"Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist" – wer Politiker in diesen Tagen nach der künftigen Zusammensetzung einer Regierung und der eigenen Rolle darin fragt, bekommt unweigerlich diese Antwort. Schließlich ist ja noch längst nicht klar, ob künftig nun eine Ampel-Koalition oder ein Jamaika-Bündnis regiert. Doch tatsächlich beschäftigt kaum eine Frage das politische Berlin derzeit so sehr wie die, wer nun was werden könnte. So hat sich das Personalkarussell zwar noch nicht zu drehen begonnen, doch vor seinen Sitzen drängen sich schon diejenigen, die unbedingt mitfahren wollen. Kein Wunder, denn das Kabinett wird sich in jedem Fall grundlegend verändern.
Sicher ist nur eines: Nach der Bundestagswahl 2021 ändert sich fast alles
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hört nach 16 Jahren auf und auch für ihren treuen Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) ist damit wohl die Zeit im Kabinett abgelaufen. Merkels wahrscheinlichster Nachfolger ist Olaf Scholz, ihr bisheriger Vize und Bundesfinanzminister von der SPD. Für dessen Amt als Kassenwart der Nation hat sich schon Christian Lindner in Stellung gebracht. Der FDP-Chef wird den einflussreichen Posten wohl auch dann für sich reklamieren, wenn der Kanzler doch noch Armin Laschet (CDU) oder gar Markus Söder (CSU) heißen sollte. Sollte Laschet Kanzler werden, wird er den Chef seiner Düsseldorfer Staatskanzlei, Nathanael Liminski, mit dem wichtigen Posten des Kanzleramtschefs betrauen. Wird Scholz der neue Regierungschef, gilt sein Staatssekretär Wolfgang Schmidt als gesetzt.
Außenminister Heiko Maas (SPD) hat zuletzt auch in der eigenen Partei wenig überzeugt, vor dem Afghanistan-Debakel etwa reagierte er offenbar nicht auf Warnungen deutscher Diplomaten. Insgesamt gelang es ihm zu wenig, das Profil der deutschen Außenpolitik zu schärfen. Nachdem Maas zuvor bereits Justizminister war, wird er nun wohl im Kabinett anderen den Vortritt lassen müssen. Ins Auswärtige Amt am Werderschen Markt könnte eine Grünen-Politikerin einziehen: Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die sich im Völkerrecht zu Hause fühlt. Auch der Name ihres Parteifreundes Cem Özdemir fällt gelegentlich, wenn es um das Außenamt geht.
Vertritt Baerbock Deutschland in aller Welt?
Für Baerbock spricht, dass sie als Außenministerin den Posten übernehmen könnte, den es offiziell gar nicht gibt. Eine Vizekanzlerin ist in der Verfassung nicht vorgesehen, der Stellvertreterposten ist gleichwohl mit Prestige verbunden. Selbst wenn aus der Grünen-Zentrale gerade anderes verlautet und Robert Habeck als Vizekanzler genannt wird – es wäre ein ungeheuerlicher Affront, würde der Spitzenkandidatin dieser Posten verwehrt werden.
Ziemlich gute Karten im Ämterpoker bei der SPD hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Sie hat in Sachen Klimaschutz geliefert und den Kurs der SPD, Ökologie und Wirtschaft zu versöhnen, entscheidend mitgeprägt. Voraussichtlich wird sie aber das Fachgebiet wechseln müssen, das Umweltressort dürften die Grünen für sich reklamieren. Schulze gilt aber als vielseitig und war in Nordrhein-Westfalen schon Forschungsministerin.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil könnte einer der wenigen Minister sein, der sein Amt behält – wenn es denn bei der SPD bleibt. Er hat unter anderem bei der Grundrente sein Pensum erfüllt, in Corona-Zeiten das Kurzarbeitsprogramm organisiert und mit CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller (der Direktor für industrielle Entwicklung bei den Vereinten Nationen wird) das Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Heil hat aber den Ruf einer Universalwaffe, die auch für viele andere Aufgaben geeignet wäre.
Justizministerin wird Christine Lambrecht (SPD) wohl nicht bleiben, das Ressort könnte an die FDP wandern, wo es von Parteivize Wolfgang Kubicki über Generalsekretär Volker Wissing bis zu Fraktionsvize Stephan Thomae zahlreiche profilierte Juristen gibt. Lambrecht ist zuletzt aber bereits für Franziska Giffey, die wohl Regierende Bürgermeisterin von Berlin wird, als Familienministerin eingesprungen. Für den Bundestag hat Lambrecht nicht mehr kandidiert, sie kann sich eigenen Angaben zufolge noch vieles vorstellen. Die SPD hat versprochen, ihre Kabinettsposten mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. Weitere Genossinnen, die für einen Kabinettsposten gehandelt werden, sind etwa die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz aus Hamburg und die schleswig-holsteinische Oppositionsführerin Serpil Midyatli.
Für Altmeier stehen die Chancen eher schlecht
Der amtierende Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat es zwar wieder in den Bundestag geschafft. Dass er diesen Posten in einer Regierung mit Unionsbeteiligung behält, ist aber unwahrscheinlich. Denn dann würde Friedrich Merz zum Zuge kommen (beide CDU), dem Laschet dieses Amt in die Hand versprochen hat. Auch FDP-Generalsekretär Volker Wissing könnte das Wirtschaftsressort schmecken, bei den Grünen ist Habeck dann ein Kandidat für dieses Ressort, wenn der wichtige Bereich Energie dort verankert bleibt und er so eine deutliche Mitsprache in der künftigen Klimapolitik hätte.
Bildungsministerin Anja Karliczek hat bereits bekundet, dass sie gerne weitermachen würde. Ihr Ressort wäre allerdings eines, das die Union in einer möglichen Dreier-Regierung abgeben müsste. Zum Beispiel an Dorothee Bär von der CSU, die dann den Bereich Digitalisierung mitmachen würde. Bei der FDP wird häufig Bettina Stark-Watzinger als Bildungsministerin genannt.
Folgt Toni Hofreiter auf Andreas Scheuer?
Das wichtige Verkehrsministerium wird mit einiger Sicherheit nicht in den Händen des viel kritisierten Andreas Scheuer (CSU) bleiben. Die Grünen dürften es, in welcher Konstellation auch immer, für sich beanspruchen. Aussichtsreichster Kandidat ist derzeit Anton Hofreiter. Scheuer hätte nur dann eine Chance, wenn es wider Erwarten zu einer Neuauflage der GroKo kommen würde.
Da Armin Laschet versprochen hat, ein von ihm geführtes Kabinett paritätisch zu besetzen, kann Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hoffen, für diesen Fall weiterhin Verteidigungsministerin zu bleiben. Würde der Bendlerblock der SPD zugeschlagen, könnte dort Generalsekretär Lars Klingbeil einziehen.
Wer wird Bundespräsidentin?
Von der Neuordnung der politischen Landschaft durch die Wahl vom vergangenen Sonntag dürfte auch das höchste Amt im Staat betroffen sein. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war im Rahmen des Koalitionspokers mit der Union ins Schloss Bellevue gekommen. Die überließ dem Juniorpartner das formal höchste, aber weitgehend repräsentative Amt. Ähnlich könnte es wieder laufen. Die SPD müsste dann auf eine zweite Amtszeit des hoch geschätzten Steinmeier verzichten und den Grünen den Vortritt lassen. Deren Fraktionschefin Katrin Göring Eckardt dürfte sich Hoffnungen machen, die prestigeträchtige, aber weitgehend repräsentative Aufgabe zu übernehmen.