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China: Kliniken laufen über: Corona-Tsunami fegt durch das Reich der Mitte

China

Kliniken laufen über: Corona-Tsunami fegt durch das Reich der Mitte

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    Leichenwagen stehen Schlange, die Pekinger Krematorien laufen Hochbetrieb: Doch die Corona-Toten will die Regierung in den Statistiken nicht sehen.
    Leichenwagen stehen Schlange, die Pekinger Krematorien laufen Hochbetrieb: Doch die Corona-Toten will die Regierung in den Statistiken nicht sehen. Foto: Andy Wong, dpa

    In Chinas Hauptstadt bilden Leid und Normalität ein surreales Nebeneinander. In den Pekinger Sportbars sitzen die Feierwütigen wieder bis tief in die Nacht vor Fassbier und Tequila-Shots. Gleichzeitig reihen sich die Leichenwagen vor den Bestattungsinstituten zu langen Trauerschlangen. Aus den Krematorien steigt der Rauch der Verbrannten rund um die Uhr in den bitterkalten Dezemberhimmel. In nur wenigen Wochen hat das bevölkerungsreichste Land der Welt eine pandemische Kehrtwende hingelegt, die extremer nicht sein könnte: von einer drakonischen „Null Covid“-Paranoia hin zur schnellstmöglichen Durchseuchung der Bevölkerung. Das Virus, das einst als tödliche Gefahr gebrandmarkt wurde, ist nun in den Staatsmedien nichts mehr als eine gewöhnliche Grippe. 

    Ausgerechnet die Hauptstadt wurde als erste von Chinas flächendeckender Omikron-Welle getroffen. In Peking ließ sich beobachten, wie Kliniken überflutet wurden, sich das Krankenhauspersonal zuhauf infizierte und Fieber-Medikamente auf dem Schwarzmarkt gehandelt wurden. Nun kehrt das öffentliche Leben allmählich wieder zurück: Tag für Tag bevölkert die wachsende Anzahl an Genesenen nun wieder die Restaurants, Shopping-Malls und U-Bahnen. 

    Allmählich kehrt in den Alltag wieder Normalität ein: Rush Hour in einer Pekinger U-Bahn-Station.
    Allmählich kehrt in den Alltag wieder Normalität ein: Rush Hour in einer Pekinger U-Bahn-Station. Foto: kyodo, dpa

    Auch wenn die Normalität zumindest am Horizont sichtbar wird – die mentalen Narben, die zweieinhalb Jahre „Null Covid“ hinterlassen haben, bleiben. Nicht wenige Chinesen fühlen sich mit ihrem Schmerz alleingelassen, dass sie die vom Staat erzwungenen Opfer umsonst erbracht haben: Monatelang waren Millionen Menschen in ihren Wohnungen eingesperrt, haben ihre Arbeit verloren und konnten ihre Familienmitglieder nicht besuchen – nur, um scheinbar willkürlich von einem Tag auf den anderen erzählt zu bekommen, dass das „gefährliche Virus“ nun doch wie eine „gewöhnliche Grippe“ sei. Es ist kein Zufall, dass der derzeit meist geteilte Artikel auf der Online-Plattform „Weibo“ die psychische Verfassung der Chinesen unter die Lupe nimmt. Darin heißt es, dass es noch bis zu 20 Jahren dauern wird, ehe sich die Bevölkerung von Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischen Belastungsstörungen erholen könne.

    Corona in China: Derzeit liegen die meisten Bewohner mit Fieber im Bett

    Die Regierung ist den 1,4 Milliarden Chinesinnen und Chinesen Antworten schuldig. Doch sie entschuldigt sich weder für ihre hastige Kehrtwende noch liefert sie eine schlüssige Erklärung ab. Das Volk muss stillschweigend akzeptieren und folgen. 

    Nun sind die Sorgen andere: Dass das Gesundheitssystem vom grassierenden Corona-Tsunami ausgeknockt wird. In Shanghai haben die Behörden die Schulen angewiesen, auf Online-Unterricht auszuweichen. Denn die Wirtschaftsmetropole steht gerade auf dem Höhepunkt des rasanten Infektionsausbruchs: Derzeit liegen die meisten Bewohner mit Fieber im Bett, die idyllischen Gassen der einstigen französischen Konzession muten wie eine Geisterstadt an. 

    Der wahre Stresstest aber wird in den Hinterlandprovinzen erfolgen: Dort, wo das Gesundheitssystem schwach entwickelt und das nächste moderne Krankenhaus oft mehrere Autostunden entfernt ist. 

    Die Menschen sollen auch infiziert zur Arbeit gehen

    Doch es scheint, als habe sich die Regierung für das Motto „kurz, aber heftig“ entschieden. Gesundheitsexperte Yanzhong Huang vom New Yorker „Council on Foreign Relations" erkennt eine „neue Strategie“: Anstatt die Infektionskurve flach zu halten, geht es offenbar nun um eine schnellstmögliche Infizierung der Bevölkerung, um die ersehnte Herdenimmunität zu erreichen. Tatsächlich fordern mehrere Lokalregierungen die Menschen bereits auf, trotz milder Covid-Symptome weiter zur Arbeit zu erscheinen. Die Parteizeitung Global Times schrieb euphemistisch von einer „besseren Balance zwischen epidemischer Vorbeugung und sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung“. 

    Eine Million Tote, die nie gezählt werden?

    Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits klargestellt, dass das globale Ende der Pandemie in weite Ferne gerückt ist. „Die Frage ist, ob man es tatsächlich post-pandemisch nennen kann, wenn ein so bedeutender Teil der Welt tatsächlich gerade in seine zweite Welle eintritt“, sagte die niederländische Virologin Marion Koopmans der Nachrichtenagentur Reuters. Niemand könne einschätzen, welche Überraschung die Durchseuchung von 1,4 Milliarden Menschen bereithalten werde. Im schlimmsten Fall, davon ist auszugehen, sind in China nach der Omikron-Welle über eine Million Tote zu beklagen.

    Der Wille der Regierung ist schon klar: In Statistiken sollen diese möglichst nicht auftauchen. Die Behörden haben die Kriterien geändert, wonach ein „Covid-Tod“ nur dann festzustellen ist, wenn tatsächlich das Virus den finalen Tod ausgelöst hat. So kommt es zu absurden Zahlen, die allabendlich in den TV-Nachrichten verlesen werden: Am Mittwoch vermeldete die Gesundheitskommission offiziell nur etwas mehr als 3000 Infektionen und keine weiteren Corona-Toten. 

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