Ein optimistischer Blick auf das neue Jahr fällt in diesen Tagen vielen Menschen schwer. Die Corona-Pandemie wird, da ist die Stimmung im Land eindeutig, weiter den Alltag dominieren. 79 Prozent der Deutschen glauben, dass sie ihr Leben 2022 zumindest teilweise beeinträchtigen wird. Rund ein Drittel der Befragten rechnet gar mit einer starken Beeinträchtigung, so eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur. Während es im Umgang mit Kontaktbeschränkungen und anderen sozialen Belastungen mittlerweile eine gewisse Übung gibt, kommt im neuen Jahr eine neue Herausforderung dazu. Die Lebenshaltungskosten steigen infolge der Pandemie rasant an, die Auswirkungen sind derzeit noch nicht absehbar.
Der aktuelle Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes lässt Böses ahnen. Schon jetzt liegt die Inflationsrate bei 5,2 Prozent, die Energiepreise haben um 22,1 Prozent zugelegt, die Kosten für Nahrungsmittel um 4,5 Prozent. Der Preisanstieg ist derzeit stärker als in den vergangenen 28 Jahren und ein Ende ist nicht in Sicht.
Homeoffice wird wegen des Strompreises teuer
Für die Stromrechnung muss nicht nur wegen geopolitischer Risiken und damit verbundener Preissteigerungen tiefer in die Tasche gegriffen werden. Mit einem Aufschlag von bis zu 40 Prozent rechnen Experten da bereits. Wer im Homeoffice arbeitet, legt noch mal drauf. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 kann das Plus für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch den Betrieb von Laptop, Monitor, Schreibtischlampe, Wasserkocher und anderen Elektrogeräten bis zu 94 Euro im Jahr betragen. Ein Sechstel der staatlichen Homeoffice-Pauschale von fünf Euro an maximal 120 Tagen wäre damit schon mal verbraucht.
Die Linken im Bundestag erwarten von der Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen eine sofortige Reaktion. „Die neue Bundesregierung ist dringend gefordert, Maßnahmen gegen die soziale Schieflage in diesem Land zu ergreifen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch unserer Redaktion. „Steigende Energiepreise, Verdienstausfälle durch Corona, Zusatzkosten im Homeoffice sind für immer mehr Familien nicht mehr tragbar“, ergänzte Bartsch und erinnerte Kanzler Olaf Scholz (SPD) erneut an dessen Richtlinienkompetenz. Zu Jahresbeginn müsse nun endlich gehandelt werden, sagte er. Die Linken plädieren unter anderem dafür, das Wohngeld auf Basis der Bruttowarmmiete zu zahlen und um eine Komponente für die Stromkosten zu erweitern. Ähnliche Forderungen kommen von Verbraucherschützern.
Viele Kassen erhöhen die Beiträge
Selbst damit wären die Preisauswüchse nur teilweise kompensiert. So müssen sich Millionen gesetzlich Krankenversicherte im neuen Jahr auf höhere Kosten einstellen. Check24 zufolge erhöhen mindestens 18 der 98 gesetzlichen Krankenkassen zum 1. Januar 2022 ihre Zusatzbeiträge. Die Mehrzahl der Kassen immerhin hält den Beitrag stabil, einige senken ihn sogar.
Stark angespannt und damit teuer bleibt die Lage im Baugewerbe. Schon jetzt kommen viele Häuser über den Rohbau nicht hinaus, weil es an Material fehlt. Das hängt vor allem mit den globalen Lieferketten zusammen, die durch die Pandemie vielerorts unterbrochen sind. Eine Verbesserung der Corona-Lage brächte nach Einschätzung von Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer jedoch nicht automatisch die erhoffte Normalisierung. Es zeichne sich schon jetzt ab, „dass die Preise - selbst bei einer Entspannung bei den Materialengpässen - nicht wieder vollständig auf das Vorkrisenniveau sinken werden“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Kunden würden die Folgen von Materialmangel und Preisanstieg auch bei den Wartezeiten stärker zu spüren bekommen. Im Bauhauptgewerbe müssten Verbraucher im Durchschnitt mittlerweile 14 Wochen warten, im Ausbaugewerbe elf Wochen.
Die Liste der Hiobsbotschaften scheint kein Ende zu nehmen. Laut einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY müssen viele Städte und Gemeinden auch infolge der hohen Corona-Belastungen harte Einschnitte vornehmen und unpopuläre Sparmaßnahmen einleiten. Rund ein Viertel plant die Einschränkung kommunaler Leistungen, zu denen unter anderem der Betrieb von Theatern und Sportstätten zählt. 70 Prozent werden voraussichtlich kommunale Steuern und Gebühren erhöhen.