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Cannabis-Legalisierung: Bevor der Staat als Dealer auftritt, geht noch viel Zeit ins Land

Cannabis-Legalisierung

Bevor der Staat als Dealer auftritt, geht noch viel Zeit ins Land

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    Immer stärkeres Haschisch und Marihuana auf dem Markt führt vermehrt zu Sucht in Westeuropa. Die Bundesregierung will Cannabis trotzdem legalisieren.
    Immer stärkeres Haschisch und Marihuana auf dem Markt führt vermehrt zu Sucht in Westeuropa. Die Bundesregierung will Cannabis trotzdem legalisieren. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Sommerzeit ist Musikfestival-Zeit, in Brandenburg etwa fand gerade die Antaris statt. Die „Mutter der deutschen Psytrance Festivals“ (Eigenwerbung) zieht Tanz- und Drogenfans aus der ganzen Republik an. Wer mit dem Auto oder dem Wohnmobil kommt, schraubt gerne die Kennzeichen ab, damit keine unliebsame Identifizierung auf Schnappschüssen oder Handyvideos möglich ist. Wenn es nach der Bundesregierung geht, soll bald zumindest ein Teil der Szene legalisiert werden. Die Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP haben sich darauf verständigt, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken an Erwachsene in lizenzierten Geschäften“ zu ermöglichen. Das Vorhaben zieht sich allerdings.

    Denn die Bundesregierung will alles ganz genau machen und startete unter anderem den Konsultationsprozess „Cannabis – aber sicher“, bei dem Expertinnen und Experten in sogenannten Hearings über die vielen noch offenen Fragen diskutierten, die in der Tat allesamt nicht banal sind. Eine davon warf die Abgeordnete Canan Bayram kürzlich im Bundestag auf. Ob im Zuge der regulierten Abgabe eine strafrechtliche Rehabilitierung von Menschen geplant sei, die wegen des Besitzes von Cannabis verurteilt worden seien, wollte die Grünen-Politikerin und Rechtsanwältin wissen. Der zuständige parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Edgar Franke, konnte da nur die Schultern zucken. „Zur konkreten Ausgestaltung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken kann zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Aussage getroffen werden“, entgegnete der SPD-Politiker, das gelte auch für die Frage, „wie mit rechtskräftigen Verurteilungen wegen des Besitzes von Cannabis nach Inkrafttreten eines Legalisierungsgesetzes verfahren werden soll.“

    Cannabis ist ein Riesengeschäft

    Die Angaben für ein mögliches Inkrafttreten gehen in der Tat auseinander. Kanzler Olaf Scholz (SPD) nannte „diese Legislaturperiode“ als Zeitrahmen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte gerade an, bis zum Herbst Eckpunkte vorlegen zu wollen. Ende dieses, Anfang kommenden Jahres könnte dann ein Gesetzentwurf vorliegen, wie der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, am Dienstag bekräftigte. Der SPD-Politiker trat bei der „International Cannabis Business Conference“ (ICBC) in Berlin als Redner auf, und die Veranstaltung zeigt, was die geplante Legalisierung des Rauschmittels auch ist: Ein Riesengeschäft.

    Nicht nur Deutschland will eine Legalisierung der Droge, in anderen Ländern schreitet der Prozess ebenfalls voran. Cannabis wird an Börsen gehandelt, Wirtschaftskanzleien betreuen Kunden weltweit. Noch geht es da vor allem um die rasant wachsende medizinische Cannabisindustrie, der Freizeitmarkt indes ist viel größer. Im medizinischen Bereich gebe es derzeit in

    Wie hoch soll der THC-Gehalt im Cannabis sein?

    Haschisch oder Gras werden auf dem Schwarzmarkt derzeit zu Preisen zwischen acht und 15 Euro pro Gramm gehandelt, je nach Qualität der Droge. Das Magazin Wirtschaftswoche hat ausgerechnet, was das legale Kiffen dem Staat einbringen könnte: Satte 4,7 Milliarden Euro. Darin enthalten sind 1,8 Milliarden Euro Cannabissteuer, weitere Steuerabgaben sowie Entlastungen bei der Strafverfolgung in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Vor allem das arme Berlin als Kiffer-Hauptstadt könnte davon profitieren, aber auch Städte wie München oder Stuttgart würden sich finanziell berauschen.

    Doch bevor der Staat als Dealer auftritt, geht eben noch viel Zeit ins Land. Offen ist zum Beispiel, wie die Lizenzen für den gewerblichen Anbau gestaltet werden. Die Herstellung und der Vertrieb von medizinischem Cannabis etwa unterliegen strengen Sicherheitsvorkehrungen. Das wird so auf den Freizeitmarkt auch angewendet werden müssen. Dass Hanfpflanzen frei auf dem Acker angebaut werden, ist jedenfalls kaum vorstellbar. Da Deutschland 1961 der UN-Suchtgiftkonvention beigetreten ist, dürfen grundsätzlich keine Drogen aus anderen Ländern bezogen werden. Die Produktion hierzulande müsste jedoch erst noch anlaufen, Lizenzen für den gewerblichen Anbau von Cannabis wurden den Angaben zufolge noch nicht erteilt.

    Eine andere Frage wäre die nach dem erlaubten THC-Gehalt. Je mehr Wirkstoff Tetrahydrocannabinol die Droge enthält, desto berauschender ist sie. Blienert kann sich, ähnlich wie beim Alkoholgehalt, eine Obergrenze vorstellen. Da wird dann auch die Frage berührt, welche Auswirkungen die Legalisierung der Droge im Straßenverkehr haben wird. Rechtsanwalt Homburg hingegen hält eine Obergrenze für kontraproduktiv. „Ich sehe das eher kritisch“, sagte er im Deutschlandfunk. Wenn man den Schwarzmarkt irgendwie begrenzen wolle, sollte es nicht zwei Klassen von Konsum-Cannabisprodukten auf dem Markt geben.

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