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Cannabis: Führt die Cannabis-Legalisierung zu mehr Kriminalität?

Cannabis

Führt die Cannabis-Legalisierung zu mehr Kriminalität?

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    Ab diesem Montag können Cannabis-Anbauvereine ihre Zulassung beantragen.
    Ab diesem Montag können Cannabis-Anbauvereine ihre Zulassung beantragen. Foto: Christian Charisius, dpa

    Seit genau drei Monaten ist der Rauschmittelkonsum von Cannabis in Deutschland legal. Doch wer von der umstrittenen Gesetzesreform der Ampelkoalition einen Rückgang der Ermittlungsverfahren erwartet, dürfte zumindest in Bayern überrascht sein: Nicht weniger als 4561 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten registrierte die bayerische Polizei bis Ende Juni, seit die Drogenlegalisierung am 1. April in Kraft getreten ist. Wie das bayerische Innenministerium auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte, betrafen davon 1430 Straftaten illegalen Drogenhandel oder Drogenbesitz jenseits der erlaubten Höchstmengen. Knapp 2800 Fahrzeugführer unter Cannabis-Einfluss erwischte die Polizei, in 180 Fällen leitete die Staatsanwaltschaft wegen schwerer Fälle Strafverfahren ein. Die Polizei misst den Gehalt des Cannabis-Wirkstoffs THC in der Regel zunächst mit Speichelschnelltests.

    Innenminister Herrmann: Polizei hat seit Cannabis-Legalisierung mehr zu tun

    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sieht die Befürchtungen bestätigt, vor denen alle seine Länderkollegen einstimmig gewarnt hatten: "Die Legalisierung von Cannabis ist aus unserer Sicht ein großer sicherheits- und gesundheitspolitischer Fehler", sagt der CSU-Politiker. "Die in der Gesetzesbegründung behauptete Entlastung der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil." Der Aufwand der Polizei für Kontrollen und Ahndung der Vergehen stiege. "Das zeigen bereits unsere ersten Erfahrungen", sagt Herrmann. 

    "Beispielsweise befürchten wir, dass mehr Autofahrer unter THC-Einfluss am Straßenverkehr teilnehmen, verbunden mit erhöhten Unfallgefahren", berichtet der Minister. Dass die Bundesregierung nun auch noch den strengen Blutgrenzwert für THC im Straßenverkehr von 1,0 auf 3,5 Nanogramm pro Milliliter heraufsetzen wolle, "schadet der Verkehrssicherheit", kritisiert der bayerische Minister. 

    Polizeigewerkschaft GdP fürchtet getarnte Anbauvereine der Drogenmafia

    Die Probleme von Polizei und Justiz könnten in den kommenden Monaten noch erheblich zunehmen, denn ab diesem Montag können sogenannte Cannabis-Anbauvereine eine Zulassung beantragen. Bis zu 500 Mitglieder können dort Cannabis gemeinsam anbauen und untereinander zum Eigenkonsum tauschen. "Mit den Anbauvereinigungen machen wir langfristig die Dealer arbeitslos, wir verhindern Verunreinigungen und hohe Konzentrationen von Cannabis und schützen somit die Cannabis-Konsumenten", sagte der SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vor dem Start der Bild am Sonntag. Die Polizeigewerkschafter befürchten allerdings genau das Gegenteil. 

    "Wir befürchten, dass Straftäter aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität die Möglichkeit der Anbauvereine dafür nutzen werden, kriminelle Strukturen auszubauen", sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Alexander Poitz. "Die Anbauvereine bergen damit das Risiko, dass der Schwarzmarkt für Cannabis wächst. Momentan kann in Deutschland – bis auf den Eigenanbau – gar kein ,legales Cannabis’ bezogen werden, da es die Möglichkeit des Anbaus in solchen Vereinen noch gar nicht gibt", betont der Polizeibeamte. 

    Der stellvertretende GdP-Chef bestätigt, dass die Arbeit der Polizei durch die Cannabis-Legalisierung bislang nicht spürbar entlastet worden sei. "Im Gegenteil", betont er. "Nachdem die Rauschgiftkriminalität im vergangenen Jahr in Gänze angestiegen ist, befürchten wir, dass sich dieser Trend auch 2024 fortsetzt und es für die Kriminalpolizei nicht weniger Arbeit oder Verfahren geben wird", berichtet der Brandenburger Polizist. „Konkrete Zahlen und Statistiken mit Blick auf die Auswirkungen des neuen Cannabisgesetzes liegen noch nicht vor“, sagt Poitz. 

    Polizei klagt über Mehrarbeit durch Cannabis-Legalisierung

    "Die bisherigen Erfahrungen fallen unterschiedlich aus, insbesondere in den städtischen Gebieten nehmen wir eine gefühlte Zunahme an Sachverhalten im Zusammenhang mit Cannabis wahr", berichtet der Polizeigewerkschafter. Schon 2023 vor der Legalisierung habe es einen hohen Anteil von Verstößen mit Cannabis gegeben. "Wir befürchten insbesondere bei Kindern und Jugendlichen negative Auswirkungen, weil bald deutlich mehr Cannabis im Umlauf sein wird und auch offen konsumiert werden wird", warnt Poitz.

    "Fakt ist, dass die Polizei durch das Cannabisgesetz zusätzliche Aufgaben bekommen hat", betont er jedoch. "Die Regelungen zu den Anbauvereinen ab dem 1. Juli 2024 kommen noch obendrauf, genauso wie die Verkehrskontrollen vor dem Hintergrund eines dann neu geltenden THC-Grenzwertes", sagt der Polizeigewerkschafter. "Mit den Aufgaben aus Kontrollen, Prävention und den Auswirkungen auf Straßenverkehr sowie den öffentlichen Raum erwarten wir eher eine Mehrbelastung für die Arbeit der Polizei", betont Poitz. Der Gewerkschafter fordert mehr Geld vom Bund für die Länderpolizeien. "Der Bund hat bestellt, also möge er auch bezahlen", erklärt er. 

    Cannabis-Anbauvereine in Bayern frühestens ab Herbst erwartet

    In Bayern kündigte Gesundheitsministerin Judith Gerlach an, bei den Anbauvereinen "so restriktiv wie möglich" vorzugehen: "Wir nutzen alle Spielräume, um die negativen Folgen des gefährlichen Vorgehens der Bundesregierung zu begrenzen", sagte die CSU-Politikerin unserer Redaktion. "Dies betrifft zum Beispiel die Häufigkeit der Kontrollen. Auch wird die Zahl der zulässigen Anbauvereinigungen per Verordnung auf eine Anbauvereinigung je 6000 Einwohner eines Landkreises und einer kreisfreien Stadt begrenzt." 

    Vorerst bearbeiten ab sofort sieben Mitarbeiter beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit die Anträge. "Die zentrale Kontrolleinheit beim LGL ist so eingerichtet worden, dass sie schlagkräftig ist", sagt Gerlach. "Sie ist sowohl für die Kontrollen der Anbauvereinigungen nach dem Konsumcannabisgesetz als auch für die Erlaubnisverfahren zuständig." Beobachter gehen davon aus, dass das Amt für die erwartete Antragsflut die Höchstbearbeitungsdauer von drei Monaten nach Vorliegen aller Unterlagen ausschöpfen werde und die ersten Anbauvereine im Oktober ans Werk gehen könnten. Kommendes Jahr solle die Kontrolleinheit auf 20 Stellen aufgestockt werden, kündigte Gerlach an.

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