CDU und CSU wollen die Kehrtwende in der Drogenpolitik auf den letzten Metern stoppen. Geht es nach ihrem Dafürhalten, dann wird Cannabis doch nicht am 1. April legalisiert, wie es der Bundestag beschlossen hat. Zur Barriere soll der Bundesrat werden. Der Plan: Die Länderkammer wird am Freitag den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anrufen. In dem Gremium will die Union die Hanf-Freigabe schließlich versanden lassen. „Mein Ziel ist es, dass dieses Gesetz niemals wieder aus dem Vermittlungsausschuss herauskommt“, kündigte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an. Sein bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) lässt eine Klage gegen die Legalisierung prüfen. Nun kontert die SPD.
Wie reagiert die SPD auf den Blockadeplan der Union?
Die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge ist entsetzt über den Vorstoß der Christdemokraten. „Ich finde das, um ehrlich zu sein, ziemlich erschreckend“, sagte die Bundestagsabgeordnete unserer Redaktion. Sie hat das Cannabis-Gesetz in der Ampel-Koalition maßgeblich vorangetrieben. „So verhalten sich keine Demokraten“, beklagte die 34-Jährige. Sie warf der Union vor, den Vermittlungsausschuss rein taktisch anzurufen, und die Legalisierung durch Verfahrenstricks aufhalten zu wollen. „Das wäre ein einmaliger Vorgang.“ Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fürchtet die Schikane. "Wenn Bundesländer (das) Cannabis Gesetz in Vermittlungsausschuss zwingen, kommt es nicht mehr raus. Dann hätten wir (die) einmalige Chance verpasst, gescheiterte Cannabispolitik zu beenden“, erklärte der SPD-Minister auf dem Kurznachrichtendienst X.
Wie soll das Gesetz gestoppt werden?
Zunächst einmal spielt die Union auf Zeit. Sollte das Gesetz in den Vermittlungsausschuss verfrachtet werden, ist das Startdatum 1. April nicht mehr zu halten. Gleich drei Ausschüsse des Bundesrates haben sich dafür ausgesprochen. Der Rechtsausschuss verlangt eine Reduzierung der Mengen getrockneter Marihuana-Blüten, die legal besessen werden dürfen. Das vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht vor, dass 50 Gramm legal zu Hause gelagert werden dürfen. Der Innenausschuss fordert, dass das Kiffen nur in privaten Räumen erlaubt werden soll und nicht auf Straßen und Plätzen. Und der Rechtsausschuss moniert, dass der Straferlass für Altfälle die Justiz überfordere. Empfohlen wird, die Freigabe auf den 1. Oktober zu verschieben.
Unterstützt wird eine Verschiebung auch vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Der Grünen-Politiker ist aber generell dafür, dass der Konsum entkriminalisiert wird. Weil mehrere Landesregierungen verschiedener politischer Couleur Bedenken gegen das Ampel-Projekt haben, gilt es in Berlin als wahrscheinlich, dass der Vermittlungsausschuss übernimmt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wies in diesem Zusammenhang auf die befürchtete Überlastung der Justizbehörden hin. Auch auf die Polizei komme erheblich mehr Arbeit zu. Laut Herrmann haben sich die Innenminister aller 16 Länder gegen das Cannabisgesetz ausgesprochen. „Jetzt hoffe ich auf eine Mehrheit der Vernunft. Vorhersagen kann ich das Abstimmungsergebnis aber nicht.“
Könnte die Legalisierung vollständig aufgehalten werden?
Dem Vermittlungsausschuss ist rechtlich keine Frist für den Abschluss seiner Beratungen gesetzt, wie es auf der Internetseite des Gremiums heißt. Es ist auch keine bestimmte Zahl von Einigungsversuchen vorgegeben. Wenn Sachsens Ministerpräsident Kretschmer darauf abzielt, das Gesetz in den Tiefen des Verfahrens zu versenken, dann darf es bis zum Ende der Legislaturperiode des Bundestages im Herbst nächsten Jahres nicht abgeschlossen werden. Denn mit dem Beginn einer neuen Wahlperiode fallen alle schwebenden Gesetze unter den Tisch.
Wie sind die Erfolgsaussichten von CDU und CSU?
Eigentlich ist die Ausgangslage der Union schwach, weil die Freigabe der Droge in die alleinige Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt. Die Legalisierung bedarf nicht der expliziten Zustimmung des Bundesrats, es handelt sich um ein sogenanntes Einspruchsgesetz. Die Länder können lediglich Bedenken äußern und den Vermittlungsausschuss anrufen. Schlägt der Vermittlungsausschuss Änderungen vor, müssen diese zunächst vom Bundestag mittels einer Abstimmung gebilligt werden. Dann wäre die Länderkammer wieder am Zuge, ob sie mit dem nun überarbeitenden Gesetz einverstanden ist. Stellt sich der Bundesrat ein weiteres Mal dagegen und erhebt auch gegen das angepasste Gesetz Einspruch, könnte die Ampel-Koalition im Bundestag diesen mit ihrer Mehrheit überstimmen.