Es mag solche Zufälle geben, womöglich war es aber schon ein Fingerzeig: Am Montag noch veröffentlichte die CDU einen Gastbeitrag ihres Vizevorsitzenden Carsten Linnemann. „Ich selbst würde mich als konservativ bezeichnen, ja als modern konservativ. Im Zentrum steht für mich der Mensch, nicht das Kollektiv und der Staat“, schreibt der Bundestagsabgeordnete. Das dazugehörige Foto zeigt ihn mit einem freundlichen Lächeln. Was ein wenig nach Bewerbungsrede klang, könnte tatsächlich eine solche gewesen sein. Denn nur einen Tag später vermeldet das Konrad-Adenauer-Haus, dass Linnemann der neue Generalsekretär der CDU und deren Vorsitzenden Friedrich Merz ist. Amtsinhaber Mario Czaja muss gehen.
Nachdem die Meldung draußen ist, zeigen ein paar Telefonate, dass Merz die Partei kalt erwischt hat. Bis in den engeren Zirkel hinein wusste demnach kaum jemand von dem bevorstehenden Wechsel. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Merz und Czaja hätten sich „einvernehmlich darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit an der Parteispitze zu beenden“, heißt es von der CDU nur.
Linnemann folgt auf Czaja, der seit Januar 2022 Generalsekretär war
Merz setzt sich mit der Entscheidung dem Vorwurf aus, bei der Personalwahl keine glückliche Hand zu haben. Seine Büro- und Leitungsstab-Chefin Andrea Verpoorten musste die in Sichtweite der Siegessäule gelegene CDU-Zentrale nach wenigen Wochen wieder verlassen. „Die Erwartungshaltungen passten nicht“, hieß es damals. Danach versetzte der Sauerländer seinen Büroleiter Marian Bracht. Ende letzten Jahres verließ Kommunikationschefin Kathrin Degmair die CDU-Zentrale, nachdem sie erst im Oktober 2022 angeheuert hatte. Auch hier hieß es, man trenne sich „in gegenseitigem besten Einvernehmen“.
Nun hat es also den früheren Berliner Sozialsenator Mario Czaja erwischt. Der heute 47-Jährige war im Januar 2022 mit dem guten Ergebnis von 92,9 Prozent zum Generalsekretär und Nachfolger von Paul Ziemiak gewählt worden. Der Versicherungskaufmann und Diplom-Betriebswirt brachte frischen Wind ins Konrad-Adenauer-Haus. Der eher lockere Umgangston konnte über einen hellwachen und blitzschnellen Verstand hinwegtäuschen.
Carsten Linnemann gilt als Wirtschaftsexperte in der CDU
Womöglich war Mario Czaja dem 67 Jahre alten Merz sogar eine Spur zu locker. Der CDU-Chef pflegt bekanntlich sein konservatives Profil, dazu scheint Czajas Nachfolger Carsten Linnemann besser zu passen. 1977 in Paderborn geboren, wurde der studierte Volkswirtschaftler im Herbst 2013 zum Chef der einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU gewählt. Im November 2021 kündigte er seinen Rückzug von diesem Posten an und wurde wenige Wochen später mit 82,1 Prozent zu einem von fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU gewählt. Linnemann und seine Mittelstandsunion hatten Merz 2018 bereits bei dessen erster Bewerbung um den CDU-Bundesvorsitz in der Nachfolge von Angela Merkel unterstützt.
Der Bundestagsabgeordnete Linnemann, der auch Vizepräsident des Fußball-Zweitligisten SC Paderborn ist, pflegt in der Regel einen sachlichen Umgangston – trotz seiner inhaltlich scharfen Analysen. Doch ihm kann auch förmlich der Kragen platzen, und dann wird es laut. Der 45-Jährige gilt als Wirtschaftsexperte in der Partei. Der promovierte Diplom-Volkswirt drückte als Chef der Grundsatzkommission dem Entwurf zum Grundsatzprogramm der Partei bereits einen entsprechenden Stempel auf.
CDU-Chef Merz bedankte sich auf Twitter bei Czaja für dessen „hoch engagierte Arbeit“. Er habe sich, erklärte Merz, „die Entscheidung, einen Wechsel in der Position des Generalsekretärs der CDU vorzuschlagen, nicht leicht gemacht“. Man darf gespannt sein, wie lang die Personalie diesmal hält.