Es war der Start in den ersten voll digitalen Parteitag der CDU-Geschichte und Kanzlerin Angela Merkel hatte sich akribisch darauf vorbereitet. Die unterschiedlichen Tutorials, die im Rahmen der Probeläufe angeboten wurden, habe die Kanzlerin alle durchgearbeitet, lobte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak im Vorfeld der zweitägigen Veranstaltung, die am Freitagabend begann. Merkel selber zeigte sich in einem Grußwort sehr beeindruckt angesichts des immensen technischen Aufwands, mit dem dieser 33. Bundesparteitag gestemmt wurde. Möglicherweise war die Ex-Parteichefin Merkel, die ja noch Mitte 2013 das Internet als „Neuland“ bezeichnet hatte, so beeindruckt von den Bits und Bytes um sie herum, dass sie den völlig Dank an ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer vergaß.
Stattdessen schwelgte die ehemalige CDU-Vorsitzende vor allem in Erinnerungen. „Es ist der 14. Parteitag, an dem ich als Bundeskanzlerin teilnehme. Und es ist, zumindest was Wahlparteitage angeht, aller Voraussicht nach auch mein letzter Parteitag als Bundeskanzlerin“, sagte Merkel, die dem digitalen Parteitag per Livestream zugeschaltet wurde. Merkel-Fans sollten das jetzt allerdings nicht als Hinweis verstehen, dass die Kanzlerin entgegen aller Beteuerungen nach der Bundestagswahl am 26. September doch noch weitermacht. Die Regierungschefin spielte vielmehr darauf an, dass es in der Zwischenzeit noch außerplanmäßige Parteitage geben könnte.
Merkel auf CDU-Parteitag: 2005 war die Welt eine völlig andere
Sie habe versucht, sich ins Jahr 2005 zurückzuversetzen, als sie Kanzlerin geworden sei, fuhr Merkel fort. Seit damals habe sich „die Welt, das darf man sagen, doch sehr wesentlich geändert“. Es habe damals noch keine Smartphones gegeben und Nokia sei Marktführer für Mobiltelefone gewesen, erinnerte die 66-Jährige an eine Zeit, die der Tech-Generation von heute wie die Steinzeit vorkommen muss. Der Handy-Hersteller Nokia hatte damals Geräte wie das E61 am Start, die zwar schon ein Farb-Display, aber nicht zwingend GPS an Bord hatten. Die Speicherkapazität betrug 64 MB, heutige Geräte haben ein Vielfaches davon an Speicherplatz.
„Soziale Netzwerke und soziale Medien waren eine Randerscheinung“, folgerte Merkel, die auch noch auf andere gravierende Unterschiede zu heute hinwies. So sei Chinas Volkswirtschaft damals kleiner als die von Deutschland gewesen. „Heute ist sie fast vier Mal größer.“ Deutschland habe damals fast fünf Millionen Arbeitslose gehabt, es habe noch kein Elterngeld, keinen Mindestlohn und keinen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gegeben.
CDU-Parteitag: Warum erwähnt Merkel AKK nicht?
Merkel lobte, der Veranstaltung durchaus angemessen, den Anteil von CDU und CSU an diesen Fortschritten und auch die Beteiligung der Union am Kampf gegen Herausforderungen wie die Finanz- oder die Corona-Krise. Ihre Partei habe Herausforderungen nie gescheut, sagte sie. Die Kanzlerin nannte in diesem Zusammenhang zwar namentlich die Parteichefs (und Kanzler) Konrad Adenauer und Helmut Kohl, vergaß aber völlig die noch amtierende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer zu erwähnen. Die war zwar gerade vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und anderen CDU-Mitgliedern über den grünen Klee gelobt worden – Merkel erwähnte sie aber mit keiner Silbe.
Beobachter konnten über die Gründe nur mutmaßen. Entweder hatte Merkel nicht vor, AKK zu erwähnen. Das wäre denkbar. Schließlich hatte die Kanzlerin versucht, die Saarländerin als ihre Nachfolgerin aufzubauen und wurde dann um so mehr im Februar 2020 von deren Rücktrittsankündigung überrascht. Aber so wirklich überzeugend ist der Gedanke nicht, denn Merkel hatte AKKs Entscheidung damals „mit allergrößtem Respekt“ zur Kenntnis genommen und sich danach nie schlecht über ihre Nachfolgerin geäußert.
Eher wahrscheinlich scheint, dass Merkel den Dank schlichtweg vergessen hat. Vielleicht hatte sie in ihrem Redemanuskript eine Seite ausgelassen. Womöglich lag es aber auch daran, dass sie und Kramp-Karrenbauer nicht in einem Raum waren. Ein AKK-Hologramm in Merkels Büro hätte vielleicht Abhilfe geschaffen. Aber soweit ist die CDU technisch dann doch noch nicht. Vielleicht ist sie es beim nächsten Parteitag. Oder beim übernächsten. Denn, das vergaß Merkel nicht zu erwähnen: „Die Welt wird sich in den kommenden 15 Jahren noch schneller wandeln, als wir das in den letzten 15 Jahren gesehen haben.“
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