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China: Nach den Protesten lockert Peking seine Corona-Politik

China

Nach den Protesten lockert Peking seine Corona-Politik

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    Die rigorosen Corona-Maßnahmen der Behörden hatten zu Protesten in mehreren Millionenmetropolen in China geführt. Nun soll es erste Erleichterungen geben.
    Die rigorosen Corona-Maßnahmen der Behörden hatten zu Protesten in mehreren Millionenmetropolen in China geführt. Nun soll es erste Erleichterungen geben. Foto: Ng Han Guan, dpa

    Es ist nur ein leeres Blatt Papier, das sich die jungen Pekinger vor die Brust halten, doch die unbeschriebene Botschaft versteht jeder der Anwesenden sofort. „Wir wollen Freiheit, wir wollen Menschenrechte!“ schreit die Menge, die sich am Liangma-Fluss versammelt hat. Viele der Demonstranten haben nach Mitternacht ihre Maske abgenommen, die Furcht vor den Überwachungskameras und anwesenden Zivilpolizisten ist der Wut gewichen. Die Staatsmacht bleibt auf Distanz, schreitet nicht ein. Noch nicht. Inzwischen sind einige Tage vergangen, und die Proteste in China haben sich verändert

    Überall patrouillieren Polizisten, an den Straßenkreuzungen stehen Beamte in Zivil. Selbst aus der Ferne sind sie leicht zu erkennen - an ihren weißen N95-Corona-Masken, die die Regierung an ihre Bediensteten ausgegeben hat. Und so bleiben die ersten politischen Proteste in der chinesischen Hauptstadt seit den 1990er Jahren nur ein kurz aufflackerndes Schlaglicht. Und doch haben sie jenen kritischen Stimmen Gehör verschafft, die unter Staatschef Xi Jinping bislang stumm blieben. 

    China setzt die Überwachung seiner Bürger fort

    Viele der Demonstranten werden ihren Mut mit einem hohen Preis bezahlen müssen: Auch heute, eine Woche nach Beginn der Proteste, setzt der chinesische Sicherheitsapparat seine Einschüchterungskampagne fort. Der Staat nutzt dafür ausgerechnet jene digitalen Überwachungsmethoden, die er während der Pandemie eingeführt hat – nur, um diesmal keine Corona-Infizierten auszuforschen, sondern unliebsame Kritiker. 

    Ausgelöst wurde die Protestbewegung, die sich in dutzenden Städten im ganzen Land zusammengefunden hatte, durch einen Wohnungsbrand im nordwestchinesischen Ürümqi. Mindestens zehn Menschen waren dort ums Leben gekommen. Vieles deutet daraufhin, dass sie zum Opfer der strikten Lockdowns wurden: Auf sozialen Medien berichten Anwohner, dass Notausgänge verriegelt waren und sich die Rettungskräfte quälend lange durch Metallzäune und Straßensperren kämpfen mussten. Über 100 Tage befand sich die Stadt zu diesem Zeitpunkt bereits im Corona-Lockdown. 

    So streng sind Chinas Corona-Regeln

    Wenige Stunden nach dem Unglück durchbrachen die Menschen erstmals die Fesseln der oppressiven Null-Covid-Politik. Zunächst zogen die Bewohner Ürümqis zu einem Trauermarsch auf die Straße, später folgten die Studierenden an den Universitäten. Auch sie waren immer wieder unter dem Vorwand des Corona-Schutzes für Monate auf ihrem Campus eingesperrt – abgeschnitten vom öffentlichen Leben. 

    Für Außenstehende sind die Corona-Maßnahmen in China nur schwer vorstellbar: In sämtlichen Städten müssen die Bewohner alle 72 Stunden zum PCR-Test anstehen, um überhaupt in einen Supermarkt gelassen zu werden. Selbst der Gang ins Büro wird per „Gesundheitscode“ am Smartphone digital registriert. Und selbst in den eigenen vier Wänden ist der Alltag von einer tiefen Ungewissheit geprägt: Jederzeit können die Seuchenschutzmitarbeiter in ihren Ganzkörperanzügen vor der Wohnanlage stehen und die Türen verriegeln. Für einen mehrtägigen Lockdown reicht bereits ein Corona-Fall in der gesamten Nachbarschaft aus. 

    Demonstranten wollen Freiheit

    Doch den jungen Demonstranten ging es stets um mehr als um eine Änderung der Pandemie-Politik. Sie wollten auch eine Öffnung der Gesellschaft: mehr Meinungsfreiheit, weniger Gängelung durch die Partei. In Shanghai schrie die Menge: „Nieder mit der Partei, nieder mit Xi Jinping!“ Und das in einem Land, in dem die Bewohnerinnen und Bewohner den Namen ihres Staatschefs meist nur im Flüsterton auszusprechen wagen. 

    Die Staatsführung wurde das erste Mal seit Jahren herausgefordert. Sie antwortete mit Einschüchterung und Verhaftungen. „Wir müssen hart gegen Infiltration und Sabotage feindlicher Kräfte durchgreifen“, hieß es in einer ersten Stellungnahme der Partei. Sie liest sich wie eine Warnung, die für viele zur traurigen Wirklichkeit wird: Polizisten hielten in Shanghais U-Bahnen und Straßenzügen gezielt nach jungen Menschen Ausschau, filzten ihre Smartphones, löschten kritische Aufnahmen und ausländische Apps. 

    Tatsächlich aber haben die Proteste sehr wohl dazu geführt, dass die Regierung ihre Null-Covid-Politik inzwischen gelockert hat. Am Mittwoch sprach Chinas Vize-Premierministerin Sun Chunlan, von vielen als „Lockdown-Lady“ verschrien, von einer „neuen Phase“ der Pandemie: „Da die Omikron-Variante weniger krankmachend geworden ist, mehr Menschen geimpft werden und wir mehr Erfahrungen in der Covid-Prävention gesammelt haben, befindet sich unser Kampf gegen die Pandemie in einem neuen Stadium und bringt neue Aufgaben mit sich“, sagte die 72-Jährige. 

    Schulen in China werden wieder geöffnet

    Erste Städte begannen nur Stunden später mit den ersten Öffnungen: In Guangzhou wurden die Schulen wieder aufgeschlossen, die stadtweiten Massentests ausgesetzt und die meisten Lockdowns aufgehoben. Auch die Provinzhauptstädte Zhengzhou und Chongqing zogen mit Lockerungen nach. Und selbst in Peking, dem politischen Machtzentrum des Landes, dürfen sich seit Freitag Infizierte erstmals eigenständig in den eigenen vier Wänden isolieren. 

    Für viele Chinesen dürfte die schrittweise Rückkehr zur Normalität den angestauten Frust dämpfen. Doch zumindest im Ausland wird der Geist der Proteste von Shanghai und Peking weitergetragen. In Hongdae, dem Studentenviertel der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, waren am Mittwoch dutzende Chinesen zusammengekommen, um ihre Solidarität mit den Protesten in der Heimat zu bekunden. Auch sie trugen leere DinA4-Blätter. 

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