Impfpflicht durch die Hintertür? Diesen Vorwurf mussten sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) anhören, als sie vor gut drei Wochen ihren Entwurf des Corona-Fahrplans für die kalte Jahreszeit vorlegten. In dem Papier fand sich eine umstrittene Regel zur Maskenpflicht in Innenräumen, zum Beispiel für Theater, Fitnessstudios und Wirtshäuser. Um die Maske herumkommen sollte, wer vollständig geimpft ist und bei dem die letzte Dosis höchstens drei Monate zurückliegt. Auch wer kürzlich eine Infektion durchgemacht hat, wäre befreit.
An dieser Ausnahme entzündete sich Kritik. Kommentatoren witterten einen Zwang zur vierten Corona-Impfung, Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) fragte sich, wie die Ausnahme von der Maskenpflicht kontrolliert werden könnte.
Kein Corona-Impfdruck durch die Hintertür
Wenn Lauterbach und Buschmann am Mittwoch ihren final im Kabinett abgestimmten Corona-Fahrplan präsentieren, dann dürfte die umkämpfte Bestimmung fehlen beziehungsweise zur Kann-Bestimmung degradiert sein. Das haben Recherchen unserer Redaktion ergeben. Die Länder können demnach frisch Geimpfte und gerade Genesene in der Frist von 90 Tagen von der Maskenpflicht befreien, müssen es aber nicht.
Ohnehin sind es die Länder, die im Herbst und Winter die Seuchenpolitik gestalten müssen. Der Bund gibt nur einen Mindeststandard vor, der sich in der ersten Fassung Anfang August auf die Maskenpflicht in Flugzeugen, im Fernverkehr, in Krankenhäusern und Pflegeheimen beschränkte. Für den Zutritt zu Letzteren soll außerdem ein negativer Corona-Test notwendig sein.
Stärkere Einschnitte von Freiheit und Alltagsleben müssen die Länder verhängen, wenn es die Lage im Gesundheitssystem erfordert. Generell soll aber die große Linie der Ampel-Koalition gelten, dass das Leben in diesem Corona-Winter relativ normal verläuft. Schließungen von Schulen, Kneipen, Kinos und Geschäften soll es nicht noch einmal geben.
Bayern bemängelt fehlende Leitplanken bei den Corona-Regeln
Die Kritik Holetscheks und anderer hat wohl in dem konkreten Fall der Ausnahme von der Maskenpflicht etwas bewirkt, insgesamt ist dem CSU-Politiker der Fahrplan aber zu unsicher. Für ihn drückt sich die Bundesregierung davor, Grenzwerte zu definieren, ab wann gegen Corona auf die härtere Gangart umgeschaltet werden kann. "Ich bleibe dabei, dass die Länder vom Bund klare und nachvollziehbare Parameter brauchen, nach denen festgelegt werden kann, ab wann bestimmte Maßnahmen zum Infektionsschutz ausgelöst werden sollen", sagte er unserer Redaktion.
Es brauche Leitplanken für eine praktikable Politik. "Es kann eigentlich nicht sein, dass die Länder die Hausaufgaben machen, die der Bund offenbar nicht machen möchte", monierte Holetschek. Sein Amtskollege Manfred Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg hatte dem Bund vorgeworfen, den Instrumentenkasten für den Kampf gegen den Erreger unnötig geleert zu haben.
Zur Unzeit kommt für Lauterbach und Buschmann, dass es Kabinettskollegen mit den Corona-Regeln nicht so genau nehmen. Fotos und ein Video zeigen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Regierungsflieger während einer Reise nach Kanada maskenlos, genau wie die ihn begleitenden Journalisten. Auch Kanzler Olaf Scholz soll keine Maske getragen haben. Zwar haben die Passagiere vor dem Start einen PCR-Test machen müssen, von der Maskenpflicht hat er sie nicht entbinden können. Klarer Fall von Doppelmoral, höhnte es in den sozialen Medien.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr kündigte bereits an, dass er bei parlamentarischen Beratungen genau darüber reden wolle. "Prüfungsbedarf sehe ich zum Beispiel aktuell in der Debatte zur Maskenpflicht in Flugzeugen", sagte Dürr unserer Redaktion. Dabei gehe es um einheitliche europäische Vorschriften und mögliche Ausnahmen für kommerzielle Flüge.