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Corona-Impfung: Wie auf dem Basar: Österreichs Kanzler Kurz kritisiert Impfstoff-Verteilung

Corona-Impfung

Wie auf dem Basar: Österreichs Kanzler Kurz kritisiert Impfstoff-Verteilung

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    Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagt, bei der Impfstoff-Verteilung sei es zugegangen wie auf dem "Basar".
    Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagt, bei der Impfstoff-Verteilung sei es zugegangen wie auf dem "Basar". Foto: Hans Punz, dpa

    Die Brüsseler EU-Kommission wähnte sich schon im Wochenende, da sorgte am Freitag ein Auftritt des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz für neue Aufregung. Recherchen des Wiener Kanzleramtes hätten ergeben, dass es bei der Verteilung der Impfstoff-Dosen unter den 27 EU-Mitgliedstaaten zu erheblichen Ungleichgewichten gekommen sei.

    So werde Bulgarien derzeit stark benachteiligt, während beispielsweise Malta – bezogen auf die Bevölkerungszahl – bis Juni dreimal so viele Dosen bekomme wie Sofia. Im gleichen Zeitraum erhielten die Niederlande das Doppelte wie Kroatien. Zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und Pharmaunternehmen seien Nebenverhandlungen geführt worden. Offenbar, so Kurz weiter, habe es im sogenannten "Steering Board" eine Art "Basar" gegeben.

    Kurz fordert mehr Transparenz

    In dieser Steuerungsgruppe werden die Details der Lieferungen und ihre Aufteilung nach einem Schlüssel vereinbart. Wichtigstes Kriterium ist dabei die Bevölkerungsgröße. "Verträge dieses Gremiums sind geheim", sagte der österreichische Kanzler weiter und forderte volle Transparenz. Allerdings betonte er auch ausdrücklich, dass seine Äußerungen "nicht als Vorwurf an die EU" zu verstehen seien.

    Er bedankte sich sogar bei EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, "die die Idee der gemeinsamen Beschaffung hatten und das Ziel der gerechten Verteilung unterstützen". Wen Kurz nun konkret mit seinen Vorwürfen meinte, ließ er offen – mehr noch, er ergänzte, dass die Nachforschungen seines Amtes "kein Indiz" dafür ergeben hätten, "dass sich jemand nicht korrekt verhalten" habe. Warum also dieser Auftritt?

    Auf Nachfrage bestätigte eine Sprecherin der EU-Kommission eventuelle Abweichungen von der ursprünglich geplanten Aufteilung. Die EU-Staaten könnten sich im "Steering Board" für mehr oder weniger Impfstoffe entscheiden. "In diesem Zusammenhang ist ein neuer Verteilschlüssel möglich."

    Die EU-Länder haben die Entscheidung selbst in der Hand

    Hintergrund der vermeintlichen Enthüllungen ist demnach das vereinbarte Prozedere. Die EU-Kommission bestellt nämlich lediglich die Impfdosen und reicht die vom Hersteller bereitgestellten Kontingente an die Mitgliedstaaten weiter, die diese dann übernehmen und auch bezahlen müssen. So können EU-Länder bis zuletzt selbst entscheiden, ob sie von Lieferungen Abstand nehmen oder diese anders aufteilen möchten. Auch eine Rückstellung sei möglich.

    Der Impfstoff von Johnson & Johnson kann bald auch in der EU verimpft werden.
    Der Impfstoff von Johnson & Johnson kann bald auch in der EU verimpft werden. Foto: David Zalubowski, dpa

    Derzeit hätten jene Mitgliedstaaten Vorteile, die vorrangig auf Biontech gesetzt hatten, während diejenigen, die mit dem Vakzin von AstraZeneca gerechnet hatten, wegen des gekürzten Kontingents länger warten müssten. So haben beispielsweise Österreich und einige andere deutlich weniger Dosen des US-Herstellers Moderna angenommen, als sie hätten haben können. Der Grund: der späte Termin der zweiten Lieferung. Deutschland ist von den Verschiebungen nach Angaben aus Brüssel nicht betroffen. Berlin habe seinen Anteil von den bereitgestellten Lieferungen übernommen und wolle dies auch künftig tun.

    Die Nerven liegen mittlerweile blank

    In Brüssel wurde am Freitag der Auftritt des Wiener Kanzlers als ein weiteres Indiz dafür genannt, dass die Nerven bei den Staats- und Regierungschefs inzwischen offenliegen. Kurz habe, so hieß es, bei seiner Pressekonferenz einen Eklat enthüllt, der keiner sei. Vorausgesetzt man sei mit den Feinheiten des Bestell- und Verteilsystems für die Impfstoffe vertraut. Dieses habe die EU-Kommission schließlich unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten aufgebaut.

    Genutzt hat Kurz seine Attacke übrigens nicht einmal im eigenen Land. Die sozialdemokratische Opposition in Wien warf dem Bundeskanzler vor, er habe "auf unwürdige Art und Weise versucht, Sündenböcke für sein Versagen zu finden" und dabei aufgedeckt, dass Österreich "womöglich" selbst dringend benötigten Impfstoff ausgeschlagen habe.

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