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China-Strategie: Im Dilemma: Wie sich die Regierung den Umgang mit China vorstellt

China-Strategie

Im Dilemma: Wie sich die Regierung den Umgang mit China vorstellt

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    Anfang November in Peking: Xi Jinping empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Osthalle der Großen Halle des Volkes.
    Anfang November in Peking: Xi Jinping empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Osthalle der Großen Halle des Volkes. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es war ein bemerkenswerter, öffentlich wenig beachteter Satz des chinesischen Präsidenten. Ein Satz, über den die Bundesregierung verschämt hinwegging. Vor dem Besuch von Kanzler Olaf Scholz in Peking erinnerte Xi Jinping an 2017, Scholz war da Erster Hamburger Bürgermeister. „Bereits damals haben Sie ein deutliches Signal gesendet“, erklärte Xi nun. „Sie unterstützen Hamburg ja dabei, die Seidenstraßeninitiative gemeinsam mit uns umzusetzen“, fügte der Präsident hinzu. Die Äußerung saß. Der Alleinherrscher lieferte damit eine mögliche Begründung, warum sich Scholz vorher so vehement für eine Beteiligung der Chinesen am Hamburger Hafen eingesetzt hatte. Der SPD-Politiker stand offenbar schon lange bei Peking im Wort, womöglich auch bei der Hamburger Hafenindustrie. 

    Xis Äußerung steht beispielhaft für das deutsche und europäische Dilemma beim Umgang mit dem chinesischen Drachen. Der Westen möchte ihm gerne die Flügel stutzen, damit er nicht gar zu mächtig wird. Einen Absturz können Deutschland und viele andere Länder aber auch nicht riskieren, denn das würde die ohnehin angeschlagene Wirtschaft angesichts der vielschichtigen Handelsbeziehungen dem Ruin nahebringen. 

    Minister Robert Habeck will die Wirtschaft in China an die Kette legen

    Vor diesem Hintergrund sind auch die gerade bekannt gewordenen Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck einzuordnen, für deutsche Konzerne im China-Geschäft strengere Auflagen einzuführen. Der Grünen-Politiker will unter anderem die staatliche Unterstützung der Wirtschaft etwa bei Hermes-Bürgschaften eindampfen. Gleichzeitig sollen die Berichtspflichten verschärft werden. Große Unternehmen müssen jetzt schon unter anderem zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen sowie zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung berichten. Die Ampel arbeitet gerade an einer neuen China-Strategie, das Papier des grünen Wirtschaftsministers ist, wie aus Regierungskreisen verlautet, als Debattenbeitrag gedacht.

    Robert Habeck hat bereits einen neuen China-Kurs eingeleitet.
    Robert Habeck hat bereits einen neuen China-Kurs eingeleitet. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Würde sich Habecks Ansatz durchsetzen, wäre das ein Paradigmenwechsel in der deutschen China-Politik. Angela Merkel (CDU) reiste in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft sehr oft nach Peking und warb für gemeinsamen Handel. Die CDU-Politikerin setzte sich über die Mahner hinweg, zu denen unter anderem Friedrich Merz gehörte, der damals noch beim Investmentkonzern Blackrock beschäftigt war. Er plädierte schon 2017 vorausschauend dafür, chinesische Übernahmen in Deutschland kritischer zu bewerten. Das Gegenteil passierte. Bundesländer wie Baden-Württemberg und Bayern haben ihre Ausfuhren ins Reich der Mitte in den letzten Jahren stetig erhöht und nähern sich jeweils der 20-Miliarden-Euro-Grenze. In Brandenburg eröffnen die Chinesen eine Firma nach der anderen, oft in strategisch wichtigen Industriezweigen. Das Unternehmen Botree Cycling etwa plant den Bau einer Recyclinganlage für E-Auto-Batterien im brandenburgischen Gube. Die Vertragsunterzeichnung verlief ohne das Getöse wie beim Hamburger Hafen – der Osten ist auf Investitionen und Arbeitsplätze dringend angewiesen. 

