Die Pandemie ist vorbei, Spuren hinterlässt Corona aber allerorts. Auch nach überstandener Covid-Erkrankung klagen in Deutschland noch etliche Menschen über Folgeschäden; sogenanntem Long Covid. Dagegen will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nun mit besserer Versorgung und mehr Forschung vorgehen. Denn noch ist kaum etwas über die Nachfolgeerkrankung bekannt. Das soll sich ändern. Schon jetzt liegt der wirtschaftliche Schaden durch Long-Covid-Ausfälle in Milliardenhöhe.
Noch gibt es kaum Behandlungsmethoden für Long Covid
Karl Lauterbach hat Long Covid den Kampf angesagt. Auch wenn die Zahl der Neuinfektionen seit Monaten kaum noch für Aufsehen sorgt, leiden nach wie vor viele Deutsche unter der Erkrankung. "Für Menschen mit Long Covid ist die Pandemie leider noch nicht beendet, sie leiden noch immer unter den Folgen, warten auf Forschungsergebnisse, Therapien, gute Versorgung", sagte Lauterbach im Zuge der Vorstellung der Initiative seines Gesundheitsministeriums. Belastbare Zahlen zu Erkrankten gibt es nicht, besonders weil Long Covid nur schwer diagnostiziert wird. In mehreren Studien wird aber von über einer Million Erkrankten in Deutschland ausgegangen.
Als Long Covid gelten Gesundheitsbeschwerden, die vier Wochen nach der akuten Krankheitsphase bestehen bleiben oder einsetzen. Dazu zählen körperliche, aber auch kognitive und psychische Symptome, die Menschen im Alltag einschränken. Unter welchen Beschwerden Menschen leiden, ist oft ganz unterschiedlich. Der ebenfalls häufig verwendete Begriff Post Covid bezieht sich auf Beschwerden, die zwölf Wochen nach der Krankheit noch auftreten und nicht mit anderen Erkrankungen erklärt werden können.
Zu Lauterbachs Plan, den er am Mittwoch in Berlin vorstellte, gehört eine Internetseite, die für Ärztinnen, Ärzte, Erkrankte und Arbeitgeber ein umfassendes Informationsangebot bereitstellen soll. Ab September soll ein Runder Tisch eingeführt werden, an dem sich Fachleute und von der Langzeiterkrankung Betroffene regelmäßig austauschen können. Außerdem werden ab 2024 40 Millionen Euro zur Versorgungsforschung bereitgestellt. Diese sollen dazu dienen, künftig mehr Behandlungsmöglichkeiten zu bieten. Bisher fehlt es bundesweit an Anlaufstellen, die Long Covid behandeln. Effektive Methoden gebe es bislang kaum, in der Fläche seien sie vielen Ärztinnen und Ärzten nicht bekannt, sagte Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité, die am 40-Millionen-Paket mitwirkte.
Experten brauchen mehr Geld für Long-Covid-Vorsorge
"Wir wollen zeigen, was sich im Umgang mit Long Covid bewährt hat und wie die Top-Kliniken dabei vorgehen", sagte Lauterbach. Der Minister zeigte sich mit der vorgestellten Initiative zufrieden. Bemerkenswert dabei: Noch zu Jahresbeginn sagte Lauterbach 100 Millionen Euro für den Kampf gegen Long Covid zu. Dass er dieses Versprechen nun bricht und lediglich 40 Prozent der Mittel für die Forschung zur Verfügung stellt, begründete der SPD-Minister mit den jüngsten Sparmaßnahmen, denen jedes Ministerium unterliege. Außerdem erhoffe er sich in den kommenden Jahren zusätzliche Forschungsgelder.
Scheibenbogen von der Charité betonte, dass es mehr Geld für die Long-Covid-Vorsorge brauche: "Die bisherigen Initiativen werden nicht reichen, gerade für die schwer Erkrankten." Auch Behandlungskapazitäten gebe es zu wenige, so müssten einige Betroffene bis zu einem halben Jahr auf einen Beratungstermin warten. Der ebenfalls an Lauterbachs Projekt beteiligte Direktor des Uniklinikums Marburg, Bernhard Schieffer, sagte, man wisse noch zu wenig über effektive Behandlungsmöglichkeiten: "Der Weg hat leider erst angefangen."
5,7 Milliarden Euro wirtschaftlicher Schaden durch Long Covid
Wie viele Menschen nach einer Infektion von Long Covid betroffen sind, ist nach wie vor nicht klar. Die Zahlen variieren von Studie zu Studie. Das RKI nennt Untersuchungen, die bei allen an Corona Erkrankten zwischen drei und 13 Prozent Häufigkeit von Long-Covid-Symptomen mit "funktionellen Einschränkungen im Alltag" beobachten. Besonders auf dem Arbeitsmarkt sorgen diese Erkrankungen schon jetzt für einen wirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe. "Die ökonomischen Auswirkungen von Post Covid sind desaströs", sagte auch Klinikchef Schieffer. So geht etwa der Frankfurter Ökonom Afschin Gandjour allein für das Jahr 2021 in Deutschland von einem Verlust der Bruttowertschöpfung von 5,7 Milliarden Euro aus. 0,4 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden mittelfristig ganz oder teilweise ausfallen, so Gandjour.