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Impfpflicht: Kassenärzte haben eine Forderung

Corona-Pandemie

Karl Lauterbach hofft auf Impfpflicht ab April

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    Bekommt Deutschland eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus? Die Debatte wird hitzig geführt.
    Bekommt Deutschland eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus? Die Debatte wird hitzig geführt. Foto: Lennart Preiss, dpa

    Es ist eine dieser Wegmarken, die womöglich nichts als eine banale Ziffer sind, aber doch einen psychologischen Effekt haben: Zum ersten Mal in der Corona-Pandemie hat Deutschland am Dienstag die Marke von 100.000 Neuinfektionen pro Tag überschritten – Tendenz weiter steigend. Allerdings spiegelt sich diese enorme Zahl bislang nicht in den Klinik-Einlieferungen wider. Im Gegenteil: Sie ist laut Intensivmedizinervereinigung DIVI seit der ersten Dezemberhälfte von rund 5000 auf zuletzt 2664 gesunken. Auch die Zahl der offiziell vom RKI gemeldeten Corona-Toten war in den vergangenen Tagen rückläufig. Nicht nur deshalb wachsen an vielen Stellen die Zweifel, ob

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach drückt weiterhin aufs Tempo. Die Impfpflicht müsse schnell kommen, sagte der SPD-Politiker gegenüber RTL. „Wenn wir einen Antrag machen wollen, der noch funktioniert, dann ist das ein Antrag, der die Impfpflicht in Kraft setzt – was weiß ich – im April oder um den April herum, vielleicht im Mai.“ Zur Begründung führte er an, dass noch genug Zeit bleiben müsse, um Ungeimpfte vor einer möglichen neuen Corona-Welle im Herbst zu immunisieren. Wer noch nicht geimpft sei, müsse „drei Impfzyklen durchlaufen (...) und bis dahin ist man dann schon im September oder Oktober“, sagte Lauterbach.

    „Weil das muss schnell geschehen, damit ich die Welle – und das ist ja die Begründung für die Impfpflicht –, damit ich die Welle im Herbst noch abwenden kann.“ Spätestens Ende Februar, so Lauterbach, werde es also Debatten im Bundestag geben, wie genau eine Impfpflicht aussehen könnte. Kommende Woche soll es bereits eine erste Orientierungsdebatte geben. Doch ob sich am Ende der Diskussion wirklich eine Mehrheit für eine allgemeine Corona-Impfpflicht findet, bleibt offen.

    Impfpflicht in Deutschland: Viele Fragen sind noch offen

    Ein Grund ist unter anderem die Omikron-Variante, die nicht nur deutlich ansteckender ist, sondern auch dazu führt, dass der Impfstoff weniger wirksam ist. Daten aus Israel aus dieser Woche haben gezeigt, dass selbst eine vierte Corona-Impfung nicht komplett gegen die Omikron-Variante schützt. Man beobachte auch bei vierfach Geimpften Ansteckungen, sagte Professor Gili Regev vom Schiba-Krankenhaus bei Tel Aviv. Zwei Wochen nach einer vierten Dosis des Präparats von Biontech/Pfizer sei zwar ein „schöner Anstieg“ der Antikörper zu beobachten. Deren Zahl liege sogar etwas über dem Wert nach der dritten Impfung. „Aber für Omikron ist dieser schöne Wert nicht genug.“ Regev betonte, es handele sich um Zwischenergebnisse der Studie, sie wollte daher auch keine genaueren Zahlen nennen.

    Genau die Unsicherheit, die Omikron erzeugt hat, ist für viele Kritiker ein Grund, an der Impfpflicht zumindest zu zweifeln. Doch auch hinter der Umsetzung stehen noch viele Fragezeichen. Der Beamtenbund dbb etwa hält eine allgemeine Impfpflicht verwaltungstechnisch für kaum umsetzbar. Mit ihrer derzeitigen Ausstattung seien die Behörden kaum in der Lage, die Einhaltung sinnvoll zu kontrollieren, warnte der Vorsitzende Ulrich Silberbach in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er erkenne „unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht, wie sich eine gesetzliche Impfpflicht sinnvoll umsetzen ließe“.