    Unionsvize Johann Wadephul kritisiert Fehler von Scholz im Umgang mit China

    Das Problem ist offensichtlich: Deutschland hängt immer mehr am Tropf der Chinesen. Die Regierung will deshalb die „Verringerung übermäßiger wirtschaftlicher Abhängigkeiten“ betreiben, wie es in der Antwort auf eine Anfrage der Unions-Bundestagsfraktion heißt. Jedoch kann sie für die Veröffentlichung der China-Strategie weder einen konkreten Zeitpunkt noch sonst irgendwelche Fortschritte vermelden. Dabei wurde das Projekt bereits vor einem Jahr im Koalitionsvertrag vereinbart. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) kritisierte, es sei verheerend, "dass die Regierung Scholz hier nicht zu einem gemeinsamen, abgestimmten Ansatz" komme, handele es sich doch beim Umgang mit China um "die zentrale Herausforderung für Deutschland und Europa im kommenden Jahrzehnt". Wadephul erkennt einerseits an, dass Auswärtiges Amt und Wirtschaftsministerium die Zeichen der Zeit erkannt hätten und die klare Notwendigkeit für eine Rejustierung der China-Politik sähen. "Dass diese Ressorts allerdings mit parallelen Konzepten unabgestimmt auf den Markt kommen, ist ein weiterer Beleg für die Führungslosigkeit in der Ampel.", kritisierte der CDU-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion. 

    Auf EU-Ebene sieht es nicht besser aus. Der nächste EU-China-Gipfel ist noch nicht terminiert. Für die Umsetzung der Initiative „Global Gateway“, vor einem Jahr als Gegenstück zur neuen Seidenstraße mit viel Tamtam in Brüssel angekündigt, fehlt das Geld. Die EU-China-Beziehungen basieren auf einem Papier, das im März vier Jahre alt wird. Der erste Satz lautet: „Die Europäische Union (EU) und China sind durch dauerhafte Beziehungen miteinander verbunden.“ Erst danach heißt es: „Allerdings wächst in Europa das Bewusstsein, dass sich das Gleichgewicht der durch China geschaffenen Herausforderungen und Chancen verschoben hat.“

    USA setzen auf Protektionismus - das macht Deutschland abhängiger von China

    Wadephul sagte mit Blick auf die China-Reise von Kanzler Scholz Anfang November, der Besuch habe in den Hauptstädten Europas ebenso wie in Washington für Stirnrunzeln gesorgt. "Nicht, weil er mit Xi Jinping spricht – das ist grundsätzlich ok. Sondern, weil er weder mit einer abgestimmten EU-Politik im Rücken angetreten ist, noch greifbare Ergebnisse mit nach Hause gebracht hat." Es sei höchste Zeit, dass sich die Regierung "intern auf einen kohärenten und durchhaltbaren Umgang mit China verständigt, der der Herausforderung gerecht wird und zugleich eindeutige Signale an unsere Wirtschaft sendet", forderte der Fraktionsvize. Diese Strategie müsse in Europa abgestimmt und mit Washington besprochen werden. "Nur so wird sie Schlagkraft entwickeln und nachhaltig sein.“

    Die Zeit drängt nicht nur wegen der Gefahr eines Angriffs der Chinesen auf Taiwan. Für diesen Fall müsste die EU ähnlich wie beim russischen Einmarsch in die Ukraine mit Sanktionen reagieren. Sie ist auf dieses Szenario aber überhaupt nicht vorbereitet. Gleichzeitig bedrohen die USA den Handelsfrieden in Europa. US-Präsident Joe Biden will sein Land mit dem rund 750 Milliarden US-Dollar umfassenden Inflationsbekämpfungsgesetz (Inflation Reduction Act) unabhängiger machen. Es kommt dem „America First“-Protektionismus seines Vorgängers Donald Trump sehr nahe und könnte US-Investitionen in Deutschland verhindern. Die Industrie hierzulande müsste sich in der Folge noch stärker dem Geschäft mit China zuwenden, um Verluste auszugleichen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war gerade in Washington, um für Europa Verbesserungen auszuhandeln. Das Weiße Haus ließ ihn böse abblitzen. 

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