Die Weltklimakonferenz in Dubai soll den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas besiegeln - doch nicht nur etliche Staaten, sondern auch Scharen von Lobbyisten stemmen sich dagegen.
Auf dem Treffen sind nach einer Datenanalyse von Aktivisten mindestens 2456 Vertreter der Kohle-, Öl- und Gasindustrie offiziell akkreditiert, vier Mal mehr als in Ägypten vergangenes Jahr. Das gab die Koalition "Kick Big Polluters Out" bekannt, die unter anderem von den Organisationen Global Witness, Transparency International, Greenpeace und dem Climate Action Network getragen wird. Ausgewertet wurden öffentlich zugängliche Daten des UN-Klimasekretariats UNFCCC.
Der Analyse zufolge haben die Lobbyisten mehr Zugangspässe erhalten als alle Delegationen der zehn durch die Erderwärmung verwundbarsten Staaten. Somalia, der Tschad, Niger, Guinea-Bissau, Mikronesien, Tonga, Eritrea sowie der Sudan, Liberia und die Solomonen stellen demnach zusammen lediglich 1509 Delegierte.
Aktivisten fordern Rauswurf von Lobbyisten
In Dubai sorgten die Zahlen für Empörung. Aktivistinnen und Aktivisten, darunter indigene Gruppen, hielten auf dem Gelände ein Plakat einer brennenden Erde in die Höhe. "Große Verschmutzer, es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen" (original: "Big Polluters, Time To Own Up!"), hieß es auf anderen Schildern.
Luisa Neubauer von Fridays for Future Deutschland kommentierte die Zahlen auf X, vormals Twitter, mit harten Worten: "2456 fucking Kohle-, Öl- und Gaslobbyisten bei der COP. Und das bittere: Es überrascht nicht mal mehr."
David Tong von Oil Change International prangerte an, dass die fossile Industrie und ihre Unterstützer in vielen Regierungen weiter Milliarden in klimaschädliche Geschäfte investierten - mit desaströsen Folgen für Mensch und Planet. Daher sei für ihn klar: "Lobbyisten für Kohle, Gas und Öl müssen rausgeworfen werden aus der COP28."
Lili Fuhr von der US-Organisation Center for International Environment Law kritisierte, die Hallen und Pavillons auf der Weltklimakonferenz würden von den Lobbyisten geflutet. "Sie versuchen, die Konferenz in ein Festival der falschen Lösungen zu verwandeln."
Viermal so viele Lobbyisten wie zuvor
Insgesamt hat die UN nach eigenen Angaben für das zweiwöchige Treffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Rekordzahl von rund 97.000 Teilnehmern registriert. Laut der Analyse waren im vergangenen Jahr in Scharm-el-Scheich 636 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas unterwegs, 2021 in Glasgow 503.
Gezählt wurden für die Auswertung nur Delegierte, die ihre Verbindungen zu Interessen im Bereich der fossilen Brennstoffe offenlegen. Zum Abgleich stützten sich die Autoren ausschließlich auf öffentliche Quellen wie Unternehmenswebsites, Medienberichte oder Datenbanken wie InfluenceMap.
Nicht alle überrascht
Der deutsche Klimaforscher Ottmar Edenhofer ist vom Einfluss der Lobby nicht überrascht. Der Großteil der Reserven an Kohle, Öl und Gas müsse künftig im Boden bleiben, "was ja im Kern bedeutet, dass die Vermögen von Öl, Kohle und Gas entwertet werden", sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung der Deutschen Presse-Agentur. "Dass das nicht einfach so hingenommen wird, sondern dass die dann versuchen, sich dagegen zu wehren - damit musste man rechnen."
Der deutsche Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth sagte mit Blick auf den Ausstieg aus den Fossilen, auf der COP28 seien "viele unterwegs, denen das nicht richtig passt". Es gebe heftige Debatten, doch sei dies "das letzte Aufflackern der fossilen Welt". Unter anderem hatte Anfang der Woche der Ölstaat Saudi-Arabien öffentlich Widerstand bekundet.
Zur Zahl der Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas sagte Flasbarth: "Ich bin da ganz entspannt." Er habe nie wahrgenommen, dass auf Lobbyisten bei den Klimakonferenzen eins zu eins gehört werde. Und auch die Umwelt-NGOs hätten großen Einfluss. "Insofern ist es richtig, dass wir die Türen dieser Klimakonferenzen seit jeher immer offen gehalten haben. Und dann werden sich die Argumente schon richten - da bin ich mir ganz sicher."
In der deutschen Delegation sind nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt keine Vertreter der fossilen Industrie dabei. Frankreich hat der Mitteilung zufolge dagegen Vertreter der Konzerne TotalEnergies und EDF als Teil der Delegation akkreditiert, ebenso handhabt es demnach Italien mit ENI. Und die Europäische Union habe Angestellte von BP, ENI and ExxonMobil dabei.
Fossiler Vertreter an der Spitze
Der Präsident der Konferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Sultan Al-Dschaber, betonte zuletzt mehrfach, er stehe hinter dem Ziel, sich auf den weltweiten Abschied von den fossilen Energien zu einigen. Gleichzeitig steht er aber weiter dem staatlichen Ölkonzern vor. Der Adnoc-Konzern plant nach eigenen Angaben, seine Ölförderung bis 2030 um 25 Prozent zu erhöhen.
"Der COP-Präsident hat keine Vision von einer Zukunft ohne fossile Energien", hieß es von den Nichtregierungsorganisationen Urgewald, Lingo, Reclaim Finance und Banktrack zu den Ausbauplänen. Dass ein Öl-Boss der COP28 vorsitze, bleibe schockierend.
Der Ausstieg aus allen fossilen Energien, deren Verbrennung klimaschädliche Treibhausgase freisetzt, ist der zentrale Streitpunkt auf dem UN-Treffen. In einem neuen Entwurf für das Abschlussdokument ist diese Option zwar enthalten, aber als umstritten markiert. Der Text muss einstimmig angenommen werden. Geplantes Ende der Verhandlungen ist der 12. Dezember.
(Von Torsten Holtz und Larissa Schwedes, dpa)