Die Versorgung mit Bussen und Bahnen hinkt vor allem auf dem Land den Erwartungen der Bevölkerung immer noch hinterher: Rund ein Drittel der Menschen ist mit dem Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) am eigenen Wohnort unzufrieden, wie aus einer repräsentativen Studie verschiedener Verbände hervorgeht, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Das Ergebnis ähnelt der ersten Befragung zu diesem Thema, die zwei Jahre alt ist. Im bundesweiten Ranking stechen Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Brandenburg als Schlusslichter hervor. Im Ländervergleich vorn liegen – hinter den drei Stadtstaaten – Hessen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern.
Die Studie fühle „quasi den Mobilitätspuls der Deutschen“, erklärte Dirk Flege. Er ist Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, die das Papier zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat in Auftrag gegeben hat. Und dieser Puls ist vergleichsweise flach. Jeder dritte Deutsche fühlt sich demnach von Bus und Bahn abgehängt. Hauptleidtragende seien Familien mit Kindern, erklärte Flege.
Es geht um den Zusammenhalt
Flege gehört zu den dienstältesten Verbandsvertretern in der Verkehrsbranche, er hat schon einige Erhebungen kommen und gehen sehen. Diese Studie jedoch sei keine „Nice to have-Statistik, sondern ganz zentral, wenn es um den Zusammenhalt, um die Zukunftsfähigkeit des Landes geht“, betonte er. Durch das Deutschlandticket sei die Preisfrage eher zweitrangig, auch die Entfernung zur nächsten Haltestelle sei nicht das vorrangigste Problem. Die zentrale Frage sei: „Wie wollen wir die Menschen mobil machen, ohne ein eigenes Auto haben zu müssen?“
Eine Antwort hatte Flege auch. Deutschland sei gut beraten, „wenn wir über einheitliche ÖPNV-Qualitätsstandards intensiver diskutieren, als wir es bislang getan haben“. Für Busse und Bahnen müsse es ähnliche Regeln geben wie bei der bundesweit einheitlich geregelten Briefversorgung durch die Post. In der Schweiz etwa gebe es einen gesetzlichen Anspruch auf eine Anbindung des Wohnortes mit Bus und Bahn. Das gelte selbst für kleine Dörfer in entlegenen Gebieten. Wobei klar sei, dass sich die Verhältnisse im Alpenland nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen ließen. „Wir müssen hier unseren eigenen Weg finden.“
Unsicher auf dem Rad und zu Fuß
Die mehr als 2.000 befragten Menschen der Studie wurden außerdem gefragt, ob sie sich sicher fühlen, wenn sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind. Die Sicherheit auf dem Rad hat demnach insgesamt keine Fortschritte gemacht. Auch für den Fußverkehr gibt es bundesweit großen Nachholbedarf. „85 Prozent der Menschen empfinden, dass sich ihre Sicherheit als Fußgängerin oder Fußgänger in den vergangenen fünf Jahren nicht verbessert hat“, erklärte Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats.
Spannend ist die Studie auch deshalb, weil sie in eine Zeit des politischen Umbruchs fällt. Immer noch „gilt diese jahrzehntelange deutsche Tradition, dass man Mobilität mit Automobilität gleichsetzt und dass man sagt: Mensch, ihr müsst euch eben ein Auto kaufen“, sagte Flege. Alle drei Verbände fordern deshalb einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik. BUND-Expertin Tina Löffelsend erklärte ahnungsvoll: „In Wahlkampf und Koalitionsvertrag wird vermutlich wieder viel vom Auto die Rede sein.“ Das jedoch bringt den Puls nicht nach oben. Eine neue Bundesregierung muss vielmehr „die Verkehrspolitik stärker an den unterschiedlichen Bedürfnissen ausrichten. Dafür ist die Infrastruktur für den Umweltverbund auszubauen und anzupassen“, wie Löffelsend sagte.
Für gesunde Menschen gehören alle bedingungslosen Sozialleistungen und kostenlos beheizte Wohnungen abgeschafft - dann gibt es auch wieder genug Fahrer für den ÖPNV. Bis dahin sollte Politik für preisgünstige individuelle Mobilität eintreten - für ein gerechtes Deutschland für Menschen auf dem Weg zur Arbeit.
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