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Bundesverfassungsgericht: Förderung von AfD-naher Stiftung: Karlsruhe gibt Parteien Atempause

Bundesverfassungsgericht

Förderung von AfD-naher Stiftung: Karlsruhe gibt Parteien Atempause

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    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eröffnet die mündliche Verhandlung über staatliche Fördergelder für die Desiderius-Erasmus-Stiftung.
    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eröffnet die mündliche Verhandlung über staatliche Fördergelder für die Desiderius-Erasmus-Stiftung. Foto: Uli Deck, dpa

    Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts war die Erleichterung im politischen Berlin förmlich spürbar. Die Karlsruher hatten den Fall der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung auf dem Tisch und fällten ein Urteil, das wohl als salomonisch bezeichnet werden kann: Dass die Stiftung kein Steuergeld aus dem Bundeshaushalt bekommt, ist zwar einerseits nicht rechtens. Anderseits bekommt sie trotzdem kein Geld ausgezahlt. Jedenfalls noch nicht. Es kommt jetzt alles darauf an, dass der Bundestag ein klar definiertes, eigenständiges Parlamentsgesetz auf den Weg bringt. Die Atempause ist deshalb nur von kurzer Dauer. 

    Die AfD-nahe Stiftung geht weiterhin davon aus, dass sie künftig auch aus dem Bundeshaushalt gefördert wird. „Es sind Rahmenbedingungen festgelegt, die einzuhalten sind. Da alle diese Dinge von uns eingehalten werden, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn wir keine Mittel erhalten“, sagte die Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach.

    Über Finanzierung politischer Stiftungen wird schon lange gestritten

    Über die Finanzierung der politischen Stiftungen – die in Wahrheit bis auf die Friedrich-Naumann-Stiftung keine Stiftungen, sondern eingetragene Vereine sind – wird schon seit Jahrzehnten gestritten. Da die Zuschüsse nur solchen Stiftungen zustehen, die im Bundestag vertretenen Parteien nahestehen, "kam es immer wieder zu Vorwürfen, dass die Stiftungsfinanzierung eine verdeckte Parteienfinanzierung sei", wie der Politikwissenschaftler Peter Massing in einem Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung schreibt. Das Bundesverfassungsgericht fällte nach einer Klage der Grünen 1986 ein Grundsatzurteil, das die staatliche Förderung für zulässig erklärte.

    Viele Jahre lang genehmigten sich Bundestagsparteien in Fraktionsstärke und die ihnen nahestehenden Stiftungen jedes Jahr Millionenbeträge. 2019 waren es beispielsweise satte 660 Millionen Euro Steuergeld. Die AfD, die 2017 erstmals in den Bundestag einzog, wollte für ihre Desiderius-Erasmus-Stiftung ein Stück vom Kuchen abhaben, wurde aber stets übergangen und klagte deswegen vor dem Bundesverfassungsgericht. 

    Bundestag muss neues Gesetz für Stiftungsförderung schaffen

    Die Klage bezog sich auf mehrere Jahre, das Gericht urteilte aus formalen Gründen aber nur in Bezug auf 2019 und stellte einen "rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb" fest. Der Bundestag muss also nun praktisch über ein neues Gesetz eine Grundlage für die damalige Entscheidung schaffen – und das schnell. "Die Ampel-Parteien haben zu lange den Kopf in den Sand gesteckt – diese Vogel-Strauß-Taktik beschert der AfD nun einen Erfolg in Karlsruhe. Es droht die Bildung einer rechten Kaderschmiede, gefördert durch Millionen von Steuergeldern", kritisierte Miriam Schader, Kampagnenleiterin bei der Protestorganisation Campact, die sich selbst als Bürgerbewegung bezeichnet. Der Druck für eine gesetzliche Grundlage steige, sagte Schader. "Die Ampel-Koalition muss jetzt endlich handeln und ein Stiftungsgesetz verabschieden. Die Demokratie darf ihre Feinde nicht mit Steuergeldern sponsern." 

    Aus der Opposition kam eine ähnliche Einschätzung. "Nach diesem Urteil ist die Ampel gefordert, zügig eine gesetzliche Grundlage für die politischen Stiftungen zu schaffen", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, unserer Redaktion. "Es braucht jetzt klare Regeln, dass nur Stiftungen mit staatlichen Zuwendungen rechnen können, die unzweifelhaft auf dem Boden des Grundgesetzes stehen", erklärte Müller und ergänzte: "Wer unsere Demokratie bekämpft, darf von ihr nicht profitieren." Der Justiziar der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, hatte sich vor dem Urteil ähnlich geäußert. "Es darf keine Steuergelder für Demokratiefeinde geben", sagte er unserer Redaktion. Die SPD hege erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue der Erasmus-Stiftung.

    Bundesverfassungsgericht: Erasmus-Stiftung benachteiligt

    Ob die Erasmus-Stiftung weiter außen vor bleiben darf, ist fraglich. Darauf weist jedenfalls die Antwort des Gerichts zur Auszahlungspraxis 2022 hin. Gegen die hatte die AfD mit einem nachträglichen Antrag ebenfalls geklagt, der Punkt wurde vom Verfahren abgetrennt und wird gesondert behandelt. Hintergrund ist eine im letzten Jahr beschlossene Ergänzung im Haushaltsgesetz, wonach es Zuschüsse nur für politische Stiftungen gibt, "die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten". Das habe "verfassungsrechtliche Fragestellungen aufgeworfen", über die noch ausführlich gesprochen werden müsse, heißt es dazu im Urteil. Auch an diese Baustelle müssen die Parteien heran

    Karlsruhe weist abschließend darauf hin, dass die sechs bislang geförderten Stiftungen durch Zuschüsse in die Lage versetzt würden, "eine große Zahl an Seminaren, Diskussionsveranstaltungen oder sonstigen Informationsangeboten" anzubieten. Die Reichweite der dazugehörigen Parteien werde dadurch "potenziell erweitert", die Positionierung erleichtert "und damit die Stellung der nahestehenden Partei im politischen Wettbewerb verbessert". Wenn die Erasmus-Stiftung kein Geld bekomme, verletzte das ihr Recht "auf gleichberechtigte Mitwirkung an der politischen Willensbildung". Wie die anderen Parteien diese Nuss knacken wollen, ist bislang nicht absehbar.

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