Es war im Vorhinein klar, dass die 2592 Abgeordneten Xi Jinping mit einem "kommunistischen" Wahlergebnis zur dritten Amtszeit krönen werden. Dass er jedoch eine 100-prozentige Zustimmung ohne eine einzige Enthaltung bekommen würde, war dann doch ein überraschendes Signal. Xi hält sämtliche drei wichtigen Titel, wobei das Präsidentenamt vor allem symbolischer Natur ist. Wirklich entscheidend ist, dass Xi die Partei und das Militär anführt.
Chinas Staatschef bricht mit alten Beschränkungen der Macht
Seine Wiederwahl legt auch offen, wie atemberaubend rasant Xi das Land umgestaltet hat. Längst mutet der Gedanke, dass Chinas mächtiger Staatschef sein Amt für einen Nachfolger räumen könnte, fast unvorstellbar an. Dabei war jahrzehntelang das Gegenteil der Fall: Dass ein Machthaber nach einer dritten Amtszeit greift, schien ausgeschlossen. Die Verfassung machte es klar: Nach maximal zehn Jahren – zwei Amtszeiten – muss der Rückzug folgen.
Denn nachdem der alternde, zunehmend vom Personenkult umnebelte Staatsgründer Mao Tsetung das Land in politisches Chaos und wirtschaftliche Hungersnot stürzte, wollte sein Nachfolger Deng Xiaoping eine Wiederholung der Geschichte unmöglich machen. Die Führung der kommunistischen Partei legte fortan eine Begrenzung der Amtszeit fest, an die sich sämtliche Parteivorsitzende bislang hielten. Erst Xi Jinping hat das Gesetz wieder entfernen lassen – und sich potenziell als Machthaber auf Lebenszeit positioniert.
Fürchtet Xi Jinping eine wachsende Zahl an Feinden?
Einige Experten vermuten, das liege auch daran, dass Xi sich mit seiner flächendeckenden Anti-Korruptionskampagne unzählige Feinde innerhalb der politischen und unternehmerischen Elite gemacht habe und ihm deshalb vielleicht kein friedlicher Ruhestand gegönnt sein würde. Doch viele westliche Diplomaten halten ein anderes Motiv für wahrscheinlicher: Xi, der von der historischen Vision eines erstarkten China getrieben ist, möchte eine "Wiedervereinigung" mit dem demokratischen Inselstaat Taiwan noch zu Lebzeiten vollziehen.
Was die Bevölkerung von seiner dritten Amtszeit hält, ist eine Frage, deren offene Debatte die Parteiführung nicht duldet. Wer den Präsidenten in der Öffentlichkeit grundsätzlich infrage stellt, wird von der Polizei verhaftet.
Für die nächsten fünf Jahre Xi Jinping muss sich insbesondere der Westen weiterhin auf eine harsche Rhetorik einstellen. Innenpolitisch wird das Klima der ideologischen Kontrolle anhalten. So wird der Einfluss der Kommunistischen Partei in sämtlichen Bereichen weiter zunehmen. Vor allem aber agiert die nach leninistischem Vorbild gestaltete KP vollständig hinter verschlossenen Türen: Sie erklärt sich nicht, legt keine Rechenschaft ab und agiert ausschließlich nach Eigeninteressen. Gerade für Investoren, die Planbarkeit und Zuverlässigkeit benötigen, sind das keine guten Voraussetzungen.
Neuer Premierminister Li Qiang holte Tesla ins Land
Inmitten dieses politischen Klimas wird der am Samstag gewählte Premierminister versuchen müssen, die Volkswirtschaft nach zweieinhalb Jahren "Null Covid" wieder auf den alten Wachstumskurs zu bringen. Es steht bereits praktisch fest, dass Li Qiang den Posten als neue "Nummer 2" bekommen wird. Wie sämtliche Männer des Führungsteams ist auch der 63-Jährige ein enger Vertrauter Xi Jinpings.
Als Parteisekretär von Shanghai holte er Tesla in die Finanzmetropole und gilt unter vielen Unternehmern als pragmatisch sowie bodenständig. Doch gleichzeitig setzte Li Qiang einen radikalen, zweimonatigen Corona-Lockdown durch, der die wohlhabendste Stadt des Landes schwer traumatisierte und die Wirtschaft zum Erliegen brachte. Mutmaßlich führte Li damals "nur" die Order aus, die ihn aus Peking ereilte – und wurde nun für seine Loyalität befördert.