage.
RKI-Chef Lothar Wieler erwartet stark steigende Fallzahlen
Bei der Pressekonferenz prognostizierte Wieler, die Pandemielage werde während der Feiertage unvollständig erfasst werden. Das liege beispielsweise daran, dass keine Tests am Arbeitsplatz vorgenommen würden. Die Maßnahmen gegen die Pandemie seien trotzdem klar: Neben dem Impfen sei das vor allem, Kontakte zu vermeiden.
Die Kliniken seien mit den 4000 Corona-Patienten nach wie vor am Limit. Deshalb müsse die nach wie vor hohe Fallzahl weiter sinken. Wieler rechnet wegen Omikron mit einem Infektionsgeschehen von einer "bisher nicht gesehenen Dynamik". Bei einer Verdopplungszeit von drei Tagen könnte die Variante in Deutschland in ein bis drei Wochen überwiegen. Es drohe die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems und kritischer Infrastrukturen. Für die elf Millionen ungeimpften Erwachsenen in Deutschland sei die Infektionsgefahr "sehr hoch". "Das Weihnachtsfest soll nicht der Funke sein, der das Omikron-Feuer entfacht." Deshalb sollten nur wenige und möglichst dieselben Personen getroffen werden. Wer Personen mit Risikofaktoren wie Ältere oder chronisch Kranke treffe, solle sich unbedingt vorher testen – das gelte auch für Geimpfte.
Booster nach drei Monaten beeinflusst Karl Lauterbachs Impfkampagne
Eine weitere Neuerung hat großen Einfluss auf die Impfkampagne der Bundesregierung. Seit Dienstag empfiehlt . Das erweitert den Kreis derjenigen, die in näherer Zukunft für einen Booster an der Reihe sind, deutlich. Ein Großteil der Impflinge dürfte neben den Impfzentren bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten geimpft werden. Ihr Repräsentant, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, saß bei der Pressekonferenz mit Lauterbach und Wieler auf dem Podium.
Gassen sagte, die schnelle Booster-Kampagne sei wichtig im Kampf gegen Omikron. Stand Dienstag stehe man bei 28 Millionen verabreichten Impfungen im Dezember. Das Ziel von 30 Millionen Dosen in diesem Monat sei erreichbar. Zwei Drittel der Impfungen würden in Arztpraxen verabreicht. Jede Woche verzeichne man eine halbe Million Erstimpfungen, davon 20 Prozent Kinderimpfungen.
Die Umsetzung der Corona-Regeln liegt zum Teil wieder in der Verantwortung der Bundesländer. Wie es bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie in Bayern weitergeht, darüber informiert Ministerpräsident Markus Söder ebenfalls am Mittwoch bei einer Pressekonferenz.