    Der dbb-Vorsitzende warnte vor einem weiteren Vertrauensverlust des Staates. „Wird es etwa eine Impfpflicht ohne Konsequenzen für jene, die sich weigern? Dann führt der Staat nur ein weiteres Mal seine Ohnmacht vor. Oder soll etwa doch das Ordnungsamt an jeder Haustür klingeln und Impfnachweise kontrollieren? Dann will ich aber wissen, mit welchem Personalaufwand das kalkuliert wird.“ Eine andere Frage wirft der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, auf. Er will eine etwaige Pflicht zur Impfung gegen das Coronavirus nicht in den Arztpraxen umsetzen lassen. "Wir werden unseren Ärzten nicht zumuten, eine Impfpflicht gegen den Willen der Patienten zu exekutieren", sagt Gassen der Bild-Zeitung. "Die Praxen sind kein Ort, um staatliche Maßnahmen durchzusetzen, sondern leben vom Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient." In den Praxen würden dann keine Impfunwilligen geimpft. Dies müsse in den staatlichen Impfzentren geschehen.

    Sollen Hausärzte die Impfpflicht durchsetzen?

    Allerdings erntet er für diese Haltung durchaus Widerspruch von Medizinern. „Im Gegensatz zu Äußerungen der KBV-Vorsitzenden wird eine solche Impfpflicht eben nicht zwangsweise in den Praxen exekutiert. Hier irren die Vertreter der Körperschaft und ich zweifle stark daran, dass sie für die Mehrheit der Kassenärzte sprechen und deren Rückhalt in dieser Frage haben,“ erklärt der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte (Virchowbund), Dirk Heinrich. Die niedergelassenen Ärzte würden im Fall einer Einführung der allgemeinen Impfpflicht weiter impfen wie bisher. „Kein Mensch wird bei einer allgemeinen Impfpflicht in Praxen oder Impfzentren zwangsgeimpft werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit,“ sagt auch Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. „So ist das bei der bereits seit zwei Jahren bestehenden Impfpflicht gegen Masern und auch bei der kürzlich eingeführten berufsbezogenen Impfpflicht für Gesundheitseinrichtungen. Allein das Argument, eine Impfung könne Infektionen nicht gänzlich verhindern, war ja bereits bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht stichhaltig.“

    In der FDP setzt sich inzwischen ein anderer Ansatz durch: Keine allgemeine Impfpflicht, sondern eine

    So ist die Impfquote bei den Älteren

    Zwar scheint die Omikron-Variante im Schnitt zu weniger schweren Verläufen zu führen, gerade für ungeimpfte Risikogruppen ist die Gefahr bei steigenden Infektionszahlen aber trotzdem immens. Auch deshalb hält Deutschland an strikten Corona-Regeln fest. Andere Länder, etwa Spanien und Großbritannien, haben sich hingegen entschieden, mehr Infektionen mit der Omikron-Variante zu riskieren. Dort aber ist die Impfbereitschaft der Älteren höher. Das bestätigen die Daten, die das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zusammenträgt. Der Vergleich zeigt: Deutschland liegt mit einer Erstimpfquote von rund 88 Prozent bei den über 60-Jährigen im Mittelfeld der EU-Mitglieder. Portugal, Irland, Malta und

    Momentan infizieren sich vergleichsweise wenig ältere Menschen, die besonders anfällig für schwere Verläufe sind. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei Personen ab 80 Jahren laut RKI zuletzt bei rund 115 – mit leicht steigender Tendenz. Sollten sich deutlich mehr Ältere infizieren, könnte das Experten zufolge zu einem deutlichen Anstieg bei der Zahl der Schwerkranken führen. Bei den 5- bis 14-Jährigen liegt die Inzidenz nun rund zehn Mal so hoch wie bei den Älteren und hat sich innerhalb einer Woche mehr als verdoppelt. Das dürfte auch mit dem Ende der Weihnachtsferien zusammenhängen. Schüler werden regelmäßig getestet. (mit dpa)

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