Als der Oberbürgermeister der niedersächsischen Landeshauptstadt das Podium des 35. CDU-Parteitags betrifft, bekommen die Delegierten in der Messe Hannover schon mal einen Vorgeschmack auf das, was sie in den Debatten noch erwartet. Hannover habe, sagt Belit Onay, in der Verwaltung das Gendersternchen eingeführt.
Ein Raunen geh durch den Saal – Gendern ist offenbar nicht das, was ein CDU-Mitglied unbedingt zum Leben braucht. Parteichef Friedrich Merz nimmt es mit unbewegter Miene hin. Die Unmutsäußerungen könnten ein schlechtes Vorzeichen für das erste große Prestigeobjekt seiner siebenmonatigen Amtszeit sein: Merz will eine Frauenquote durchsetzen, wenn er scheitert, ist er angeschlagen. Doch am späten Abend, nach einer ebenso kontroversen wie konstruktiven Diskussion, kann er sich erleichtert zurücklehnen.
Für die eigentliche Debatte melden sich 34 Delegierte mit einer Wortmeldung an
Seit Jahren schon streitet die CDU Deutschlands über die Einführung einer Frauenquote. Merz hat die Last von seinen Vorgängerinnen geerbt und einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der die schrittweise Einführung einer 50-Prozent-Quote bis 2025 und eine Befristung bis Ende 2029 vorsieht. Was andere Parteien schon längst haben, ist in Hannover erneut heftig umstritten. Der Kreisverband Vechta beantragt, die Entscheidung zu verschieben und die Partei zu befragen. Merz selbst tritt auf und hält dagegen. Wenn heute nicht entschieden werde, dann werde die CDU das Thema erneut lange mit sich herumschleppen, warnt der Sauerländer. Er setzt sich durch, der Antrag aus Vechta wird abgelehnt.
Doch damit ist die Sache noch längst nicht erledigt. Für die eigentliche Debatte melden sich 34 Delegierte mit einer Wortmeldung an, die Rededauer wird auf zwei Minuten begrenzt. Viele Frauen sprechen sich gegen die Quote aus. Die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann, beispielsweise ist eine entschiedene Gegnerin. „Quoten sind Ausdruck eines Zeitgeists, führen aber nicht zu mehr Vielfalt“, sagt sie und bekommt viel Applaus. Andere Frauen sprechen für die Quote. Die ehemalige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer trägt leidenschaftlich vor, sagt, ohne Förderung wäre sie nicht an die Spitze gekommen.
Merz teilt beim CDU-Parteitag in Hannover gegen Scholz aus
Der Applaus scheint bei den Befürwortern und Befürworterinnen stärker zu sein. Auch Männer plädieren dafür, dem Vorschlag von Merz zu folgen, die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und Daniel Günther zum Beispiel. Im Schlusswort fasst der Vorsitzende die Debatte treffend zusammen. „Das ist die Leidenschaft, die ich mir für diese Partei immer gewünscht habe“, sagt Merz und danach geht es Dank digitaler Abstimmung ganz schnell. Für die Frauenquote stimmen 559 Delegierte, 409 sind dagegen, es gibt elf Enthaltungen.
Zuvor hat in seiner Parteitagsrede mehrfach gegen Kanzler Olaf Scholz und die Ampelkoalition ausgeteilt. Mit lautem Applaus quittieren die Delegierten seine Kritik am Umgang der Regierung mit der Energiekrise. Auf den „Angebotsschock“ nach dem Ausbleiben des russischen Gases müsse man mit einer „Ausweitung des Angebots“ antworten, fordert Merz, dass es nun „volle Kraft voraus geht mit allem, was uns zur Verfügung steht“. Neben der Kohle und den Erneuerbaren Energien ist das „natürlich auch die Kernenergie, wo ist denn da das Problem?“ Damit können die Delegierten was anfangen. Aber auch die alte CDU bricht wieder durch. Als Merz einen sorgfältigen Umgang mit der deutschen Sprache fordert, applaudieren sie heftig in der Messe Nord. Das Thema schleppt die Partei auch schon lange mit sich herum. Es wurde auf Parteitagen bereits beantragt, Deutsch als Amtssprache ins Grundgesetz aufzunehmen.
Der neue Vorsitzende bekommt auf seinem erste Präsenzparteitag für seine Rede langanhaltenden Applaus, die rund 1000 Delegierten erheben sich von ihren Plätzen. Einen Neuanfang hat Merz seiner Partei versprochen. Der Weg dahin dürfte lang werden, über Nacht wird es nicht gelingen. Aber der erste Schritt ist gemacht.