Im Streit um die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund ein ausgewogenes Regelwerk. Man könne durchaus hinterfragen, "ob es wirklich verhältnismäßig ist, wenn jemand, der vielleicht viele Jahre punktefrei gefahren ist, einmalig einen solchen Verstoß begeht, schon mit einem Fahrverbot belegt werden sollte", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ/Samstag).
Die Kommunen erwarteten, "dass die nun notwendig gewordene Neuregelung dazu genutzt wird, die bislang gemachten Erfahrungen zu berücksichtigen und eine gleichzeitig wirksame und ausgewogene Regelung zu finden".
Wegen eines Formfehler wurde die Verordnung außer Vollzug gesetzt
In der Sache geht es darum, dass seit Ende April ein Monat Führerscheinentzug droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h zu schnell - dies hatte der Bundesrat in die StVO-Novelle hineingebracht. Zuvor lagen die Grenzen bei Überschreitungen von 31 km/h im Ort und 41 km/h außerhalb. Wegen eines Formfehlers in der Verordnung wurden die neuen Regeln aber nun bundesweit von den Ländern vorerst außer Vollzug gesetzt.
"Möglich wäre beispielsweise, die Bußgelder zwar deutlich zu erhöhen, aber Fahrverbote weiterhin erst bei deutlicheren Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verhängen", sagte Landsberg der "NOZ". "Wenn es sich um einen erstmaligen Verstoß handelt, könnte auch über ein Fahrverbot auf Bewährung nachgedacht werden."
Fahrverbote mehr als verzehnfacht
Dass die Novelle wegen eines Formfehlers außer Kraft gesetzt wurde, sei eine Chance, sagte Landsberg. Die Regeln hätten etwa in Köln in den ersten vier Wochen die Zahl der ausgesprochenen Fahrverbote mehr als verzehnfacht. "Daher sollte bei der Diskussion um die nun fällige Neuregelung auch erörtert werden, ob dies dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht."
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wollen Vertreter von Bund und Ländern am Montag auf Abteilungsleiterebene die aktuelle Lage beraten.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer verhandelt mit den Ländern
Von Chaos und Unsicherheit will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) derweil nichts wissen. "Die Verfahren zu den Verstößen vom Mai und Juni nach dem neuen Bußgeldkatalog werden - so zugesagt - von den Ländern ausgesetzt. Und jetzt gilt der alte Bußgeldkatalog und wird angewendet, so wie in den letzten Jahren auch", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). Es gebe also keine rechtlose Situation. Zudem verhandele er mit den Ländern.
Ein Ministeriumssprecher hatte am Freitag in Berlin gesagt, in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts der Länder werde unter Hochdruck an einem Paket für eine rasche Klärung gearbeitet. Dabei gehe es zum einen darum, den Formfehler in der StVO-Novelle zu korrigieren. Dies sei zum anderen eine Chance, eine "Unverhältnismäßigkeit" im Bußgeldkatalog richtigzustellen. (dpa)
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