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Corona-Pandemie: Mit dem digitalen Corona-Impfpass in die Freiheit?

Corona-Pandemie

Mit dem digitalen Corona-Impfpass in die Freiheit?

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    Urlaubsreisen könnten mit einer digitalen Impfbestätigung schneller wieder möglich werden.
    Urlaubsreisen könnten mit einer digitalen Impfbestätigung schneller wieder möglich werden. Foto: Martina Wendt, Adobe Stock

    Wenn politische, ethische, ökonomische und staatsrechtliche Sichtweisen aufeinandertreffen, kann es nur kompliziert werden. Umso mehr, wenn es um eine gefährliche Pandemie geht. Während die Deutschen gebannt darauf wartet, ob und in welchem Umfang die Ministerpräsidenten bei ihren Beratungen mit der Kanzlerin am Mittwoch Lockerungen beschließen, gewinnt eine Debatte mit jeder einzelnen Impfung an Brisanz: Kann man Geimpften Grundrechte weiter vorenthalten, wenn sich Studien bestätigen, dass sie für ihre Mitmenschen keine Gefahr mehr darstellen?

    „Nein“, sagt der Fachanwalt für Medizinrecht, Alexander Ehlers, im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wenn wir sicher oder nahezu sicher sind, dass Geimpfte nicht ansteckend sind, dann muss man für sie die verfassungsrechtlich geschützte freiheitsrechte wiederherstellen." Als es noch keinen Impfstoff gegeben habe, sei es darum gegangen, Leben und Gesundheit zu schützen. Bei der damaligen verfassungsrechtlichen Abwägung zwischen Leben und Gesundheit einerseits und Freiheitsrechten andererseits seien Erstere höherrangig gewesen. „Somit war eine vorübergehende Einschränkung der Freiheitsrechte, die das Grundgesetz schützt, zulässig“, sagt der Münchner Professor.

    Ehlers über Corona-Impfungen: "Der Druck auf die Politik wird extrem wachsen"

    Doch nun werde „der Druck auf die Politik, Geimpfte von den Einschränkungen zu befreien, extrem wachsen“. Ehlers verweist darauf, dass es nicht nur darum gehe, Geimpften Reisen ins Ausland zu ermöglichen: „Es geht um die Bewegungsfreiheit innerhalb Deutschlands, es geht um alle Einschränkungen. Am Ende wird es beispielsweise auch darum gehen, dass die Maskenpflicht für diese geimpften Personen nicht mehr verhältnismäßig ist.“

    Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz plädiert für die schnelle Entwicklung eines EU-weit gültigen digitalen Immunitätsausweises.
    Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz plädiert für die schnelle Entwicklung eines EU-weit gültigen digitalen Immunitätsausweises. Foto: Ronald Zak, AP, dpa

    Österreichs Kanzler Sebastian Kurz fordert mit Verve einen europäischen, digitalen Impfpass, um für Geimpfte die Bewegungsfreiheit zu organisieren. An seiner Seite sind Länder wie Griechenland oder Bulgarien, für die der Tourismus ebenfalls eine zentrale ökonomische Rolle spielt. Als Vorbild gilt Israel – dort gibt es bereits den Immunitätsausweis. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will bereits am 17. März einen Gesetzentwurf für einen „digitalen grünen Pass“ für Corona-Geimpfte vorlegen. Mit dieser Technik soll es dann auch möglich sein, aktuelle negative Tests sowie frühere Erkrankungen anzuzeigen. So könnten auch Genesene von ihrer Immunität profitieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel plagt die Sorge vor einer gesellschaftlichen Zerreißprobe, wenn Geimpften Vorteile eingeräumt werden: „Alle haben heute darauf hingewiesen, dass das zurzeit bei der geringen Durchimpfung der Bevölkerung gar nicht das Thema ist. Aber man muss sich ja vorbereiten“, sagte sie. Das klang nicht so, als habe die Kanzlerin es mit dem digitalen Impfpass besonders eilig.

    Medizinrechtler Ehlers sieht es völlig anders als Merkel. „Zu warten, bis alle ein Impfangebot bekommen haben, halte ich aus verfassungsrechtlicher Sicht für ausgeschlossen. Solidarität und gesellschaftlicher Frieden sind wichtig, aber es geht hier um Grundrechte, die für jeden einzelnen Bürger garantiert sind.“ In Deutschland wurde eine Rückkehr zur Freiheit für Geimpfte zunächst meist als die Gesellschaft spaltend oder als „Impfpflicht durch die Hintertür“ abgelehnt. Für den Juristen Ehlers Argumente, die nach verfassungsrechtlichen Kategorien nicht verfangen. Ihn ärgert vielmehr, dass die Zeit im Sommer nicht genutzt worden sei, sich Gedanken zu machen, wie ein Immunitätsausweis schnell und technisch effektiv entwickelt werden könne. Ehlers. „Erst jetzt wird ernsthaft über einen Immunitätsausweis nachgedacht – viel zu spät.“ Meist seien die Überlegungen nicht darüber hinaus gegangen, den alten gelben Impfpass nach einer Corona-Impfung abzustempeln.

    Schafft die EU es, ihren digitalen Corona-Impfpass schnell zu entwickeln?

    Denkbar sei, einen deutschen Immunitätsausweis zu entwickeln, und darauf zu achten, dass es Schnittstellen gibt, um ihn international einsetzen zu können. Tatsächlich gibt es Zweifel, ob es der EU gelingt, die technischen Voraussetzungen für einen zentralen „digitalen grünen Pass“ in drei Monaten zu schaffen. Parallel dazu müssten sich die EU-Mitglieder ihrerseits auf die Technik vorbereiten. Einige Mitglieder wie Österreich, basteln bereits an eigenen digitalen Immunitätspässen.

    Sehr unterschiedlich sind auch die Vorstellungen über das Thema Datenschutz in den 27 Mitgliedsländern. Die EU-Kommission deutete bereits an, dass die Länder das letzte Wort haben sollen, wenn es darum geht, welche Rechte die Inhaber des EU-Immunitätspasses in Zukunft haben werden.

    Virologe Drosten ist optimistisch, dass Geimpfte nicht ansteckend sind

    Auch aus wissenschaftlicher Sicht ist einiges noch nicht geklärt. Virologen werfen ein, dass längst nicht für alle Vakzine ausreichend nachgewiesen ist, ob die Geimpften tatsächlich nicht ansteckend sind. Optimistisch ist Christian Drosten, der ja eher als vorsichtiger Vertreter seiner Zunft bekannt ist: „Ich glaube, dass man als Geimpfter das gute Gefühl haben kann, dass man seine Umgebung nicht ansteckt und schlechter als Überträger fungiert“, sagte der Berliner Virologe dem NDR. Unklar ist, wie lange der Impfschutz jeweils anhält – sprich, wie lange der Impfverweis im Immunitätsausweis wiedergewonnene Freiheit garantieren würde.

    Auch Alexander Ehlers ist gespannt auf die Beratungen am Mittwoch. „Ich glaube, dass der Gipfel einige Lockerungen beschließen wird. Ich empfehle dringend, dass die Ministerpräsidenten die Entwicklung eines digital gestützten Immunitätsausweises vorantreiben. Die Zeit drängt.“

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