Fast 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte das Schreckensszenario eines Krieges zurück nach Europa – und setzt sich seitdem auch in den Köpfen vieler Deutscher fest. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer "Zeitenwende". Mehr als ein Jahr nach dem Kriegsbeginn ist die Bundeswehr ist plötzlich wieder ein großes Thema und so mancher verschwendet einen Gedanken daran, ob er denn auch mal in einem Krieg kämpfen muss. Wir erklären, wann es für deutsche Staatsbürger tatsächlich dazu kommen könnte.
Wer wird im Kriegsfall eingezogen? Ausgangslage in Deutschland
Um die Fragestellung bezüglich eines Kriegsfalls erklären zu können, muss zunächst ein Blick auf die Ausgangslage geworfen werden. Die Wehrpflicht ist seit Sommer 2011 ausgesetzt. Abgeschafft wurde sie allerdings nicht. Beim Eintritt von zwei Szenarien würde die Wehrpflicht automatisch wieder aktiv werden: bei einem Spannungsfall und einem Verteidigungsfall.
Wenn ein Spannungs- oder Verteidigungsfall ausgerufen wurde, kann es auch zu einer Teilmobilmachung oder Generalmobilmachung kommen. Diese gehen weit über die Wehrpflicht hinaus, wie man sie vor dem Jahr 2011 gekannt hat. Sicherheitsfall und Verteidigungsfall können vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats festgestellt werden. Im Bundestag ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Mindestens die Hälfte der Abgeordneten müssen dabei für die Feststellung des Verteidigungsfalls stimmen. Die Ausrufung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung. Es gibt im Zuge der Feststellung der Fälle allerdings Ausnahmeregelungen, die in Artikel 115a des Grundgesetzes geregelt sind. Diese ergeben sich schon aus praktischen Gründen, wonach der Bundestag im Ernstfall womöglich nicht zusammenkommen könnte und kaum Zeit ist, alle nötigen Prozesse umzusetzen.
So kann der Gemeinsame Ausschuss als Ersatzparlament fungieren und einen Verteidigungsfall feststellen, wenn sofortiger Handlungsbedarf besteht und der Bundestag nicht zusammenkommen kann. Dieser besteht aus 48 Mitgliedern. Nach Artikel 54a im Grundgesetz besteht er zu zwei Drittel aus Abgeordneten des Bundestages und einem Drittel Abgeordneten des Bundesrates. Eine weitere Ausnahme: "Wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen und sind die zuständigen Bundesorgane außerstande, sofort die Feststellung nach Absatz 1 Satz 1 zu treffen, so gilt diese Feststellung als getroffen und als zu dem Zeitpunkt verkündet, in dem der Angriff begonnen hat. Der Bundespräsident gibt diesen Zeitpunkt bekannt, sobald die Umstände es zulassen". So steht es in Artikel 115a im Grundgesetz. Die Feststellung eines Sicherheits- und Verteidigungsfalls wird vom Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt verkündet. Wenn das nicht möglich ist, können die Fälle auch auf andere Weise verkündet werden, was im Bundesgesetzblatt nachzuholen ist, sobald es die Umstände zulassen.
Bundeswehr in Deutschland: Wer wird im Kriegsfall eingezogen?
Falls Deutschland einen Verteidigungsfall ausrufen sollte, würde sich das Land praktisch in einem Verteidigungskrieg befinden. Die erste Folge wäre, dass die Wehrpflicht automatisch wieder in Kraft treten würde. Im Grundgesetz heißt es dazu: "Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden."
Das bedeutet, dass alle Männer ab 18 Jahren zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet werden könnten. Die Wehrpflicht für Soldaten endet mit Vollendung des 45. Lebensjahres. Befindet sich Deutschland im Krieg, verlängert sich die Wehrpflichtigkeit. Die Bundeswehr ist dann befugt, alle Männer einzuziehen, welche ihr 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Es kann hierbei allerdings einige Ausnahmen geben. Beispielsweise bei gesundheitlichen Problemen oder Behinderungen. Ausnahmen werden im Einzelfall betrachtet.
Vor einer vollumfassenden Mobilmachung würden von der Bundeswehr im Kriegsfall die Reservisten eingezogen. Von diesen sind in Deutschland rund 900.000 wehrrechtlich verfügbar.
Kriegsfall in Deutschland: Kann man den Kriegsdienst verweigern?
"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." So steht es im deutschen Grundgesetz. Daraus ergibt sich, dass der Staat niemanden dazu zwingen kann, in einem Krieg zu kämpfen. Für die Verweigerung des Kriegsdienstes können zahlreiche Gründe hervorgebracht werden. Wer überzeugt ist, dass ein Krieg falsch ist und keinen Menschen töten will, kann den Kriegsdienst beispielsweise verweigern. Ein Grund kann auch sein, dass es gegen die eigene Religion ist, eine Waffe zu führen und zu kämpfen.
Wer den Kriegsdienst verweigert, muss damit rechnen, eine andere Aufgabe zugewiesen zu bekommen. Dabei handelt es sich zumeist um zivile Aufgaben, wie die Mithilfe in einem Krankenhaus.