Nach den ruhigen Weihnachtstagen zieht die Zahl der Corona-Neuinfektionen langsam wieder an. Doch vor allem der Blick in die Welt ist es, der den politischen Entscheidungsträgern Sorgen macht: Mit der Ausbreitung von Omikron explodieren die Inzidenzwerte regelrecht. Das hat weitreichende Folgen: Jeder, der positiv getestet ist, muss aktuell 14 Tage in Quarantäne, kann sich auch nicht früher freitesten.
Doch diese Regelung könnte Teile des öffentlichen Lebens lahmlegen, wenn viele Menschen gleichzeitig infiziert sind. Personalmangel gerade in der kritischen Infrastruktur, etwa dem Nahverkehr oder der Energieversorgung, will die Regierung aber um jeden Preis vermeiden – und erwägt daher die Quarantänezeit zu verkürzen. Zu groß erscheint die Gefahr, dass die Virus-Mutation das Land lahmlegt.
International gibt es bereits Vorbilder für weniger strenge Isolations-Vorgaben. Die USA und Großbritannien haben die Quarantäne-Dauer für Infizierte ohne Symptome bereits auf fünf beziehungsweise sieben Tage verkürzt, um einem akuten Personalmangel in Branchen vorzubeugen, die für die Grundversorgung und Sicherheit nötig sind. Spanien reduzierte die Quarantäne-Dauer für symptomlose Infizierte am Mittwoch von zehn auf sieben Tage. In Südafrika wurden die Quarantäne-Vorschriften sogar ganz aufgehoben. Die Regierung in Rom beschloss, zumindest die vorsorgliche Quarantäne für Geimpfte und Genesene auszusetzen, die engen Kontakt mit einer nachweislich positiv-getesteten Person hatten.
Lauterbach will die Quarantäne-Dauer diskutieren
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Frage nach der Quarantäne-Dauer auch in Deutschland möglichst bald zur Diskussion stellen. Es sei „eine etwas andere Situation als wir vor einer Woche gehabt haben“, sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend in den ARD-Tagesthemen. Man müsse nun überlegen, „was bedeutet das für die Quarantäne-Dauer, was bedeutet das für die Kontaktreduzierungen?“ Konkrete Antworten gibt es noch nicht. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass Berlin den internationalen Beispielen zumindest im Grundsatz folgt und etwa für Geimpfte die Regeln aufweicht. Bei der nächsten Konferenz der Ministerpräsidenten am 7. Januar dürfte die Frage eine entscheidende Rolle spielen.
„Bevor wir entscheiden, ob, wann und für wen eine Verkürzung der Quarantäne in Frage kommt, brauchen wir aussagekräftige wissenschaftliche Daten“, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek unserer Redaktion. Diese müssten vom RKI und dem Expertenrat auf Bundesebene zur Verfügung gestellt werden – beide Institutionen haben sich bislang nicht zu diesem Thema geäußert. „Sie müssen Stellung nehmen und der Politik etwas an die Hand geben, auf dessen Basis wir entscheiden können“, sagt Holetschek.
Klar sei, dass die Zahl der Omikron-Fälle zunehme, auch wenn die Zahlen zum Glück momentan noch langsamer steigen als befürchtet. Die ansteckendere Omikron-Mutation werde die Delta-Variante innerhalb der kommenden Wochen verdrängen, so wie das in anderen Ländern bereits geschehen ist. „Wir müssen deshalb jetzt die Weichen stellen, um gut vorbereitet zu sein – auch und gerade mit Blick auf die kritische Infrastruktur“, mahnt der Gesundheitsminister. „Wenn sich viele Menschen anstecken und in Quarantäne müssen, besteht die Gefahr, dass wir Probleme bei der Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur bekommen. Denkbar wäre aus meiner Sicht beispielsweise eine Befreiung von der Quarantäne für geboosterte Kontaktpersonen.“
So sieht ein Virologe die Omikron-Situation
Sollte die Entscheidung so fallen, wäre sie eher politisch denn medizinisch begründet. Experten verweisen auf die noch dünne Studienlage zu Omikron – unter anderem ist unklar, wie lange Omikron-Infizierte ansteckend sind. "Das ist ein zweischneidiges Schwert: Verkürzt man die Quarantäne, kann man produktiver sein“, sagt der Frankfurter Virologe Martin Stürmer dem SWR. „Aber man riskiert auch Infektionen, die durch eine längere Isolation verhindert werden könnten. Dieses Risiko muss man genau abwägen."