Für den kritischen Teil in der Bevölkerung hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Kampf gegen die Corona-Pandemie in den letzten Monaten komplett an die Wand gefahren. Während die einen nur Chaos beim SPD-Politiker diagnostizieren, wähnen die anderen ihn auf einem geraden Kurs und geizen nicht mit Lob.
Lauterbach selbst ist in seinen Äußerungen vorsichtiger geworden. Nach Amtsantritt war er oft in der Öffentlichkeit zu sehen, dann wurde es spürbar ruhiger. Bei einem Auftritt in der Bundespressekonferenz versuchte er am Freitag, den Weg vorzuzeichnen, der durch den Corona-Sommer hindurch in den Pandemie-Winter führt. Komplikationslos wird das Ziel nicht zu erreichen sein. Es sei klar, dass Deutschland mehr brauche, „als was wir jetzt an Sommerreifen aufgezogen haben“, sagte Lauterbach und ergänzte: „Die Winterreifen werden vorbereitet“.
"Winterreifen" für die Eindämmung der Corona-Pandemie
Winterreifen sind durch eine andere Mischung für die kalte Jahreszeit besser geeignet als Sommerreifen. Lauterbach schwebt für die Eindämmung der Corona-Pandemie bei den Impfstoffen ähnliches vor. Er will in Kooperation mit Herstellern wie Biontech oder Moderna eine Impfkampagne vorbereiten, deren Ziel es ist, ab September verschiedene Impfstoffe für unterschiedliche Virusvarianten anbieten zu können – unterschiedliche Mischungen für unterschiedliche Bedürfnisse also.
Am Ende des Weges könnte die Erlösung vom ewigen Corona-Stress stehen. Er gehe persönlich davon aus, dass auch „Impfstoffe entwickelt werden, mit denen wir im Wesentlichen die Ansteckungen verhindern können“. Der Mediziner machte aber keinen Hehl daraus, dass nur ein Teil der Wissenschaft hinter dieser Einschätzung steht. Was jetzt jedoch schon klar ist: Es soll „keinen erneuten Versuch geben, die allgemeine Impfpflicht einzuführen“.
Lauterbachs Impfkampagne ist Teil eines Sieben-Punkte-Plans. An zweiter Stelle auf der Liste steht ein Testkonzept zum Umgang mit den Bürgertests, das er bald vorlegen will. Dahinter steckt vor allem die Frage, wie es mit den kostenfreien Corona-Tests weitergeht, die am 30. Juni auslaufen. Der Minister verhandelt gerade innerhalb der Regierung ums Geld, ist jedoch zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass wir die Bürgertests im Sommer weiter nutzen können“, sagte er.
Kostenfreie Test wären offenbar hilfreich, denn für den Minister steht auch fest: „Wir haben eine Sommerwelle vor uns“. Die Regierung habe diese Welle prognostiziert und sei davon „nicht überrascht worden“. Erwartet wird eine weitere Zunahme der Ansteckungen, allerdings ohne die Begleiterscheinungen des letzten Jahres, als die ohnehin schon gebeutelten Beschäftigten im Gesundheitswesen an den Rand des Zusammenbruchs gedrängt wurden. Für diesen Sommer gebe es keinen Grund, in Panik zu geraten, sagte Lauterbach. „Wir sind nicht existenziell gefährdet. Es ist kein Alarm notwendig“, beruhigte er und bekräftigte, dass Impfungen zur vergleichsweise ruhigen Lage sehr viel beitragen.
Der Gesundheitsminister als Mahner
Lauterbach wäre nicht er selbst, wenn er der optimistischen Einschätzung nicht eine Warnung folgen lassen würde. „Trotzdem: Es ist nicht so, dass wir die Sommerwelle begrüßen können“, mahnte er. Eine Ansteckung sei „keine „Impfung, die man gratis bekommt“ und es sei keineswegs so, dass man sich mit einer Ansteckung für den Herbst schützen könne. Dagegen spreche allein schon die weiterhin hohe Zahl an schweren Erkrankungen, Todes- und Long-Covid-Fällen.
In den Pflegeeinrichtungen steigen die Corona-Zahlen bereits wieder, wie Lauterbach mahnte. Dazu passt Punkt vier seiner Maßnahmenliste, der eine sehr viel präzisere Beschäftigung mit der Frage vorsieht, wie man vulnerable Gruppen besser schützt. Hier spielt ein weiterer Aspekt hinein, den Lauterbach optimieren will.
Es geht dabei um die vielen Corona-Medikamente, die vorhanden sind, jedoch kaum genutzt werden. Die Jüngsten in Schulen und Kitas will die Regierung mit einem möglichst einheitlichen Corona-Konzept schützen. Die Entscheidungshoheit liegt jedoch weiter bei den Ländern. Zum Reifenwechsel gehören zudem Gespräche zwischen Lauterbach und Justizminister Marco Buschmann (FDP) über die Zukunft des Infektionsschutzgesetzes, das Ende September ausläuft.
Lauterbach empfiehlt Maskentragen in den Innenräumen
Im Kampf gegen die Pandemie rät Lauterbach jedoch nicht nur zum Wechsel, sondern auch dazu, bewährte Maßnahmen beizubehalten. „Das Maskentragen in den Innenräumen ist eine Möglichkeit, wie man sich und andere schützt“, sagte er. Dies müsse „zur Normalität gehören“, forderte der SPD-Politiker, der zugleich eine Lanze für die vierte Impfung brach und dafür warb, mit der Indikation „großzügiger“ umzugehen. Nicht nur die Älteren sollten sich demnach ein viertes Mal impfen lassen, sondern – nach Absprache mit Arzt oder Ärztin - eben auch Jüngere. Er selbst sei vier Mal geimpft, erklärte der Minister. Logisch eigentlich, denn auf drei Rädern rollt die Fuhre nicht besonders gut.