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Corona-Pandemie: Impfpflicht für Klinikpersonal droht in der Praxis zu scheitern

Corona-Pandemie

Impfpflicht für Klinikpersonal droht in der Praxis zu scheitern

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    Der Bundestag berät am Mittwoch über eine geplante Impfpflicht für Personal in Kliniken oder Pflegeheimen.
    Der Bundestag berät am Mittwoch über eine geplante Impfpflicht für Personal in Kliniken oder Pflegeheimen. Foto: Daniel Bockwoldt, dpa

    In sechs Wochen sollen in deutschen Kliniken, Gesundheitseinrichtungen, Senioren- und Pflegeheimen eigentlich nur noch gegen Corona geimpfte Beschäftigte arbeiten. Doch die Umsetzung der von der Ampel-Koalition auf den Weg gebrachten sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht droht an praktischen Fragen zu scheitern – zumindest was den Start Mitte März angeht.

    Ein Sprecher von SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach räumte ein, dass ungeimpfte Beschäftigte einfach weiterarbeiten könnten, solange örtliche Gesundheitsämter nicht jeden Einzelfall geprüft hätten. Dazu sehen sich die in der Pandemie überlasteten Behörden jedoch nicht in der Lage.

    Opposition wirft Lauterbach handwerkliche Fehler vor

    Die Opposition wirft nun Lauterbach schwere handwerkliche Fehler vor. „Damit die Impfpflicht im Gesundheitswesen kein Fehlschlag wird, muss die Regierung jetzt schnellstens Klarheit schaffen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Tino Sorge unserer Redaktion. „Es bleiben wenige Wochen, die Zeit drängt“, betont der

    „Die Bundesregierung hat viele arbeitsrechtliche und praktische Fragen unbeantwortet gelassen“, kritisiert er. „Minister Lauterbach muss jetzt erklären, wie die Impfpflicht im Gesundheitssektor tatsächlich umgesetzt werden soll“, forderte der Unionspolitiker.

    CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge spricht während einer Debatte im Bundestag.
    CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge spricht während einer Debatte im Bundestag. Foto: Michael Kappeler, dpa

    „Es reicht nicht aus, auf die Gesundheitsämter vor Ort zu verweisen“, betont Sorge. „Schon jetzt warnen sie davor, dass sie die Impfpflicht ab März kaum kontrollieren könnten.“ Sorge warnte zugleich vor politischem Schaden für die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht: „Wenn schon bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht so viele Fragen offenbleiben, lässt das für die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht nichts Gutes erahnen. Was bleibt, ist Verwirrung bei allen Beteiligten.“

    Linke warnt vor Klageflut an Arbeitsgerichten wegen Impfpflicht

    Auch die Linke wirft der Bundesregierung eine Verunsicherung der Menschen vor. „Die Ampel hat sich davor gedrückt, arbeitsrechtliche Konsequenzen bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht klar zu regeln, obwohl wir im Gesetzgebungsverfahren mehrmals darauf hingewiesen haben“, sagte die stellvertretende Linke-Fraktionschefin Susanne Ferschl unserer Redaktion. „Das war ein großer Fehler“, fügt sie hinzu. „Ein Gesetz, das einen so sensiblen Punkt letztlich der Entscheidung der Gerichte überlässt, ist handwerklich schlecht gemacht“, warnt die Linke vor einer Klageflut an deutschen Arbeitsgerichten.

    Ferschls Partei fordert eine gesetzliche Regelung, dass persönliche Impfentscheidungen nicht zu Kündigungen führen dürften. Stattdessen sollten Betriebs- und Personalräte Konflikte lösen. Auch die Debatte um eine generelle Impfpflicht dürfe bei den Menschen nicht Angst um ihre Arbeitsplätze erzeugen, betonte die Linke-Fraktionsvize. Sie kritisierte zudem, dass die Regierung die Umsetzung des Gesetzes den Gesundheitsämtern überlassen wolle, die dafür in der Pandemie keine Kapazitäten hätten: „Die Bundesregierung muss wissen: Wer Gesetze verabschiedet und dann nicht umsetzt, macht sich unglaubwürdig", warnte sie.

    Die Kaufbeurer Bundestagsabgeordnete Susanne Ferschl ist stellvertretende Fraktionschefin der Linke.
    Die Kaufbeurer Bundestagsabgeordnete Susanne Ferschl ist stellvertretende Fraktionschefin der Linke. Foto: Franz Issing

    „In Bezug auf die Situation von Ungeimpften in konkreten Einrichtungen, sollte man sich vor allem auf die Betriebs- und Personalräte verlassen“, erklärte Ferschl. Diese könnten die konkrete Lage vor Ort am besten bewerten und passende Maßnahmen entwickeln. „Um dieses Potenzial zu nutzen, müssten Betriebs- und Personalräte aber mehr Rückendeckung bekommen und vom Gesetzgeber in ihren Rechten gestärkt werden", forderte die Arbeits- und Sozialexpertin der Linke-Fraktion.

    Tausende Pflegekräfte suchen wegen Pandemie-Folgen andere Jobs

    Zusätzliche Verunsicherung lösen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aus: Bundesweit hätten sich in den vergangenen beiden Monaten rund 12.000 Pflegekräfte arbeitssuchend gemeldet, mehr als doppelt so viele wie in den Vorjahren. Neben der Überlastung in den Klinken und Heimen während der Pandemie könne auch die Impfpflichtdebatte ein Grund dafür sein, sagte ein Sprecher der Bundesarbeitsagentur.

    Bayerns CSU-Gesundheitsminister Klaus Holetschek fordert von der Bundesregierung klare Vollzugsregelungen. „Wenn die vom Bund nicht bald geliefert werden können, dann werden wir im Vollzug eigene Regeln setzen oder aber den Vollzug aufschieben“, kündigt er an. „Das kann nicht alles auf die Gesundheitsbehörden abgeladen werden“, betont er. Dem Vernehmen nach könnte Bayern den Start der einrichtungsbezogenen Impfpflicht etwa in den Juni verschieben.

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