Der Corona-Hilferuf aus dem portugiesischen Gesundheitsministerium traf am 26.Januar in Berlin ein. Das Notsignal, das das Bundesverteidigungsministerium erreichte, war an Dramatik nicht zu überbieten: Die Sieben-Tage-Inzidenz von über 800 Ansteckungen pro 100.000 Einwohnern war zu diesem Zeitpunkt ein trauriger Weltrekord. Die Neuinfektionen in dem Land mit gut zehn Millionen Einwohnern lagen bei über 16.000 pro Tag. Krankenwagen standen vor den überfüllten Kliniken Schlange. 5500 Menschen starben allein im Januar an oder mit Corona – die Ärzte konnten vielen Patienten nicht helfen, da Personal und Intensivbetten fehlten.
"Nach der Alarmierung geht es darum, schnell ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen"
Die Bundeswehr handelte sofort. Bereits am 28. Januar traf ein Erkundungsteam des Sanitätsdienstes der Streitkräfte in Lissabon ein. „Wir haben eine hohe Rufbereitschaft. Nach der Alarmierung geht es darum, schnell per PC und Telefon ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen, Impfungen zu organisieren und für Ausrüstung und Material zu sorgen“, sagt Major Stefan Utzmeir aus dem oberbayerischen Aichach. Der Einsatzstabsoffizier ist für das 2. Kontingent zuständig, das den Einsatz ab dem 25. Februar übernahm. Kontingent 1 unter Leitung des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst landete am 3. Februar mit einem Airbus-Transporter in der portugiesischen Hauptstadt. Fünf Tage später wurde der erste Patient in einer zuvor verwaisten Covid-Intensivstation des Hospital da Luz behandelt. Die Kontingente bestehen aus je 26 Männern und Frauen – Ärzte, Hygieniker, Fachpfleger, Notfallsanitäter sowie Führungs- und Unterstützungskräfte, die den Einsatz koordinieren und logistisch absichern.
"Die Leute bedankten sich an der roten Ampel aus den Autos heraus oder fuhren rechts ran.“
Zu den Unterstützern zählt auch Jann Ködderitzsch: „Nach der Anfrage habe ich zehn Minuten mit meiner Frau telefoniert. Dann war klar – ich bin dabei“, sagt der Neu-Ulmer im Gespräch mit unserer Redaktion. Für Ködderitzsch, der bereits mit der Bundeswehr in Norwegen und Litauen war, hat sich die Entscheidung gelohnt. Er sammelte Erfahrungen und konnte helfen. Was nach der Landung und in den nächsten Tagen passierte, wird er nicht vergessen: „Das war die reine Dankbarkeit. Es gab ein ,Daumen hoch‘ von Passanten, die uns in unseren Uniformen auf der Straße sahen, die Leute bedankten sich an der roten Ampel aus den Autos heraus oder fuhren rechts ran.“
Auch ein Notfallsanitäter aus dem Landkreis Augsburg hilft in Portugal aus
Ködderitzsch ist zuständig für die Versorgung der Intensivstation mit acht Betten und Beatmungsgeräten, die fast durchgehend von schwer erkrankten Patienten belegt waren. Die Behandlung erstreckte sich oft über mehrere Wochen. Ganz nah an den Intensivmedizinern ist Klaus Rallo aus Emersacker im Landkreis Augsburg. Der Notfallsanitäter kümmert sich um die Patienten, reicht den Fachärzten Medikamente, dokumentiert Krankheitsverläufe. Auch Rallo ist berührt von der warmherzigen Dankbarkeit der Portugiesen: „Das war ein Gänsehautfeeling vom Flieger bis in die Klinik.“
Die Deutschen sind in einem Hotel mitten in Lissabon untergebracht. Die Sprachprobleme erwiesen sich als beherrschbar. Drei aus dem Team sprechen portugiesisch, viele einheimische Ärzte und Pfleger englisch. „Mir ist aufgefallen, dass die Portugiesen die strikten Vorgaben des Lockdowns sehr diszipliniert einhalten. Sie achten überall auf Abstand, auch in den Supermärkten“, hat Stefan Utzmeir beobachtet. Eine Reaktion auf die Explosion der Infektionszahlen nach Weihnachten. Die neue Vorsicht zahlt sich offensichtlich aus.
Das Ende des Einsatzes steht an: Portugal erreichte einen Inzidenzwert von 34
Jann Ködderitzsch ist bereits seit Tagen mit den Vorbereitungen für das Ende des Einsatzes ausgelastet. Am Freitag geht es zurück nach Deutschland. Früher als zunächst erwartet, denn Portugal scheint die Wende gelungen zu sein. Zuletzt ist der Inzidenzwert auf 34 gesunken.
Utzmeir ist erleichtert, dass sich keiner aus dem Team angesteckt hat. Das Netz aus Impfungen und PCR-Tests hat gehalten. Jetzt wartet eine 14-tägige Quarantäne auf die Rückkehrer. Der Einsatz der Bundeswehr dürfte einigen Portugiesen das Leben gerettet haben. Teile des medizinischen Gerätes, wie die in der Corona-Krise so wichtigen Beatmungsgeräte, bleiben in Lissabon. „Die Herausforderungen für das Team waren extrem. Ich bin mir sicher: Wenn am Freitag die Klappe des Airbus A400M zugeht und die Maschine abhebt, werden fast alle schnell einschlafen“, sagt Stefan Utzmeir.
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