Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bei der Bundespressekonferenz erneut für eine vierte Impfung für über 60-Jährige geworben. "Das macht für ältere Menschen einen Riesenunterschied, ob man drei Mal oder vier Mal geimpft ist", sagte der Minister. Die Sterblichkeit könne in dieser Altersgruppe um 90 Prozent gesenkt werden. Von den über 60-Jährigen hätten derzeit allerdings nur etwa 25 Prozent eine vierte Spritze des Vakzins erhalten.
"Wir sind am Beginn einer neuen Welle. Wir sind aber gut vorbereitet", sagte Lauterbach. Die Corona-Pandemie sei mit dem Krieg in der Ukraine und den Folgen dieser Krise in den Hintergrund gerückt. Das solle auch weiter so bleiben.
Lauterbach: Länder müssen zum richtigen Zeitpunkt Maßnahmen ergreifen
Weiter appellierte Lauterbach an die Länder, den richtigen Zeitpunkt zu wählen, um neue Maßnahmen zu ergreifen. Am Samstag tritt das neue Infektionsschutzgesetz in Kraft, das bis April 2023 gültig ist. Demnach gilt in ganz Deutschland eine Maskenpflicht im Fernverkehr, in Flugzeugen dagegen nicht. In Krankenhäusern, Praxen und Pflegestätten ist das Tragen einer FFP2-Maske obligatorisch. Wenn sich das Infektionsgeschehen zuspitzt, können die Länder dieses durch die Stufe eins der Corona-Regelungen eindämmen und beispielsweise eine FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr oder in Innenräumen verhängen. Auch an Schulen können Maskenpflicht und Testpflicht eingeführt werden.
Falls diese Maßnahmen nicht zu einer Verminderung der Fallzahlen führt, können die Länder in Stufe zwei der Corona-Regeln zum Beispiel eine generelle Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen einführen. Auch Hygienekonzepte in Unternehmen, Einrichtungen und bei Veranstaltungen könnten dann wieder verpflichtend werden. In Bayern sind bislang keine Verschärfungen der Corona-Regeln geplant.
Paxlovid senkt Wahrscheinlichkeit für schweren Verlauf
Der Gesundheitsminister warb zudem für einen breiteren Einsatz von Corona-Medikamenten wie Paxlovid. Das Medikament senke die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt bei älteren Menschen um bis zu 75 Prozent.
Die gute Nachricht sei, dass bisher keine Corona-Variante aufgetaucht sei, die schwere Verläufe wie Delta auslöse und gleichzeitig so ansteckend sei wie BA.2. Allerdings warnte der Minister vor der Variante BQ.1.1, bei der eine "sehr vollständige Immunflucht" zu beobachten sei. "Wir werden das im Auge behalten." Lauterbach sei mit den Impfstoffproduzenten im Gespräch und beteuerte, auch diese Variante in den Griff zu bekommen.
Um eine Übersicht über das Infektionsgeschehen zu erhalten, soll künftig das Abwasser überprüft werden. Die Messstellen werden laut Lauterbach sukzessive angeschlossen. Bereits in zwei Wochen sollen Daten zur Verfügung stehen. Auf dem Pandemie-Radar des RKI werden außerdem zusätzlich zu den belegten Krankenhausbetten auch die belegbaren Plätze gemeldet.
RKI-Chef Wieler: Andere Erkrankungen nehmen derzeit zu
Nach Angaben des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, nehmen derzeit auch andere Atemwegserkrankungen zu. Das sei zu dieser Jahreszeit zwar grundsätzlich nicht ungewöhnlich, allerdings seien die Zahlen höher als in den Vorjahren und auch höher als noch vor der Corona-Pandemie. Diesen Herbst seien bereits 7,7 Millionen Menschen erkrankt. Auslöser seien derzeit vor allem Rhinoviren und Sars-Cov2, aber auch Respiratorische Synzytial (RS)-Viren und Influenza.
"Die Pandemie ist noch nicht vorbei, auch wenn wir uns in einer recht günstigen und stabilen Lage befinden", sagte Wieler. Er empfahl weiter, in Innenräumen Maske zu tragen, sich bei Erkältungssymptomen in Isolation zu begeben und auf den Impfschutz zu achten.
An der Isolationspflicht für Corona-Positive hielt Lauterbach weiter fest. "Ich sehe keinen Sinn darin, das Infektionsgeschehen weiter zu befeuern", sagte der Politiker. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein hatten den Gesundheitsminister in einem gemeinsamen Schreiben aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Regel falle. Dabei verwiesen die Länder auf Österreich, wo dies seit dem 1. August durch eine sogenannte "Verkehrsbeschränkung" ersetzt worden ist. Dort müssen Infizierte zehn Tage lang an den meisten Orten eine FFP2-Maske tragen, sie dürfen lediglich keine Pflegeheime und Kliniken besuchen. Sie können aber an ihren Arbeitsplatz.