Jen Psaki, die Sprecherin des amerikanischen Präsidenten, gibt sich kämpferisch: „Wir werden die Impfpflichten energisch verteidigen“, versichert sie regelmäßig, wenn es ein neues Urteil gibt. Und das passiert öfter. Seit die Regierungen in Washington und in vielen Bundesstaaten mit unterschiedlichen Verordnungen eine Immunisierung von Beschäftigten vorgeschrieben haben, ist vor den Gerichten wie auf der politischen Bühne der USA ein heftiger Glaubenskrieg ausgebrochen.
Jüngst erst konnten die Befürworter der Vakzin-Vorschrift einen wichtigen Punktsieg verbuchen: Der Supreme Court schmetterte eine Klage von New Yorker Pflegern und Ärzten gegen die rigide Impfpflicht des Bundesstaates für Beschäftigte des Gesundheitswesens ab. Das Urteil ist bemerkenswert, denn die Kläger hatten sich auf ihre religiöse Überzeugung berufen, die es verbiete, ein Serum zu nutzen, für dessen Entwicklung embryonale Stammzellen verwendet worden seien. Mit sechs zu drei Stimmen wies der von Ex-Präsident Donald Trump stramm nach rechts gerückte Supreme Court dieses Argument aber zurück: Angesichts des Ausmaßes der Pandemie habe der Bundesstaat seine Macht „vernünftig“ eingesetzt, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Ähnlich hatte das Gericht im Oktober schon für den Bundesstaat Maine entschieden.
Die Bevölkerung ist tief gespalten
Präsident Joe Biden muss nun hoffen, dass der Supreme Court seine nationalen Vorschriften ähnlich positiv beurteilt. Auf kurz oder lang werden sie nämlich dort landen, nachdem die bundesweiten Impfpflichten in niederen Gerichtsinstanzen mächtig unter Feuer geraten. So haben Richter in vier Bundesstaaten die Impfvorgabe für Firmen, die öffentliche Aufträge erhalten, vorerst gekippt. Auch der Versuch der staatlichen Krankenversicherung Medicare, die von ihr bezahlten Ärzte und Kliniken zu einem Impfmandat zu zwingen, wird rechtlich angefochten. Die staatliche Immunisierungspflicht für alle Bundesbediensteten ist zwar weiter gültig. Doch verzichtet die Regierung bislang auf Sanktionen, obwohl die Frist vor drei Wochen ablief.
Politisch besonders brisant ist die Verpflichtung aller privaten Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten, von ihrem Personal eine Impfung zu verlangen oder es wöchentlich zu testen. Diese von Biden im November erlassene Verordnung soll am 4. Januar in Kraft treten, liegt nach dem Urteil eines Berufungsgerichts aber auf Eis. Laut Umfragen unterstützt eine Mehrheit von 52 Prozent der Bevölkerung die Vorschrift, doch sind die Meinungen scharf polarisiert: Während 86 Prozent der Demokraten dafür sind, äußern sich 79 Prozent der Republikaner ablehnend. Dazu passt, dass der Senat mit knapper Mehrheit von 52 zu 48 Stimmen eine Aufhebung der Verordnung forderte, was aber folgenlos bleiben dürfte.
Die Air Force hat die ersten ungeimpften Soldaten entlassen
Die Unternehmen gehen mit der unklaren Rechtslage sehr unterschiedlich um. Während einige private Krankenhausbetreiber bereits verhängte Impfmandate inzwischen wieder aufgehoben haben, weil sich durch Kündigungen ihr Personalmangel dramatisch verschärfte, geht die Supermarktkette Kroger – mit immerhin fast einer halben Million Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber der USA – den umgekehrten Weg. Der Konzern hat soeben angekündigt, dass er ungeimpften Beschäftigten, die an Covid erkranken, die zweiwöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall streicht. Außerdem müssen Impfverweigerer einen monatlichen Zuschlag von 50 Dollar zu ihrer betrieblichen Krankenversicherung bezahlen.
Strenge Regeln herrschen auch beim US-Militär, das schon früh eine Impfpflicht eingeführt hat. Nach dem Auslaufen der Frist schon am 2. November hat die Air Force nun die ersten 27 ungeimpften Soldaten entlassen, weil sie eine Anordnung nicht befolgt hätten. Nach offiziellen Angaben haben inzwischen 97 Prozent der Angehörigen der amerikanischen Luftwaffe zumindest ihre erste Spritze erhalten.