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Corona-Lockerungen ab 20. März: Ärger ums neue Gesetz

Corona-Pandemie

Das neue Corona-Gesetz sorgt für viel Ärger in den Ländern

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    Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Justizminister Marco Buschmann: Völlig unterschiedliche Interpretation des eigenen Kompromisses?
    Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Justizminister Marco Buschmann: Völlig unterschiedliche Interpretation des eigenen Kompromisses? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Es ist ein Tag, an den sich heute niemand gern erinnert: Vor genau zwei Jahre geschah das Undenkbare, Bund und Länder beschlossen an jenem 16. März 2020 den ersten Lockdown für den Einzelhandel, sperrten Spielplätze und untersagten sogar Gottesdienste, für Restaurants war um 18.00 Uhr Schluss. Von Lockdown spricht zwei Jahre später niemand mehr, dafür umso mehr von Lockerungen. Die Ampel-Koalition im Bund will die Corona-Maßnahmen künftig wieder den Bundesländern überlassen und diese Woche fast alle einheitlichen Regeln aus dem Infektionsschutzgesetz streichen.

    Doch nicht nur die Meldungen des Robert-Koch-Instituts über täglich neue Infektionsrekorde, auch Aussagen von Experten und auch aus der Koalition selbst lassen Zweifel aufkommen, ob der Zeitpunkt gut gewählt ist.

    Virologen beurteilen Lockerungspläne unterschiedlich

    Bei einer Expertenanhörung im Bundestag traten unterschiedliche Auffassungen unter Virologen zutage: Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung warnte vor dem Wegfall von Schutzinstrumenten wie der Maskenpflicht, da es nach wie vor „absolut wichtig“ sei, Infektionen zu vermeiden. Nicht nur für Ungeimpfte gebe es ein hohes Risiko, auch besonders gefährdete Gruppen könnten sich nicht hundertprozentig schützen. Deshalb sei es wichtig, Instrumente aufrechtzuerhalten, die wirkten, sonst könnten die Zahlen auch im Sommer steigen.

    Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sagte, man sei in einer anderen Phase der Pandemie. Es gebe zwar nie da gewesene Infektionszahlen, die Belastung der Kliniken habe sich aber davon abgekoppelt. Dies sei „ein guter Zeitpunkt, besonnen Maßnahmen zurückzufahren“ und sich von solchen zu trennen, deren Wirksamkeit nicht klar bewiesen sei. Er nannte etwa Zugangsregeln wie 2G und 3G.

    Selbst die Grünen kritisieren Lauterbachs Gesetzentwurf

    Doch auch aus dem eigenen Ampel-Lager kommt Kritik: Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen schloss sich der Forderung vieler Ministerpräsidenten nach Nachbesserungen an. „Ich werbe sehr dafür, den Gesetzentwurf zur Reform des Infektionsschutzgesetzes noch einmal anzupassen und die Maskenpflicht in Innenräumen als Basisschutzmaßnahme beizubehalten“, sagte Dahmen dem Redaktions-Netzwerk Deutschland.

    Noch härter fällt die Kritik der Opposition am Gesetzesentwurf aus, den SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und FDP-Justizminister Marco Buschmann nach harter Kompromissarbeit vorgelegt haben. „Hört man Justizminister Buschmann und Gesundheitsminister Lauterbach zu, glaubt man sogar, es ginge um zwei verschiedene Gesetze“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge unserer Redaktion.

    Union nennt neue Hotspot-Regelung heiße Luft

    Doch inhaltlich halte der Entwurf keines der Versprechen, kritisiert der CDU-Politiker: „Die verheerende Kritik der Experten in der öffentlichen Anhörung zeigt: Das Gesetz strotzt vor leeren Phrasen und handwerklichen Mängeln“, sagt Sorge. „Kernfragen für die Pandemiepolitik des Frühjahrs lässt die Ampel offen.“

    Als einen der größten Schwachpunkte bemängelt der Unionspolitiker das Fehlen klarer Kriterien, wie die Länder künftig Corona-Maßnahmen anwenden sollen. „Die geplante Hotspot-Regelung ist nichts als heiße Luft – denn keines der Kriterien für die Aktivierung ist klar definiert“, sagt Sorge.

    Zahllose offene Fragen bei Entscheidungskriterien

    Die Ampel lasse sämtliche wichtigen Details offen, kritisiert der Gesundheitsexperte: „Wann genau soll eine Variante ‚pathogener’ sein – und im Vergleich wozu? Ab welchen Werten gelten die Neuinfektionen künftig als ‚besonders hoch’? Welche Daten kennzeichnen eine ‚drohende’ Klinik-Überlastung?“ Mit all diesen Fragen lasse der Bund die Länder völlig allein: „Die heftige Kritik über alle Parteigrenzen hinweg lässt nichts Gutes erahnen“, warnt Sorge. „Wir werden in diesem Frühjahr einen Flickenteppich regionaler Regeln erleben.“ All das hat für den Unionsmann einen Grund: der tiefe Riss, der von Anfang an durch die Ampel in der Corona-Politik geht.

    „Es ist alarmierend, wie gegensätzlich die beiden zuständigen Bundesminister die geplante Hotspot-Regelung interpretieren: Während Gesundheitsminister Lauterbach von flächendeckenden Einschränkungen ausgeht, tritt das Bundesjustizministerium vehement auf die Bremse“, sagt Sorge. „Der Schlagabtausch der Koalitionäre spaltet die Ampel“, betont er. „Auf der einen Seite Panik-Prognosen, auf der anderen Seite Forderungen nach maximalen Lockerungen. Das wird der Sache nicht gerecht.“

    Ministerpräsidenten kündigen Widerstand gegen neue Corona-Regeln an

    Sorge glaubt deshalb nicht, dass die Länder dem Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung zustimmen werden. „Die Ampel hatte eine zentrale Aufgabe: neben dem Plan für Lockerungen auch eine Absicherung für die Länder zu schaffen. Daran ist sie krachend gescheitert.“ Nun müsse die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag für Ordnung im Chaos sorgen.

    Besonders aus dem Süden wird Widerstand laut: Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann nannte die Gesetzespläne „grob fahrlässig“. Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder warnt: „Damit stehen wir im Herbst neuen Mutationen schutz- und wehrlos gegenüber.“

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