Es war nur ein Satz, aber der zeigte Wirkung. „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“, sagte Deutschlands bekanntester Virologe Christian Drosten an Weihnachten in einem Interview – und trat damit eine gewaltige politische Lawine los.
Die FDP, allen voran Bundesjustizminister Marco Buschmann, forderte umgehend ein Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen und erhielt am Dienstag Unterstützung aus Teilen der Union. Geht das so einfach? Welche Maßnahmen gibt es überhaupt noch? Und vor allem: Wie sieht das der zuständige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach?
Grundlage der Corona-Regeln ist das Infektionsschutzgesetz, das bis 7. April 2023 gilt. Darin sind einige wenige bundesweite Regelungen verankert wie die Maskenpflicht in Fernzügen oder Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen. Darüber hinaus können die Länder eigene Maßnahmen festlegen. Bayern hat beispielsweise Mitte November die Isolationspflicht für positiv Getestete abgeschafft und in diesen Fällen durch eine verschärfte Maskenpflicht ersetzt. Außerdem muss im Nahverkehr des Freistaats , in anderen Bundesländern dagegen schon.
Bundesjustizminister Buschmann will Regelungen per Verordnung aufheben
Buschmann ist nun der Ansicht, dass die Bundesregierung die bundesweiten Regelungen per Verordnung aufheben könnte – und nicht erst zum 7. April. „Von dieser Möglichkeit sollten wir jetzt Gebrauch machen“, schrieb der Minister in einem auf den 26. Dezember datierten Brief an seinen Kabinettskollegen Lauterbach.
Der reagierte nun – und bremste Buschmanns Ansinnen erst mal aus. „Ein sofortiges Beenden aller Maßnahmen wäre leichtsinnig und wird auch von Christian Drosten nicht gefordert“, sagte der SPD-Politiker. Trotz der neuen Lage gelte es, die besonders gefährdeten Menschen zu schützen, etwa durch Masken in Pflegeeinrichtungen oder Isolation am Arbeitsplatz. „Die Kliniken sind voll, das Personal überlastet, die Übersterblichkeit ist hoch und der Winter ist noch nicht zu Ende.“ Ähnlich sieht das der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen.
Holetschek springt Buschmann bei, findet die Forderung aber "missglückt"
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) springt FDP-Mann Buschmann dahingehend zur Seite, dass er von der Bundesregierung eine Prüfung verlangt, inwiefern das Infektionsschutzgesetz an die aktuelle Lage angepasst werden sollte. „Es wäre unverhältnismäßig, die aktuellen Regelungen unverändert bis zum Ablauf des 7. April 2023, an dem sie planmäßig außer Kraft treten sollen, fortgelten zu lassen“, sagte Holetschek unserer Redaktion. Außerdem sollte der Bund die Maskenpflicht im Fernverkehr in eine Empfehlung umwandeln.
Trotzdem hält Holetschek Buschmanns Forderung nach einem sofortigen Ende der letzten Corona-Schutzmaßnahmen für „missglückt“. „Denn natürlich ist zum Beispiel die Empfehlung auch künftig sinnvoll, im ÖPNV freiwillig Schutzmasken zu tragen – auch mit Blick auf andere Atemwegserkrankungen. Das sehen auch Ärztevertreter so.“ Klar sei zudem: „Eine pauschale Aufhebung aller Schutzmaßnahmen ohne Prüfung wäre nach Einschätzung unserer Experten nicht rechtmäßig.“ Denn der Staat habe die Pflicht, die Gesundheit und das Leben der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.