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Corona-Pandemie: Trotz massiver Warnungen: Der Rat der RKI-Experten verpufft

Corona-Pandemie

Trotz massiver Warnungen: Der Rat der RKI-Experten verpufft

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    Sind sich nicht einig: Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts.
    Sind sich nicht einig: Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Eine „seltsame Zwischenzeit“ nennt Bundeskanzler Olaf Scholz die aktuelle Corona-Lage: Auf der einen Seite vermitteln die sinkenden Inzidenzwerte ein Zeichen der Entspannung. Auf der anderen Seite wird es beim Blick auf die Nachbarländer zur Gewissheit, dass die fünfte Corona-Welle nur eine Frage der Zeit ist. Vielleicht ist diese „Zwischenzeit“ rund um Weihnachten ein Grund dafür, warum die Bundesregierung sich schwertut mit ihren Entscheidungen. Zwar werden Ende des Jahres strengere Regeln verhängt, doch Experten gehen die längst nicht weit genug. Ausgerechnet am Tag des wichtigen Treffens der Ministerpräsidenten gab es deshalb Signale des Chaos und der Verwirrung.

    Lothar Wieler, Chef der Robert- Koch-Instituts (RKI), sonst ein zwar eindringlicher, aber zugleich nüchterner Mahner, forderte via Twitter nur Stunden vor dem Gipfel massive Einschnitte in den Alltag der Menschen – sehr zur Verärgerung nicht nur von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der hatte noch vor wenigen Tagen einen echten Lockdown ausgeschlossen, wollte zunächst mit weicheren Maßnahmen gegen die Omikron-Welle ansteuern. Das Dynamik der Omikron-Welle seien „von konsequenten und flächendeckenden Kontaktbeschränkungen“ und von Maßnahmen zur Infektionsvorbeugung zu erwarten.

    Karl Lauterbach ärgert sich über RKI-Chef Lothar Wieler

    Besonders überraschend war der Vorstoß, weil Wieler Teil des neuen Corona-Expertenrates ist, der am Sonntag eine erste Stellungnahme vorgelegt und eher allgemein von einer Reduzierung der Kontakte gesprochen hat. Die Veröffentlichung sei „nicht abgestimmt“ gewesen, ärgerte sich Lauterbach über die RKI-Forderungen. Das dürfe nicht passieren. Auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder zeigte sich „höchst irritiert“ über die Kommunikation von Bundesregierung und RKI. Es sei „extrem unglücklich“, wenn es quasi im Stundenrhythmus neue Botschaften gebe, sagte Söder. All dies mache einen etwas unkoordinierten Eindruck, sagte Söder und kritisierte: „Wenn sich das Ministerium und die wichtigste Behörde widersprechen, hinterlässt das mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen.“

    Hendrik Wüst, Chef der Ministerpräsidentenkonferenz, sah gar eine chaotische Kommunikationslage – stellte sich zudem klar auf die Seite der Experten-Behörde. Man müsse nicht jeden einzelnen Punkt der Auffassungen des RKI teilen. „Aber es ist aus meiner Sicht wichtig, dass dem RKI der Respekt entgegengebracht wird, den es verdient.“ Denn das Bundesinstitut habe mit seiner Arbeit in den vergangenen Monaten der Pandemie „viele Menschenleben gerettet“, so der CDU-Ministerpräsident.

    Scholz versucht Zweifel an seiner Corona-Politik zu zerstreuen

    Hinter den Kulissen soll es laut mehreren Medienberichten mächtig gekracht haben – auch Scholz war wenig begeistert. Öffentlich versuchte er den Eindruck eines Konflikts zu zerstreuen. „Ich bin sehr dankbar für die Arbeit, die das RKI leistet“, sagte er am Abend. Man handle sehr einvernehmlich. „Was wir brauchen, ist Klarheit im Kopf, Klarheit im Handeln“, sagte er – und nicht jeden Tag eine neue Meldung. Dem Eindruck, dass die Regierung sich davor scheut, kurz vor Weihnachten strenge Maßnahmen zu verhängen, trat er entgegen. Was beschlossen worden sei, seien deutliche Kontakteinschränkungen. „Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern um uns herum hat Deutschland weitreichende Kontaktbeschränkungen.“ Scholz sagte: „Alles Mögliche ist sehr beschränkt.“

    Das bezweifelt aber längst nicht nur das RKI. Der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger kritisierte die jüngsten Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern als völlig unzureichend. „Wir bräuchten jetzt einen scharfen Lockdown vom 27. Dezember bis zum Neujahrstag, ähnlich wie in den Niederlanden“, sagte er unserer Redaktion. „Durch die deutlich ansteckendere Omikron-Variante des Coronavirus ist die Lage jetzt noch einmal deutlich gefährlicher“, betonte Pilsinger. Er forderte, Geschäfte und die Gastronomie und Betriebe zu schließen. Nötig wäre zudem eine Ausgangssperre ab 22 Uhr. „Denn es geht darum, die Partys zu verhindern, bei denen viele Ansteckungen stattfinden, das gilt vor allem an Silvester.“

    Auch aus dem grün regierten Baden-Württemberg drangen Worte der Enttäuschung in Richtung Berlin. Das machte Ministerpräsident Winfried Kretschmann in einer Protokollerklärung zu dem Beschluss der Bundesregierung und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten deutlich. "Sie gewährleisten keine ausreichende Handlungsfähigkeit, um schnell auf eine sich zuspitzende Lage, wie sie der wissenschaftliche Expertenrat in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2021 prognostiziert, reagieren zu können", heißt es darin.

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