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Corona-Pandemie: Reicht Eigenverantwortung gegen Corona?

Corona-Pandemie

Reicht Eigenverantwortung gegen Corona?

Michael Pohl
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    Masketragen ist seit dieser Woche ein Akt der Freiwilligkeit.
    Masketragen ist seit dieser Woche ein Akt der Freiwilligkeit. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa

    Knapp zwei Drittel der Deutschen wollen laut Umfragen auch nach Ende der Maskenpflicht vorerst nicht auf den Schutz im Gesicht verzichten. Freiwillig. Die ersten Eindrücke in Supermärkten und Einkaufszentren scheinen die Umfragezahlen zu bestätigen. Schließlich wundern sich viele, warum ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Infektionszahlenrekorde die größten Lockerungen der Pandemie verkündet wurden. Noch größere Überraschung löst die Entscheidung aus, dass auch Isolation und Quarantäne ab Mai freiwillig sein sollen, falls man nicht in sensiblen Bereichen arbeitet.

    Künftig „reicht hier Eigenverantwortung“, sagt der Bundesgesundheitsminister, der nicht von der FDP kommt, sondern bekanntlich Karl Lauterbach heißt. Jener renommierte Warner, der gerade noch dringlichst das Maskentragen empfohlen hatte, sagt nun, die Quarantänepflicht sei überflüssig, weil die Behörden sie ohnehin kaum noch überwachen könnten. Viele haben Mühe, die Kehrtwende nachzuvollziehen: Eben noch hat der Staat mit kryptischen Regelwerken wie „2G plus“ noch den Alltag in der Pandemie bis ins Allerkleinste zu regeln versucht, und nun soll Freiwilligkeit reichen? Reicht das? Ist die Pandemie vorbei?

    Erst vor wenigen Monaten zwang Delta Bayern, Patienten auszufliegen

    Eigenverantwortung ist ein schönes Wort. Aber auch das politische Gegenstück dazu hat einen wohligen Klang: Fürsorge. Die zahlreichen Corona-Maßnahmen der vergangenen Monate gab es, obwohl sich eine große Mehrheit eigenverantwortlich verhielt und vieles tat, um sich und andere nicht anzustecken und sich bestmöglich vor einer schweren Erkrankung zu schützen.

    Gleichzeitig entstand der Eindruck, dass die staatliche Fürsorge in der Corona-Politik vor allem einer Minderheit gegolten habe, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht impfen ließ. Schließlich zielten einige Maßnahmen unverhohlen darauf ab, Druck auf diesen Teil der Bevölkerung auszuüben, etwa als die Kostenfreiheit von Schnelltests abgeschafft wurde.

    Dennoch galt die Fürsorge nicht der Minderheit, sondern der Gesellschaft mit dem Ziel, die Notfallversorgung im Gesundheitswesen bestmöglich aufrechtzuerhalten. Man sollte nicht vergessen, dass erst vor wenigen Monaten die Delta-Variante auch Bayern dazu zwang, Covid-Kranke auf Intensivstationen in andere Länder auszufliegen.

    Noch immer werden wegen der Corona-Pandemie Operationen verschoben

    Bundesweit müssen sogar bis heute Operationen verschoben werden. Die AOK verbuchte im vergangenen Jahr 14 Prozent weniger Klinikbehandlungen wegen körperlicher Leiden als vor der Pandemie. Im Februar waren es sogar 22 Prozent. Darunter sind Fälle, wo früher zu viel operiert wurde, aber auch Krebsoperationen und die Versorgung Herzkranker.

    Die Intensivstationen stehen zwar nicht mehr vor einer akuten Überlastung wie bei der Delta-Variante. Da Omikron weniger brutal im Körper wütet, gingen die Covid-Intensivfälle um bis zu zwei Drittel zurück. Dennoch sind unverändert täglich über 2000 Corona-Intensivfälle zusammen mit anderen Pandemiefolgen für das Klinikwesen eine Belastung, die zu einem chronischen Verschleiß gerade des Pflegepersonals zu führen droht. Fürsorge bleibt deshalb weiterhin ein Thema der Pandemiepolitik.

    Für den Sommer reicht in der Corona-Pandemie die Eigenverantwortung

    Dennoch ist mit dem Übergang in die warme Jahreszeit die Zeit für die Rückkehr zur Eigenverantwortung reif. Die Chancen stehen sehr gut, mit den Lockerungen gut durch den Sommer zu kommen. Auch wenn sich erst zeigen muss, ob lange als „Superspreader-Events“ gefürchtete Veranstaltungen, wie ungehemmte Bierzelt-Gaudi, nicht noch zum Spielverderber werden oder ob Impfungen und Immunschutz längst ausreichen. Österreichs zwischenzeitliche Rückkehr zur Maskenpflicht ist auch für Bayern eine Warnung, dass die Corona-Bedrohung für das Gesundheitswesen noch nicht vorüber ist.

    Über das Ende der Pandemie entscheidet ohnehin nicht die Politik, sondern die Natur, entscheidet das Virus mit seinen kaum berechenbaren Mutationsprozessen. Hat es Deutschland nach dem Sommer noch immer mit Omikron zu tun, spricht vieles dafür, dass die Lage besser sein wird als heute inmitten der aktuellen Lockerungen. Denn jede Omikron-Infektion erhöht die Immunisierung eines Einzelnen und der Gesellschaft ein Stück weit. Die Betonung liegt dabei auf ein Stück weit, wie viele Mehrfachinfektionen zeigen.

    Doch wenn jene Fachleute recht haben, die vor einer Rückkehr von Delta warnen oder vor einer gefährlicheren neuen Variante als Omikron, könnten ab Herbst Ländern mit mäßigen Impfquoten wie Bayern wieder schwere Wochen und Monate bevorstehen. Das Prinzip Eigenverantwortung steht leider auf Abruf, denn die Pandemie hat oft ihre Unberechenbarkeit bewiesen.

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