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Bundesverfassungsgericht: Eine Sternstunde des Parlaments: Der Bundestag stärkt das Bundesverfassungsgericht gegen radikale Parteien

Bundesverfassungsgericht

Eine Sternstunde des Parlaments: Der Bundestag stärkt das Bundesverfassungsgericht gegen radikale Parteien

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    Der Bundestag hat eine Stärkung des Bundesverfassungsgerichts auf den Weg gebracht.
    Der Bundestag hat eine Stärkung des Bundesverfassungsgerichts auf den Weg gebracht. Foto: picture alliance/dpa

    Die sogenannte Ehe für alle, das Abtreibungsrecht, die Hauptstadt-Wahl: Es gab schon einige Sternstunden im Parlament, fast alle waren das Resultat fulminant geführter gesellschaftlicher Debatten, wie sie nur in einer Demokratie denkbar sind. Genau um den Schutz solch demokratischer Errungenschaften ging es am Donnerstag in einer Bundestagsdebatte, die es mangels öffentlicher Erregtheit wohl nicht auf die Sternstunden-Liste schaffen wird, obwohl sie es verdient hätte. Denn in einer inzwischen eher selten gewordenen fraktionsübergreifenden Allianz stimmte das Parlament für eine Grundgesetzänderung, die das Bundesverfassungsgericht stärker machen und besser gegen Manipulationsversuche extremer Parteien schützen soll.  Außerdem wurde für den Fall einer Blockade bei der Richterwahl ein Ersatzwahlmechanismus eingeführt.

    Das Jahr des 75. Geburtstages der Verfassung, erklärte Justizminister Volker Wissing (parteilos), sei genau der richtige Zeitpunkt für diesen Beschluss. Bisher hätten wechselnde Mehrheiten im Parlament nie versucht, das Bundesverfassungsgericht auf Linie zu bringen. „Aber wir lernen in diesen Zeiten, dass man darauf nicht mehr unbedingt setzen kann.“ Ein besserer Schutz der Karlsruher Institution sei geboten, weil sich die Frage wieder stelle: „Ist Deutschland als liberale Demokratie wirklich so gesichert, wie wir das lange geglaubt haben?“ Für den Beweis, dass dem nicht so ist, blickte Wissing nach Polen, Ungarn und Rumänien, wo Parteien am Um- und Abbau des Rechtsstaats arbeiten. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz machte deutlich, dass man gar nicht so weit schauen muss.

    AfD setzt Demokratie unter Druck

    Weltweit stünden, erklärte der Jurist, „Demokratien massiv unter Druck, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit werden immer öfter infrage gestellt und auch offensiv angegriffen. Nicht nur in Deutschland, aber eben auch hier bei uns.“ Es seien „Sicherheitsmaßnahmen“ notwendig, „weil eine ernstzunehmende Bedrohung tatsächlich auch von Fraktionen hier im Haus ausgeht.“ Von Notz blickte dabei zunächst vom Rednerpult aus nach rechts auf die AfD-Fraktion. „Ihre Russlandnähe ist unerträglich“, erklärte der Abgeordnete, der auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste des Bundes ist. Es zeige sich, dass die AfD-Abgeordneten „den Diktaturen sehr viel näher sind als der Demokratie“. Anschließend wandte sich von Notz nach links und erklärte, das müsse er auch dem BSW und seiner Chefin Sahra Wagenknecht sagen, die immer wieder die Positionen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vortrage.

    Ähnlich bewertete FDP-Fraktionsgeschäftsführer Stephan Thomae die Situation. Die Gefahr, „dass Verfassungsfeinde versuchen, zentrale, demokratische Institutionen zu blockieren, ist durchaus real. Gerade in diesen herausfordernden Zeiten müssen wir dafür sorgen, dass Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts gegen jegliche Angriffe gewahrt bleiben“, sagte er unserer Redaktion.

    BSW geschlosssen dagegen

    Gesichert werden soll die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts, „indem zentrale Strukturen und die Geschäftsordnungsautonomie nur noch mit Zweidrittel-Mehrheit geändert werden können. So kann nicht einfach durch beispielsweise einen zusätzlichen Senat das Gericht mit Günstlingen von Antidemokraten besetzt werden“, wie die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Sonja Eichwede, erklärte. Die gesetzliche Regelung, nach der Richter mit Zweidrittelmehrheit ins Bundesverfassungsgericht gewählt werden, wurde nicht ins Grundgesetz übernommen. Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) begründete dies damit, dass sonst eine Minderheit von einem Drittel im Bundestag Richterwahlen blockieren könnte. Sie lobte die stattdessen gefundene Notfallregelung, dass sich im Falle einer solchen Blockade Bundestag und Bundesrat gegenseitig vertreten.

    Der CSU-Politiker Volker Ullrich verzeichnete die Abstimmung als persönlichen Erfolg. „Vor über einem Jahr habe ich bei einer Rede im Plenum erstmals angeregt, das Bundesverfassungsgericht stärker im Grundgesetz abzusichern“, sagte er unserer Redaktion und ergänzte: „Ich freue mich sehr, dass die demokratischen Kräfte des Hauses das nun heute in die Realität umgesetzt haben.“

    In namentlicher Abstimmung votierten 600 Abgeordnete für die Grundgesetzänderung, darunter alle anwesenden Mitglieder von Union, SPD, Grünen, Linke und FDP. 69 Parlamentarier stimmten dagegen. Der AfD-Abgeordnete Dietmar Friedhoff war der Einzige in seiner Fraktion, der mit Ja stimmte. 56 seiner Parteifreunde votierten mit Nein. Aus dem BSW kamen nur Nein-Stimmen. Es wird erwartet, dass der Bundesrat die erforderliche Zustimmung erteilt.

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